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Gisela Piltz
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Frage von Jan-Erik H. •

Frage an Gisela Piltz von Jan-Erik H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Piltz,

als Mlitglied des Aufsichtsrates der BStU möchte ich Sie nach Ihrer Meinung zum Sachverhalt, dass in der Behörde der BStU immer noch ehemalige (auch hauptamtliche) Mitarbeiter des Staatssicherdienstes der DDR beschäftigt sind und auch weiter beschäftig werden?
Verträgt sich dies mit den Grundsätzen der historischen Aufarbeitung und den Grundsätzen der Funktion einer Behörde, die die Arbeitsweise der des Staatssicherdienstes der DDR unabhägig aufklären soll?

Besten Dank.
Herzliche Grüße
Jan-Erik Hansen

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Hansen,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Als Ende des Jahres 2006 bekannt wurde, daß bei der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen mehr als 50 ehemalige hauptamtliche und inoffizielle Stasi-Mitarbeiter beschäftigt sind, hat diese Nachricht den Großteil der Mitglieder des Bundestages sehr beunruhigt.

Die BStU ist eine zentrale Einrichtung der Aufarbeitung des in der DDR begangenen Unrechts. Diese Aufgabe kann sie jedoch nur erfüllen, wenn ihre Integrität und Glaubwürdigkeit außer Frage stellt. Ich halte es für nachvollziehbar, daß nach dem Ende der DDR nicht jeder offizielle oder inoffizielle Mitarbeiter der Stasi oder jeder Unterstützer des Systems mit einem vollständigen Berufsverbot belegt werden konnte und daß viele der ehemaligen Mitarbeiter des Innenministeriums der DDR in den bundesdeutschen Staatsdienst übernommen wurden. Nicht hinnehmbar ist hingegen die Tatsache, daß zahlreiche ehemalige Stasi-Mitarbeiter und andere Träger des SED-Unrechtsregimes ausgerechnet bei der Behörde der oder des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR eingestellt wurden. Selbst bei einem nur geringen Verschulden im Einzelfall und einer Tätigkeit lediglich als Wachschutz oder Pförtner erfordert es das Vertrauen in die Integrität der BStU-Behörde, daß keine ehemaligen Stasi-Mitarbeiter in welcher Form auch immer dort beschäftigt sind. In dieser Hinsicht sind an das Personal der BStU besonders hohe Anforderungen zu stellen.

Ein (vertrauliches) Gutachten über die Beschäftigung ehemaliger MfS-Angehöriger bei der BStU, welches vom Kulturstaatsminister Bernd Neumann in Auftrag gegeben worden war, bestätigt die Befürchtungen und legt im Übrigen dar, daß nicht allein die ehemaligen MfS-Mitarbeiter eine Bedrohung für die gewissenhafte Aufarbeitung und die Integrität der BStU darstellen, sondern in ähnlichem Maße zahlreiche ehemalige Träger des SED-Staates, die ebenfalls dort beschäftigt sind.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich mit diesem Thema in mehreren parlamentarischen Initiativen intensiv auseinandergesetzt. Leider blieben einige Fragen an die Bundesregierung jedoch ohne großen Erkenntnisgewinn. Die Antworten der Bundesregierung auf die Fragen der FDP sind im Internetangebot des Bundestages unter den jeweiligen Drucksachennummern abrufbar (Ehemalige Stasi-Mitarbeiter in obersten und oberen Bundesbehörden, BT-Drs. 16/4347; Ehemalige Stasi-Mitarbeiter im Bundesministerium des Innern und der ihm nachgeordneten Behörden, BT-Drs. 16/5318).

Darüber hinaus hat sich die FDP-Bundestagsfraktion in ihrem am 6. September 2007 in Wiesbaden einstimmig beschlossenen Deutschlandprogramm zur Aufarbeitung des SED-Unrechts und auch zur Zukunft der BStU klar positioniert. Dort heißt es:

"Bei der Aufarbeitung der deutschen Geschichte gibt es großen Nachholbedarf. Insbesondere bei der Erhaltung und Erschließung der authentischen Stätten des SED-Unrechts ist noch viel zu tun. Das Gedenkstättenkonzept des Bundes muß in diesem Sinne fortentwickelt werden. Die Arbeitsfähigkeit und die Integrität der Stasiunterlagenbehörde müssen wiederhergestellt werden. Das Vertrauen in die wichtige Aufgabe der Aufarbeitung verträgt es nicht, dass zahlreiche ehemalige MfS-Mitarbeiter in der Stasiunterlagenbehörde arbeiten. Zur Aufrichtigkeit der Aufarbeitung der jüngsten deutschen Geschichte gehört auch eine Überprüfung der so genannten Rosenholz-Dateien auf Kontakte der Stasi zu den Bundestagsabgeordneten vergangener Wahlperioden."

Wie es mit der Stasiunterlagen-Behörde weitergehen wird, wird in der ersten Jahreshälfte 2008 im Zusammenhang mit dem "Gedenkstättenkonzept des Bundes" entschieden werden. Es deutet vieles darauf hin, daß die BStU sobald es organisatorisch möglich ist in das Bundesarchiv eingegliedert wird. Bei dieser Eingliederung werden die Sonderregelungen für den Zugang zu den Stasi-Akten erhalten bleiben. Zwei wesentliche Gründe sprechen für die Eingliederung der BStU in das Bundesarchiv: eine größere Geschwindigkeit und Professionalität bei der Erschließung der Akten, die in der BStU leider nur schleppend voran ging, und die Erkenntnis, daß die personelle Integrität der Birthler-Behörde sich auf anderem Wege nicht herstellen läßt.

Bei der Aufarbeitung des SED-Unrechts geht es nicht um Institutionen, sondern um die Aufarbeitung selbst. Es geht um das Recht und die Möglichkeit all jener, die vom MfS verfolgt und in ihrer Freiheit beeinträchtigt wurde, ihre Akten einzusehen und um die besten Möglichkeiten für unabhängige Wissenschaftler, die Geschichte der Repression in der DDR aufzuarbeiten.

Mit freundlichen Grüßen

Gisela Piltz MdB