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Elisabeth Scharfenberg
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Frage von Bärbel W. •

Frage an Elisabeth Scharfenberg von Bärbel W. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Schrfenberg,
ist es nicht so, daß wir so wie bisher nicht mehr weitermachen können?
Deshalb ein einfacher Vorschlag.
Sie haben sicher das Personal um die Idee durchrechnen zu lassen.
Das übersteigt meine Möglichkeiten.

Warum soll ich eigentlich da zahlen, wo andere achtlos mit ihrer Gesundheit umgehen? Wie kann ich mich versichern (ohne Geld wie Heu zu haben), damit ich spezielle Behandlungen bekomme? Wie können die Lohn-Nebenkosten gesenkt werden?

Einsicht: So, wie unser Gesundheitsversicherungswesen momentan läuft, geht es nicht mehr lange gut.

1. Bis auf eine Grundabsicherung sollte jeder das versichern, was er auch versichern will. Alles andere muß dann selbst bezahlt werden.
2. In allen käuflichen Artikeln ist ein Prozentanteil für die Krankenkassen (Gesundheitsfont) Zigaretten, Alkohol z.B. hätten einen hohen Prozentsatz, Raffinade Zucker, fettiges einen mittelhohen Prozentsatz und Grundlebensmittel wie Brot, Mehl, Eier etc. gar keinen.
So würde gleich da bezahlt, "wo es passiert." (Auch bei Sportartikeln und Luxusgütern könnte man diese Abstufung machen)
3. Die Krankenkassenbeiträge werden nicht vom Lohn abgezogen, sondern direkt mit dem Betrieb verhandelt. Dabei wird geprüft:
wie Gesundheitsfreundlich sind
-die Arbeitszeiten und -pausen
-die Arbeitstätigkeit
-die Räumlichkeiten und Pausenräume
was wird für die Umwelt getan, für die Familie, für das Arbeitsklima.
So kann jeder Betrieb seine Lohnnebenkosten selbst senken und es lohnt sich für Umwelt, Familie und Mensch zu investieren.

Vielen Dank für ihr Engagement
Mit freundlichen Grüßen

Bärbel Weidmann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Weidmann,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihre Ideen für eine Neugestaltung des deutschen Gesundheitssystems.

Sie schlagen vor, dass bis auf eine Grundabsicherung, es dem Einzelnen überlassen bleiben solle, wofür er sich (nicht) versichert. Schon heute ist es so, dass nicht alle Leistungen durch das solidarische Gesundheitssystem finanziert werden. Alle Therapien, Behandlungen und Medikamente, die nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten sind, muss der Einzelne aus eigener Tasche bezahlen. Die entscheidende Frage ist die nach dem angemessenen Umfang dieses Leistungskatalogs. Was aber ist dieser angemessene Umfang, was genau ist ein achtloser Umgang mit der eigenen Gesundheit? Ich halte dies für eine sehr schwierige und nicht wirklich zielführende Debatte.

