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Frage von Stefan Z. •

Ist eine 100 % Sanktion des Bürgergeldes mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019 vereinbar? Falls nein, wie klagt man dagegen?

Sehr geehrter Herr Gysi,

Ich hatte mit Ihnen zur Frage der Vereinbarkeit des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2019 mit der Vollsanktion von Bürgergeldempfängern bereits mehrfach kommuniziert (s. meine Fragen vom 22.1.24., 26.3.24, 23.4.24). Sie hielten darin die Vollsanktion tendenziell für verfassungswidrig; da jedoch mit dem Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes 2024 die Möglichkeit der vollkommenen Streichung aller Leistungen für Bürgergeldempfangende für bis zu zwei Monate (wie häufig eigentlich?) inzwischen Gesetzeskraft hat, meinten Sie, dass Betroffene nun künftig erneut dagegen klagen müssen.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019 folgte jedoch auf eine Klage, die etwa zehn Jahre zuvor eingereicht wurde. Die Kürzung des Bürgergeldes bzw. der Wegfall erfolgt meiner Meinung nach jedoch sofort und wird erst im Falle eines erfolgreichen Widerspruches nachgezahlt. Wie soll das gehen? Wovon lebt der Kläger in der Zeit?

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Z.

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Sehr geehrter Herr Z.,

Ihre Frage vom 01. September hat mich erreicht. 

Eine Fraktion kann nur Klagen gegen ein Gesetz erheben, wenn das Recht des Bundestages oder der Fraktion verletzt wurden. Ein anderer Weg ist der Gerichtsweg, der aber nur vom Sozialgericht über weitere Gerichte bis zum Bundesverfassungsgericht läuft. Sie haben Recht, dass dies sehr lange dauern kann.

Es gibt aber noch zwei Möglichkeiten. 

Erstens kann schon beim ersten Gericht beantragt werden festzustellen, dass die gesetzliche Regelung, die einen Bezug ausschließt, gegen das Grundgesetz verstößt. Das Gericht kann dann entscheiden, diese Frage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Das geht wesentlich schneller. 

Zweitens kann ein Betroffener auch den Weg der einstweiligen Verfügung gehen und damit das Tempo enorm anziehen. 

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Gregor Gysi

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