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Frank Mentrup
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Frage von Gerald B. •

Frage an Frank Mentrup von Gerald B. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Dr. Mentrup,

Sie haben Ihre Zustimmung zu den "Eckpunkten von Stuttgart 21 / Neubaustrecke Wendlingen-Ulm" am 25.7. gegeben. Nun ist es für mich nicht nachvollziehbar, wie man v.a. als Abgeordneter aus Mannheim einem derartigen Projekt zustimmen kann. In den Medien häufen sich die Meldungen, dass Stuttgart21 über Jahre wenn nicht Jahrzehnt finanzielle Ressourcen im Südwesten binden wird, mit denen man viele andere sinvolle Bahnprojekte finanzieren könnte. Baden scheint wieder einmal auf den Strecke zu bleiben.

Es sind nicht nur die exorbitanten Kosten, bei denen es einem mulmig werden kann, es ist v.a. ein generelles Unbehangen, was einen bei diesem Projekt befällt. Unliebsame Studien wurden zurückgehalten, Volksabstimmung wurde verwehrt, im Nachhinen doch noch kurz 35 Mio bereitgestellt nachdem eine Studie gravierende Mängel aufgezählt hat usw. Für soviel Geld profitiert der Bahnfahrer erstaunlich wenig, die Immobilien- und Bauwirtschaft umso mehr, eine kostengünstige Alternative wäre auch heute noch möglich.

Warum habe Sie zugestimmt? Was sind Gründe, die für Sie zählen?

Wie verhält es sich mit dem Fraktionszwang dh. stehen Sie wirklich hinter der Entscheidung?

Halten Sie das Projekt für "unumkehrbar" und warum kein Moratorium?

Wie gelingt es Ihnen in Zukunft besser für den Schienenverkehr in Nordbaden einzusetzen?

Mit freundlichen Grüßen,
Gerald Böhm

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Böhm,

herzlichen Dank für Ihre Frage über abgeordnetenwatch.de - verbunden mit der Bitte, mir meine verspätete Antwort nachzusehen. Da ich derzeit so viele Mails zu diesem Thema beantworten muss und die Fragen immer etwas anders gestellt werden, schicke ich Ihnen zu Ihren speziellen Fragen kurze Antworten, würde Sie darüber hinaus aber weiterhin gerne einfach unaufgefordert mit dem einen oder anderen zusätzlichen Material informieren, das nicht speziell auf Ihre Fragen eingeht, Ihnen aber vielleicht meine bzw. unsere (SPD-Fraktion) Position deutlich werden lässt.

1.) Ich halte S21 für eine technisch ambitionierte, allerdings auch teure Antwort auf verschiedene Fragen der zukünftigen Anbindung von Stuttgart an das Fernverkehrsnetz, der Verbesserung der Regionalbahnverkehre, der besseren Abstimmung mit den Stuttgarter Nahverkehren, der Entwicklung der Stuttgarter Innenstadt mit der Gewinnung zusätzlicher Flächen und der Verbesserung der Freizeit- und Naherholungsfunktion des Stuttgarter Schlossgartens. Die Aussagen des Projektträgers Deutsche Bahn und die Antworten der verantwortlichen Ingenieure halte ich für nachvollziehbar und überzeugend, weitere im Verlauf der Ausführung und Detailplanung sich ergebenden Fragen für dann lösbar. Angesichts der Vielzahl dieser Vorteile ist für mich die finanzielle Gesamtsumme akzeptabel und politisch vertretbar, auch wenn sie sich im Verlauf der nächsten 10-15 Jahre hier und dort doch noch nach oben entwickeln wird.

2.) Das Finanzierungskonzept ist für mich ok, da der Beitrag des Landes in Anbetracht der Gesamtsumme für mich akzeptabel ist und nach oben gedeckelt ist und ich sehe, dass es ohne ein Engagement des Landes nicht zu einer zeitnahen Lösung gekommen wäre - und die halte ich für absolut notwendig, da ich die allmähliche Abkopplung vom Fernverkehr mit Sorge beobachte und die Zustände der Verkehrsabwicklung in Stuttgart und in Verbindung auf manchen Regionalverkehren oder auch die Fahrtzeiten nach Ulm oder auch z.B. Tübingen für unzumutbar und nicht zukunftzsfähig halte.

3.) 1991 flossen zuletzt Bundesmittel in einen schnellen Schienenfernverkehr in Ba-Wü: die Neubaustrecke Mannheim-Stuttgart. Seitdem nicht mehr, trotzdem blieben zusätzlich viele wichtige Projekte liegen: Elektrifizierung der Bodenseebahn, Gäubahn, Südbaden,... Die Behauptung, wenn nicht S21, dann alle anderen Projekte überhaupt oder schneller, empfinde ich von daher nicht als logisch. Das Land ist 20 Jahre unterversorgt geblieben wegen ihrer schwachen Landesregierung bei der Vertretung ihrer Interessen auf Bundesebene, das muss geändert werden. Wir brauchen auch mehr Landesmittel für solche Projekte. Ich sehe anders herum plötzlich eine zunehmend aktivere Landesregierung in Hinblick auf Baden, Gäubahn, Bodensee..., genau, um sich nicht länger den Vorwurf einer Vernachlässigung einzuhandeln. Das muss mit voller Kraft nach der LTW 2011 so weiter gehen und auch mit mehr Mitteln. Denn S21 hat keinen Sinn, wenn die Anschlüsse nicht genau so ertüchtigt werden. Ist für mich aber kein Widerspruch, sondern wir müssen in Ba-Wü eine Nah- und Fernverkehrshype auslösen mit S21 als Flaggschiff. Ich hoffe, dass die LTW Mehrheiten bringen, die das endlich auch in einer Landesregierung unterstützen!!