Nach meiner Überzeugung muss jede/r in den Genuss einer ausreichenden Absicherung seiner Gesundheitsrisiken kommen. Um wirklich sinnvoll seinen „persönlichen“ Leistungskatalog auszuwählen, bedürfte es zudem eines hohen Maßes an Reflektion und Kenntnissen. Bedenkt man zugleich die – wissenschaftlich erwiesene – Tatsache, dass Menschen mit geringem sozialen Status (gemessen an Einkommen, Bildung etc.) ein signifikant erhöhtes Risiko tragen, zu erkranken, als wohlhabende Menschen, so drückt dies m.E. die Gefahr einer eher tendenziösen Debatte aus. Grob gesagt: Ich will nicht, dass sich nur Reiche ein neues Hüftgelenk leisten können und Arme humpeln müssen. Sie schlagen vor, dass auf alle Waren eine Gesundheitssteuer auferlegt wird, sofern von dem Konsum dieser Waren ein negativer Effekt auf die Gesundheit ausgeht. Ich glaube, dass diese Idee zu kurz greift. Erstens müsste man die Folgekosten des Konsums von bestimmten Waren genau berechnen können, was zumeist nicht möglich ist. So ist Zucker ja nicht per se gesundheitsschädlich, sondern dann wenn er übermäßig konsumiert wird. Zweitens ist Fehlernährung nur /ein/ Faktor, der für Gesundheitsrisiken maßgeblich ist, es spielen darüber hinaus auch genetische, Umwelt- und Sozialfaktoren eine wesentlich wichtigere Rolle. Darüber hinaus würde eine konsequente Umsetzung Ihrer Idee einen riesigen bürokratischen Aufwand nach sich ziehen (komplexes Steuersystem, Abschätzung der Folgekosten einzelner Waren etc.). Wo von bestimmten Waren negative Konsequenzen ausgehen, z. B. von Tabak, wird schon heute eine kräftige Steuer auferlegt. Die Tabaksteuererhöhung unter der Rot-Grünen Bundesregierung war z. B. zur Mitfinanzierung des Gesundheitssystems (versicherungsfremde Leistungen) vorgesehen. Die große Koalition hat diese Mittel aber inzwischen aus dem Gesundheitssystem herausgelöst und in die Haushaltssanierung gesteckt. Dies haben wir im Übrigen stark kritisiert.

Sie schlagen des Weiteren vor, die Arbeitsbedingungen bei der Höhe der Lohnnebenkosten zu berücksichtigen. Diese Idee finde ich prinzipiell durchaus charmant. Tatsächlich sehe auch ich persönlich die Arbeitgeber in der Pflicht, aktiv an der Gestaltung eines gesunden Arbeitsumfeldes mitzuwirken. Nicht zuletzt deswegen haben wir unter Rot-Grün z.B. der Betrieblichen Gesundheitsförderung größere Bedeutung verliehen. Zum anderen ist die traditionelle paritätische Finanzierung der Sozialversicherungen immer auch als ein solcher Anreiz gedacht gewesen, den Arbeitgebern ein deutliches Eigeninteresse an gesunden Verhältnissen für ihre Arbeitnehmer/innen zu vermitteln. Wir sind uns sicherlich einig, dass dies nicht in allen Fällen ausreichend ist. Dennoch sehe ich Ihre Idee skeptisch. Zum einen stellt sich auch hier die Frage, wie es praktisch umgesetzt werden soll, ohne einen ungeheuren bürokratischen, zudem korruptionsfesten Aufwand auszulösen. Es bräuchte dazu völlig widerspruchsfreie, objektive Kriterien. Dies scheint mir schwierig. Zum anderen stellen sie damit m.E. das Solidarprinzip an sich, beruhend auf dem Umlageverfahren, in Frage. Denn dort, wo das eine Unternehmen für sich sehr günstige Bedingungen aushandeln kann, müssen auf der anderen Seite die fehlenden Mittel wieder irgendwo herkommen – zwangsläufig zu Lasten anderer. Das halte ich nicht für solidarisch und auch nicht für sozial gerecht. Unter Umständen halten Sie ja das umlagefinanzierte Solidarprinzip wirklich für untauglich. Diese Ansicht kann man natürlich zweifellos vertreten, nichtsdestotrotz teile ich sie nicht.

Sie sehen, ich halte Ihre Ideen durchaus für interessant, aber eher für problematisch. In dem angestrebten Ziel das Gesundheitssystem bezahlbar zu machen und Gesundheitsrisiken zu reduzieren, bin ich voll bei Ihnen. Statt der von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen plädiere ich allerdings für die Förderung gesundheitsbewusster Ernährung, Verhalten und Verhältnissen und für mehr präventive Anstrengungen im Gesundheitswesen.

Weitere Informationen zu grüner Gesundheitspolitik finden Sie unter folgendem Link:
http://www.gruene-bundestag.de/cms/soziales_gesundheit/rubrik/0/89.htm

Mit freundlichen Grüßen

Elisabeth Scharfenberg