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Florian Ritter
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Frage von Kurt F. •

Frage an Florian Ritter von Kurt F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ritter,

da wir seit 1945 keinen Friedensvertrag haben sind wir eigentlich noch kein völkerrechtsgültiger Staat und unser Grundgesetz keine Verfassung und daher haben die Bürger anscheinend nicht viel Rechte gegenüber dem "Staat".

Daher gelten wahrscheinlich noch immer andere Gesetze, z.B. die SHAEF-Gesetze und andere aus einem 4-Mächteabkommen oder sogar noch das Kriegsrecht.

Ich - und sicherlich auch viele Bürger - wollen, dass sich die Politiker einmal um einen Friedensvertrag kümmern. Auch Reparationszahlungen wolle wir nicht bis in alle Ewigkeit zahlen müssen.

Wieviel haben wir Deutsche denn bisher schon beglichen und wann ist ein Ende erreicht ?
Daher werden wahrscheinlich auch viele denkende Bürger diese "Republik" verlassen und Deutschland kann dann ja mit sog. Europäern schauen wo es bleibt.

Ich bitte Sie die Frage eines Friedensvertrages in allen Parlamenten und Parteien einmal zur Debatte zu bringen.

MfG
Kurt Fischer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Fischer,

vielen Dank für ihre Anfrage. Leider muss ich Ihnen gleich zu Beginn mitteilen, dass sie sich auf völlige falsche Annahmen stützen.

Deutschland ist ein vollumfänglich souveräner Staat nach dem Völkerrecht. Ich möchte dies etwas näher zu erläutern.

Das Deutschland keinen Friedensvertrag nach dem zweiten Weltkrieg abgeschlossen hat ist eine reine Formulierungsfrage. Man könnte auch Wortklauberei dazu sagen. Zunächst einmal bleibt festzustellen, dass ein Friedensvertrag nicht die einzige völkerrechtliche Möglichkeit der Beendigung eines Krieges darstellt. Diese kann auch durch einseitige Erklärungen, gestufte Teilregelungen oder schlicht durch faktische Wiederaufnahme der friedlichen Beziehungen erfolgen. Allein dies fand in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in der BRD und der DDR durch die Siegermächte schon statt. Den endgültigen Schlussstrich unter die Nachkriegsordnung setzte der Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990.

Im Zwei-plus-Vier-Vertrag wurde u.a. die Viermächte-Verantwortung in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes beendet und das vereinte Deutschland erhält die Teile der staatlichen Souveränität zurück, die nicht bereits an die Europäische Gemeinschaft abgegeben worden waren. (siehe Artikel 7) Der Zwei-plus-Vier-Vertrag wurde ausdrücklich anstatt eines Friedensvertrages geschlossen. Zum einen war der Begriff Friedensvertrag in Deutschland durch den Versailler Friedensvertrag negativ belastet, zum anderen empfand man es als anachronistisch so viele Jahre nach der faktischen Beendung des Krieges einen solchen Vertrag noch Friedensvertrag zu titulieren. Die Formulierung anstatt eines Friedensvertrages sollte jedoch dazu dienen, andere Kriegsparteien davon abzuhalten noch irgendwelche Reparationsansprüche an das vereinte Deutschland zu stellen.

Sofern nicht schon vorher durch andere Regelungen und Verträge aufgehoben, sind endgültig durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag sämtliche Gesetze aus dem Viermächteabkommen, SHAEF-Gesetze und das Kriegsrecht aufgehoben.

Durch den Zwei-Plus-Vier-Vertrag werden auch keine weiteren Reparationszahlungen beschlossen und auch die Reparationsfrage endgültig als erledigt geklärt. Es können also auf Deutschland keine weiteren Repartionszahlungen zu kommen. Wieviel die BRD und die DDR an Reparationen gezahlt haben ist kaum zu ermitteln und auch sehr umstritten. Allein bei der Höhe des beschlagnahmten Auslandsvermögen gibt es in der Literatur Abweichungen bis zum 16fachen des kleinsten angesetzten Wertes. Eine Umrechnung in Euro ist vor allem bei Sachwerten schwierig und auch nicht zielführend.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Deutschland hat einen Friedensvertrag, er heißt bloß Zwei-Plus-Vier-Vertrag. Das vereinte Deutschland hat nie Reparationen bezahlt und wird dies auch nicht müssen. Es gibt also keinen Grund die Frage eines Friedensvertrages in die Parlamente und Parteien zur Debatte zu bringen.

Mit freundlichen Grüßen
Florian Ritter, MdL