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Fabienne Sandkühler
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Frage von Patrick H. •

Frage an Fabienne Sandkühler von Patrick H. bezüglich Umwelt

Wie stehen Sie zum Thema Atomkraft? Reicht die derzeitige staatliche Kontrolle ihrer Meinung nach aus um eine sichere Durchführung zu gewährleisten? Was sind Ihre Gedanken zu Endlagerung?

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Antwort von
Partei der Humanisten

Danke für die Frage! Die Partei der Humanisten legt sehr viel Wert darauf, wissenschaftlich und ergebnisoffen nach der besten Lösung zu suchen, egal wie unsexy Leute sie finden.

Im Frühjahr 2010 ließ die deutsche Regierung – im Rahmen der Novellierung des Atomgesetzes in 2010 – eine Laufzeitverlängerung um mehrere Jahrzehnte prüfen. Die Prüfung ergab, dass alle Kernkraftwerke, die heute im Betrieb sind, sicher sind und bis zwischen 2030 und 2036 betrieben werden könnten. Nach dem Reaktorunglück am 11. März 2011 im japanischen Fukushima wurden alle bestehenden Kernkraftwerke erneut erfolgreichen Stresstests unterzogen (BMU, 2012). Bei hunderten Atomkraftwerken in der EU, teilweise seit den 60er Jahren, gab es keinen einzigen Unfall und keine Strahlungstoten. Meines Wissens nach reicht die derzeitige staatliche Kontrolle völlig aus, um eine sichere Durchführung zu gewährleisten.

Zum Thema Endlagerung, aus dem Positionspapier zur Kernkraft: https://diehumanisten.de/vision/themen/kernenergie/

“Bislang müssen in Kernkraftwerken die eingesetzten Brennstäbe nach einigen Jahren ausgetauscht werden, da sie ihre Struktur verändern und brüchig werden. Dadurch lassen sich nur etwa 3 bis 5% des eigentlichen Brennstoffs nutzen. Der Rest wird zu radioaktivem Abfall. Wir hinterlassen strahlende Rückstände mit Halbwertszeiten, die sehr hoch sind. Doch die Folgen im Worst-Case-Szenario sind deutlich weniger gravierend als bisher angenommen: Die finnische Behörde für Strahlenschutz (STUK) hat während der Vorbereitungen für das Atkalo-Endlager mehrere Sicherheitsszenarien bewertet. Laut der Analyse wird im Worst-Case-Szenario davon ausgegangen, dass wenn Atommüllbehälter schon nach 1000 Jahren zu lecken beginnen, eine Stadt auf einem Endlager aufgebaut ist und Menschen nur Essen zu sich nehmen, das lokal produziert wird, sie nur Wasser aus lokalen Quellen trinken und sie ihre ganze Zeit (24/7/365) in den am stärksten kontaminierten Gebieten verbringen, eine Person, die im Jahr 12000 lebt, möglicherweise einer Dosis von 0,00018 msV/Jahr ausgesetzt ist. Dies ist vergleichbar mit dem Verzehr von zwei Bananen (Thoughtscapism, 2017).

Langlebiger radioaktiver Abfall kann über Transmutation in kurzlebigen Abfall transformiert oder sogar als Brennstoff in neuen Kernkraftwerken eingesetzt werden. Wir fordern eine intensive Forschung  in diesem Bereich. Ein Forschungsprojekt namens Myrrha läuft bereits und soll im Jahr 2033 in Betrieb gehen; das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) war beteiligt (Kulke, 2010; Myrrha, 2018).”

Da ich noch keinen überzeugenden Plan gesehen habe, um 100% erneuerbare Energien umzusetzen, setze ich auf Kernkraft als Teil der Lösung, um den Klimawandel einzudämmen. Es gibt Wissenschaftler, die behaupten, 100% Erneuerbare wären jetzt schon machbar, aber die wissenschaftliche Community insgesamt ist da anderer Meinung (siehe, zB, IPCC). Ich bin vorsichtig optimistisch, was die Weiterentwicklung von erneuerbaren Energien angeht, aber wir müssen auch mit den aktuell technologisch verfügbaren Energiegewinnungsformen jetzt eine Lösung parat haben. Zur Zeit haben alle Länder mit niedrigen CO2-Emissionen im Strommix entweder große Vorkommen an Wasserkraft und Geothermie oder aber Atomkraft (Beispiele: Frankreich, Schweden, Schweiz, die kanadischen Provinzen Québec und Ontario).

Ich bevorzuge Kernkraft gegenüber fossilen Energien aus folgenden Gründen: 1) Der Klimawandel muss unbedingt jetzt eingedämmt werden. 2) Das ist wichtiger als der Nachteil, der durch radioaktiven Müll entsteht. Der Nachteil besteht hauptsächlich darin, dass Menschen den Müll 9000 Jahre lagern müssen (evtl. 300 Jahre, aber bleiben wir in dieser Antwort bei heute marktreifen Technologien); die Sorge um räumlich konzentrierten festem Müll steht in keinem Verhältnis zum unkontrollierten Klimawandel oder auch zu den Flächen- und Materialkonsequenzen, die ein massiver Ausbau erneuerbarer Energien mit sich bringen wird.

3) die sehr hohe Anzahl an Todesfällen durch Luftverschmutzung vor allem durch Kohle 4) die niedrige Wahrscheinlichkeit und Tödlichkeit von Reaktorunfällen 5) Ablehnung des sogenannten linear-no-threshold (LNT) Modells, weil die Studienlage dagegen spricht. Das LNT Modell besagt, dass jede Erhöhung der radioaktiven Strahlung gesundheitlich schädlich ist, wodurch Reaktorunfälle zu vielen Todesfällen führen. Die Studienlage deutet allerdings darauf hin, dass radioaktive Strahlung erst gesundheitlich schädlich ist, wenn sie eine bestimmte Schwelle überschreitet. Eine erhöhte radioaktive Strahlung findet sich übrigens z.B. auch in vielen Regionen der Welt, in einigen Kellern und in Bananen. Selbst wenn das LNT Modell zutreffend wäre, hätten Reaktorunfälle pro produzierte Energieeinheit vergleichsweise wenige Menschen getötet oder geschädigt. Die Todesrate durch Kernkraft ist um Größenordnungen niedriger als Kohle und in der gleichen Größenordnung wie erneuerbare Energien (Stürze von Dächern bei der Montage von Solaranlagen, Dammbrüche). Erläuterungen und eine große Anzahl an wissenschaftlichen Quellen finden interessierte Mitlesende in unserem Positionspapier zur Kernkraft: https://diehumanisten.de/vision/themen/kernenergie/

Zusammengefasst: Kernkraft hat Nachteile und Gefahren und es ist wichtig, diese zu reduzieren. Aber wenn man die Zahlen wissenschaftlich betrachtet ist klar, dass die Nachteile sehr viel kleiner sind, als die deutsche Bevölkerung oft annimmt. Genauso wie wir unwissenschaftliche Klimawandel-Leugnung ablehnen, muss man auch die unwissenschaftliche Verteufelung der Kernkraft ablehnen. Wir schließen uns den Empfehlungen des Weltklimarats (IPCC) an, in denen Kernkraft Teil der Lösung ist.

Freundliche Grüße

Fabienne Sandkühler