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Gerhard Schick
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Frage von Volker G. •

Frage an Gerhard Schick von Volker G. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Dr. Schick,

das Bundesarbeitsministerium (BMAS) sieht in seinem "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassunggesetzes" u.a. die Einführung eines neuen Paragrafen im BGB vor (§ 611a BGB).

Wie stehen die Grünen dazu, dass im Rahmen einer Änderung von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung Dienstleistungsverträge als Arbeitsverträge umtituliert werden sollen?

Inwiefern sehen Sie persönlich den Gesetzesvorschlag als Zielkonform mit den Anforderungen einer auf Wissen basierende Gesellschaft und dem Grundgesetz Artikel 12?
Der Vorschlag bedeutet ein Berufsverbot für ein Großteil der in der Wissensgesellschaft arbeitenden Solo-Selbständigen.

Wie werden Sie hierzu abstimmen?

Mit freundlichen Grüßen,

Volker Glassl

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Glassl,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu der anstehenden Regulierung der Werk- bzw. Dienstverträge. Die Schwarz-Rote Koalition hat sich schon im Koalitionsvertrag auf einige Maßnahmen verständigt. Zurzeit wird ein entsprechender Gesetzesentwurf zwischen den Ministerien abgestimmt.

Ziel dieses Gesetzes ist es, den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen zu unterbinden sowie sogenannter Schein-Selbstständigkeit von Personen, die durch ihre wirtschaftliche Abhängigkeit in prekäre Situationen gedrängt werden, entgegen zu wirken. Dieses Ziel unterstützen wir, die von Ministerin Nahles geplante Umsetzung lehnen wir jedoch ab.

Die Bundesregierung plant Abgrenzungskriterien abhängiger Beschäftigung von anderen Vertragsformen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und will damit den Missbrauch von Werkverträgen an Drittfirmen sowie Schein-Selbstständigkeit gleichermaßen und mit denselben Kriterien unterbinden. Wir sind der Auffassung, dass das den unterschiedlichen Problemen nicht gerecht wird.

Insbesondere die Unterscheidung zwischen Schein-Selbstständigkeit und tatsächlicher Selbstständigkeit ist schwierig. Ein Grund dafür ist, dass die Gruppe der Selbstständigen sehr uneinheitlich ist. Viele haben sich bewusst für die Selbstständigkeit entschieden und brauchen – sofern sie tatsächlich für das Alter abgesichert sind – den Schutz und die Fürsorge des Staates nicht. Sie können im Regelfall gut von ihren Honoraren leben.

Uns ist bewusst, dass unzeitgemäße Abgrenzungskriterien, langwierige Statusfeststellungsverfahren, viel Bürokratie und widersprüchliche Gerichtsurteile eine massive Beeinträchtigung für viele Selbstständige und Freiberufler darstellt. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sind zentrale Leitmotive für grüne Politik und wichtige Gründe für Menschen, sich selbständig zu machen. Wir wollen mit unserer Politik Risikobereitschaft und Kreativität fördern und sie nicht behindern. Dumpinghonorare und Scheinselbstständigkeit sind mit einer nachhaltigen und fairen Gründungskultur nicht zu vereinbaren. Wir dürfen Selbstständige aber nicht unter Generalverdacht stellen. Das Statusfestellungsverfahren muss daher rechtssicher und transparent reformiert werden – z.B. mit einer Positivliste, die gut abgesicherten Selbständigen Rechtssicherheit verschafft. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, die gesetzlichen Abgrenzungskriterien im Sozial-, Arbeits- und Steuerrecht zu vereinheitlichen, um mögliche Doppel- bzw. Dreifachprüfungen zu vermeiden.

Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass ein Teil der formal Selbstständigen - meist unfreiwillig - mit niedrigsten Einkommen auskommen müssen, die kaum ihre Ausgaben decken. Dazu gehören z.B. viele PaketzustellerInnen, Lehrkräfte und Pflegende. Viele von ihnen haben nur einen Auftraggeber, von dem sie wirtschaftlich abhängig sind. Ein Viertel aller Selbstständigen erzielt rechnerisch ein Einkommen von weniger als 8,50€ pro Stunde (DIW 2015). Oft landen diese Menschen spätestens im Alter in der Grundsicherung.

Notwendig sind deshalb klare, an eine moderne Arbeitswelt angepasste Kriterien, die Scheinselbstständigkeit unterbindet, ohne die tatsächlichen Selbstständigen in ihrer Tätigkeit zu beeinträchtigen, sondern vielmehr diese zu unterstützen. Die in der Bundesregierung angedachten Regelungen sind nach unserer Überzeugung dafür ungeeignet. Ein Gesetzentwurf in dieser Form, werden wir im parlamentarischen Verfahren deutlich kritisieren. Wir selbst arbeiten gerade an einem Vorschlag, der eine einfache und praxistaugliche Abgrenzung möglich macht. Für Ihre Anregungen sind wir dankbar.

Für uns Grüne steht im Vordergrund, den Missbrauch der Werk- und Dienstverträge zu verhindern und gleichzeitig die Rechtssicherheit für Selbstständige und ihre Auftraggebenden zu erhöhen.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Schick