Frage an Gisela Piltz von Jan Tibor Dr. L. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Piltz,
ich möchte mich mit folgender Frage an Sie wenden:
Was unternehmen Sie als Abgeordnete des Bundestags und was unternimmt die FDP-Bundestagsfraktion, um die zügige Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption und der seit neun Jahren unterzeichneten Antikorruptionskonvention des Europarates in Deutschland voranzutreiben?
Wann ist spätestens mit Ratifierung der beiden Konventionen zu rechnen?
Über Ihre Antwort freue ich mich, mit freundlichen Grüßen
Dr. Jan Tibor Lelley
Sehr geehrter Herr Dr. Lelley,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich nachfolgend gerne beantworte.
Alle Fraktionen des Deutschen Bundestages haben die Verhandlungen der Bundesregierung zu dem weltweiten UN-Übereinkommen gegen Korruption sehr aufmerksam kritisch verfolgt und ihre Kritikpunkte auch angesprochen.
Das UN-Übereinkommen nimmt zum Teil keine Rücksicht auf die unterschiedlichen Rechtstraditionen und Rechtsstaatsstandards der Mitgliedsländer. So enthält das Übereinkommen eine Bestimmung, die die Strafbarkeit von Bestechungshandlungen von Amtsträgern vorsieht. Der Begriff des Amtsträgers soll dabei weit gefasst werden und schließt auch Parlamentarier mit ein. In Deutschland ist jedoch der Amtsträger oder der Beamte im öffentlichen Dienst mit dem Abgeordneten in keiner Weise gleichzusetzen. Amtsträger im engeren Sinne haben dem Gemeinwohl zu dienen. Beamte sind in Deutschland strengeren Regeln unterworfen als Abgeordnete. Der Tatbestand der Vorteilsannahme ist bereits erfüllt, wenn der Beamte "für die Dienstausübung" einen Vorteil für sich "oder einen Dritten" annimmt, fordert oder sich versprechen lässt. Abgeordnete können aber auch Partikularinteressen vertreten. Man kann von Abgeordneten nicht verlangen, dass sie -- wie Beamte -- stets unparteiisch und frei von unsachlichen Einflüssen ihr Mandat ausüben. Dies wäre mit dem Verfassungsgrundsatz des freien Mandats nicht vereinbar.
Die Verhandlungen über die UN-Konvention haben gezeigt wie schwierig es ist, auf dem Gebiet des Abgeordnetenrechts einheitliche Rechtsstandards aufzustellen. Im internationalen Vergleich zeigen sich große Unterschiede bei den Regelungen einiger Länder im Umgang mit ihren Angeordneten. Das deutsche Abgeordnetenrecht unterwirft die Volksvertreter strikten Reglementierungen. So sind die Bundestagsabgeordneten an Verhaltensregeln gebunden, die umfangreiche Anzeige- und Veröffentlichungspflichten beinhalten. Erst kürzlich sind die Verhaltensregeln erneut deutlich verschärft worden. Das Recht auf Immunität gemäß Art 46 Abs. 2 GG dient dem Schutz vor Beschränkungen der persönlichen Freiheit des Abgeordneten, insbesondere dem Schutz vor Verhaftung ohne Genehmigung des Parlaments. Das Recht auf Immunität schützt den Abgeordneten aber grundsätzlich nicht vor Strafverfolgung. Der Deutsche Bundestag erlaubt seit mehr als 40 Jahren zu Beginn einer Legislaturperiode pauschal die Einleitung von Ermittlungsverfahren. Er verlangt jedoch, darüber informiert zu werden. Bei Anklageerhebung, Freiheitsentzug oder auch bei Hausdurchsuchungen muss das Parlament zustimmen. Auch für Abgeordnete gilt das Legalitätsprinzip. Damit unterscheidet sich das deutsche Immunitätsrecht wesentlich von dem anderer Länder. So wird das Immunitätsrecht in manchen Nachbarländern genutzt, um Abgeordnete einer strafrechtlichen Verfolgung zu entziehen. Häufig wird daher vom Opportunitätsprinzip Gebrauch gemacht.
Zudem ist heute die Strafwürdigkeit der Abgeordnetenbestechung unbestritten. Sie ist 1993 in das Strafgesetzbuch aufgenommen worden. Danach macht sich ein Abgeordneter strafbar, wenn er für ein bestimmtes Stimmverhalten einen Vorteil als Gegenleistung erhält. Das strafwürdige Unrecht der Abgeordnetenbestechung besteht in der unlauteren Einflussnahme auf den demokratischen Prozess. Die repräsentative Demokratie lebt davon, dass einzelne Wähler und Interessengruppen die Parlamentarier in ihrem Sinne zu beeinflussen suchen. Es muss daher eine sorgfältige Grenze zwischen zulässiger und unzulässiger Einwirkung gezogen werden. Der enge Tatbestand der Abgeordnetenbestechung, der nur die Abstimmung im Parlament unter Strafe stellt, nicht aber die vorgeschaltete Willensbildung, schützt den Abgeordneten vor unlauteren Einflussnahmen und stützt gleichzeitig seine Unabhängigkeit als frei gewählter Abgeordneter. Wer "gekauft" worden ist, sich in einer bestimmten Weise zu entscheiden, wird sein Verhalten bis zur Schlussabstimmung im Parlament, wo sein Abstimmungsverhalten ja für jedermann sichtbar ist, durchhalten. Eine zu weite Fassung des Tatbestands bringt die Gefahr mit sich, dass auch politisch übliches und mithin sozialadäquates Verhalten kriminalisiert wird. Die üblichen parlamentarischen und außerparlamentarischen Kontakte des Abgeordneten dürfen aber nicht in die Nähe der Strafbarkeit gerückt werden.
Der Deutsche Bundestag hat daher die Bundesregierung aufgefordert, sich bei den Verhandlungen über das UN-Übereinkommen für eine Lösung einzusetzen, die mit dem deutschen Recht vereinbar ist. Es ist daher bedauerlich, dass die Bundesregierung sich über das Votum des Bundestages hinweggesetzt hat und in den Schlussberatungen ihren Vorbehalt gegen eine auch Abgeordnete umfassende Definition des "inländischen Amtsträgers" zurückgezogen hat. Es wird daher jetzt darauf ankommen, dass der Deutsche Bundestag bei der Umsetzung des UN-Übereinkommens eine vernünftige und sachgerechte Lösung findet, die dem Verfassungsverständnis vom deutschen Abgeordneten gerecht wird. An diesen Beratungen wird sich die FDP konstruktiv beteiligen.
Mit freundlichen Grüßen
Gisela Piltz MdB