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Frage von Hans-Jürgen S. •

Frage an Günter Gloser von Hans-Jürgen S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Gloser,

weshalb ist das Grundgesetzgebot noch nicht erfüllt, wonach sich das deutsche Volk nach erfolgter Vereinigung in freier Selbstbestimmung eine Verfassung geben soll? (Das Grundgesetz ist ja lediglich ein Gesetz zu dem die Haager Landkriegsordnung Besatzungsmächte verpflichte zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in einem besetzten Land.)

Oder gab es de jure noch gar keine Vereinigung Deutschlands? Denn:

Die neuen Bundesländer wurden durch das Ländereinführungsgesetz von der DDR Volkskammer zum 14.10.1990 etabliert.

Laut Beitrittsgesetz traten diese am 03.10.1900 dem Artikel 23 des Grundgesetzes bei,
der zu diesem Zeitpunkt längst gestrichen war.

Das heißt: am 3. oktober 1990 traten Länder, die zu diesem Zeitpunkt NOCH GAR NICHT EXISTIERTEN, dem Grundgesetz gemäß einem Artikel bei, der zu dem Zeitpunkt NICHT MEHR EXISTIERTE.

Ich danke Ihnen schon jetzt für Ihre Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Jürgen Sauerbrey

P. S.: Frau Wöhrl hat sich seit ca. 2 Wochen zu keiner Antwort durchringen können.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Sauerbrey,

ich danke Ihnen für Ihre Frage hinsichtlich des rechtlichen Ablaufes der Wiedervereinigung. Ob der von Ihnen dargestellte Zeitablauf zutrifft oder nicht, kann ich heute leider nicht beurteilen. Dies erfordert, wie Sie sicher verstehen, einiges an Recherche, die gegenwärtig in der Endphase des Wahlkampfes nicht zu leisten ist. Ich bin mir sicher, dass Sie nachvollziehen können, dass eine solch schwierige staatsrechtliche Frage nicht so ohne weiteres zu beantworten ist.

Gerne bin ich bereit, dieser Sache einmal nachzugehen, und mir vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages hierzu eine Ausarbeitung zusammenstellen zu lassen. Davon abgesehen bin ich fest überzeugt, dass die wiedervereinigte Bundesrepublik Deutschland auf sicherem staatsrechtlichem und völkerrechtlichem Grund steht. Dass damals die Wiedervereinigung auf Artikel 23 (alt) Grundgesetz beruhte und nicht eine gänzlich neue Verfassung durch Volksentscheid eingeführt wurde, war wohl – nach meiner Erinnerung – der Notwendigkeit geschuldet, das sich wiedervereinigende Deutschland so schnell als möglich auf eine sichere rechtliche Grundlage zu stellen. Andernfalls hätte insbesondere in den neuen Ländern, so die damalige Einschätzung, eine erhebliche weitere Verunsicherung entstehen können.

Eine Volksentscheidung zu einer Verfassung gibt dieser mit Sicherheit ein hohen Grad an Legitimität. Dies bedeutet aber nicht, dass Verfassungen, für die ein solcher Zustimmungsakt nicht erfolgt ist, grundsätzlich mit schwächerer Legitimität ausgestattet sein müssten. Dies gilt mit Sicherheit für das Grundgesetz der alten Bundesrepublik. Über das Grundgesetz gab es kein Volksentscheid, sondern vielmehr die Zustimmung der Bundesländer. Und sogar in Bayern, das das Grundgesetz damals abgelehnt hat, genießt es hohe tatsächliche Legitimität. Gleiches kann und muss man auch über das Grundgesetz als Verfassungsgrundlage der wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland sagen. Unsere Staatspraxis beweist, dass es eine gelungene Grundlage für die Organisation unseres Gemeinwesens ist.

Mit freundlichen Grüßen
Günter Gloser