4.) Gerade als Mannheimer muss ich alles unterstützen, was durch S21 erreicht wird. Was nutzt die Strecke nach Stuttgart in 35 Minuten, wenn es anschließend nach Ulm nicht weiter geht oder ich nach Tübingen noch weitere 50 Minuten brauche - nach kompliziertem Umsteigen wohlgemerkt. Wir haben in Mannheim schon vor über 125 Jahren auf Durchgangsbahnhof umgestellt - das war gut so, nur so ist der Bypass zu verhindern. Wir haben Mannheim 21 als Entwicklungskonzept für die Innenstadt, warum soll nicht auch Stuttgart so etwas bekommen können? Wir haben beim Durchgangsverkehr zum Hauptbahnhof Mannheim Teile von Waldhof, Neckarstadt und anderem fast unbewohnbar gemacht, dies ließe sich heute aber nicht mehr durchsetzen - insofern wird S21 zwangsläufig unterirdischer und teurer - wer wollte das aber den Menschen dort vorenthalten und stattdessen neue ICE-Trassen in Stuttgart und im Neckartal durch die Orte und Täler schlagen? Auch um Mannheim herum gab es seinerzeit viele Bürgerinitiativen gegen die Schnellbahntrasse nach Stuttgart. Diese setzten zum Beispiel den Tunnel durch den Wald bei Pfingstberg durch. Genau so sollte es bei S21 auch funktionieren - kritische Begleitung des Projektes zum Schutz der Menschen. Nur dadurch wird es andererseits immer teurer, aber das ist dann eben so. Ich bin auch sicher, dass alle anderen bisherigen Varianten von S21 an ebenso aktiven und engagierteren Bürgern scheitern würden, die dann ihre persönliche Belastung in Stuttgart oder im Neckartal berechtiger Weise ins Feld führen könnten. Und noch eines zum Thema Tunnel: Wenn ich über das Pfinztal nach Stuttgart fahre (Pforzheim) oder über die Neubaustrecke ab Bruchsal mit vielen Tunneln bis Stuttgart oder auch direkt von Mannheim nach Stuttgart, dann bleibt der Zug oftmals stehen, doch eigentlich nie an oder in den Tunnels, am häufigsten vor der Einfahrt in den Stuttgarter HBF. In Mannheim als Durchgangsbahnhof mit etwa der Hälfte der Gleise wie in Stuttgart passiert das übrigens fast nie. Warum glaubt also jeder, Tunnel würden zu Engpässen - meine Erfahrungen sind völlig andere. Auch Verzögerungen durch Fahrzeuge, Selbstmörder, technisches Versagen durch Eis und Schnee - eigentlich nie auf tunnelreichen Abschnitten. Und in Stuttgart gibt es U-Bahnen, unterirdische S-Bahnen und viele Auto- und Fernverkehrsbahntunnel bislang schon - jetzt sollen plötzlich die Tunnel wegen S21 geologisch nicht machbar sein und die Thermalquellen und das Grundwasser verunreinigen. Das ist doch Hysterie.

Kurzum:

Ich stehe zu S21, hoffe auf neue Mehrheiten bei der nächsten LTW, um endlich auch die anderen Projekte im Nah-, Regional- und Fernverkehr zu realisieren, die in Ba-Wü seit Jahrzehnten teilweise auf der Planungshalde liegen, sehe gerade als Mannheimer viele Gründe, für S21 zu sein, sehe hier weder den Grund für außerparlamentarischen Widerstand noch einen, bestimmte Parteien bestrafen zu wollen und verstehe - das sei mir abschließend erlaubt, zu sagen - die GRÜNEN bis heute nicht in ihrem eifernden und fast religiösen Anti-S21-Getue.
Gleichzeitig respektiere ich jede Position, die da sagt, für ein solches Projekt nicht so viel Geld ausgeben zu wollen, sondern dies bundes- oder landespolitisch lieber in andere Projekte zu stecken. Ich glaube aber einerseits, dass diese Gelder in den allermeisten Fällen nicht in die Projekte fließen würden, die sich die einzelnen S21-Gegener so wünschen würden und ich glaube andererseits, dass es dann keine solche Ertüchtigung des Bahnhofknotens Stuttgart geben wird, wie wir sie langfristig brauchen, verbunden mit erheblich geringeren Entwicklungschancen für das Zentrum von Stutgart, wie wir sie auch im Landesinteresse eben auch brauchen.

Herzliche Grüße zunächst einmal

Ihr
Frank Mentrup MdL