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Florian Toncar
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Frage von Rainer und Hermina Kahlfuß D. •

Frage an Florian Toncar von Rainer und Hermina Kahlfuß D. bezüglich Recht

Sehr geehrter herr Toncar,

Abgeornetenbestechung ist in Deutschland dank des Bundestages straffrei-ähnlich wie in manchen diktatorisch geführten Ländern.Deutschland hat im Gegensatz zu sehr vielen anderen Staaten seit 9 Jahren die UN-Konvention gegen Korruption nicht umgesetzt. Im Oktober soll es zu einer erneuten Abstimmung im Bundestag kommen. Wie werden Sie abstimmen ? Dafür oder dagegen ?

Mit freundlichen Grüßen !

Dres.Kahlfuß 14.8.2012

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Dr. Kalhfuß,
sehr geehrter Herr Dr. Kahlfuß,

vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich gerne etwas ausführlicher eingehe.

Es ist nicht zutreffend, dass Abgeordnetenbestechung in Deutschland straflos ist. Vielmehr ist sie in § 108e StGB selbstverständlich ausdrücklich unter Strafe gestellt. Nicht nur aus diesem Grunde halte ich den Vergleich Deutschlands mit Diktaturen für äußerst unpassend. Wenn Sie wirklich einmal mit dem politischen System eines Entwicklungslandes zu tun hatten, wo Bestechung von staatlichen Funktionsträgern an der Tagesordnung ist, teilweise sogar als nahezu legitim toleriert wird, dann würden Sie diesen Vergleich sicherlich nicht ziehen. Ich kann momentan auch nicht erkennen, dass die Bestechung von Abgeordneten in Deutschland in spürbarem Umfang vorkommen, beziehungsweise dass § 108e StGB zu ihrer Verfolgung nicht ausreichen würde. In allen Ländervergleichen und Korruptionsindizes schneidet Deutschland ausgesprochen gut ab.

Bei einer strafrechtlichen Regelung der Abgeordnetenbestechung kann allerdings nicht einfach auf die Regelungen für Amtsträger, §§ 331ff. StGB, zurückgegriffen werden. Amtsträger sind als weisungsunterworfene Angehörige des öffentlichen Dienstes zu strikter Neutralität und Objektivität verpflichtet. Das Vertrauen des Bürgers in diese Neutralität und Objektivität ist strafrechtlich besonders schützenswert. Demgegenüber hat der Abgeordnete nach Artikel 38 Absatz 2 unseres Grundgesetzes und entsprechender Vorschriften der Landesverfassungen ein freies Mandat. Er ist keinen Weisungen unterworfen und kann seine Aufgaben im Extremfall auch völlig einseitig und parteiisch wahrnehmen. Das geschieht auch regelmäßig, beispielsweise beim Einsatz von Abgeordneten für ihre Wahlkreise oder dort wohnende Bürger, Vereinigungen oder Unternehmen. Der Status eines Abgeordneten ist gegenüber dem eines Amtsträgers grundverschieden. Daraus folgt, dass es unterschiedlicher rechtlicher Regeln für beide Gruppen bedarf.

Bei einer Diskussion um die sinnvolle strafrechtliche Erfassung von Abgeordnetenbestechung ist zudem zu berücksichtigen, dass der Abgeordnete vor mutwilligen, politisch motivierten Verdächtigungen geschützt werden muss. Ich halte diesen Gesichtspunkt für enorm wichtig. Jeder Abgeordnete hat politische Wettbewerber, und die Erfahrung lehrt, dass Rufmord in der politischen Auseinandersetzung leider keine Seltenheit ist. Für einen Abgeordneten kann auch eine letzten Endes unberechtigte Verdächtigung, eine Straftat begangen zu haben, das Ende seines Mandats bedeuten. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich Ermittlungen lange hinziehen und die Person des Verdächtigen damit zur Belastung für seine Partei zu werden droht oder Wähler sich nicht mehr sicher sind, wie integer ein Abgeordneter tatsächlich ist. Darin liegt leider in der Realität ein nicht zu unterschätzender Unterschied zwischen Abgeordneten und Amtsträgern in der öffentlichen Verwaltung.

Daraus folgt nicht, dass strafwürdiges Verhalten von Abgeordneten straflos bleiben dürfte. Wegen der aus dem politisch motivierten Missbrauch eines strafrechtlichen Vorwurfs resultierenden Gefahren muss der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung aber äußerst präzise umrissen sein und Grauzonen vermeiden. Diesen Anforderungen genügt § 108e StGB, wohingegen die Paragraphen 331ff. StGB schon mit Blick auf Angehörige des öffentlichen Dienstes voller Grauzonen und ungeklärter Fragen sind. Genau darin liegt auch das Problem bei den durch die UN-Konvention vorgeschlagenen Änderungen im Strafrecht. Die Konsequenzen lassen sich nicht solide abschätzen.

Im übrigen ist Deutschland nicht verpflichtet, die Konvention zu ratifizieren, sondern frei darin, über seinen eigenen Weg zur Bekämpfung von Korruption nachzudenken. Ich dafür offen, über fundierte Vorschläge einer Regelung dieser Materie zu diskutieren und auch über gesetzliche Konsequenzen nachzudenken. Das setzt aber voraus, dass aufgrund von Erfahrungen mit der Wirklichkeit in Deutschland Handlungsbedarf nachgewiesen wird, und dass sich eine Antwort finden lässt, die dem freien Mandat des Abgeordneten gerecht wird, rechtliche Grauzonen vermeidet und Schutz vor rein politisch motivierten Strafanzeigen bietet. Diesbezüglich bin ich ziemlich skeptisch.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Florian Toncar

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