Portrait von Eike Hovermann
Eike Hovermann
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Eike Hovermann zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Jörn S. •

Frage an Eike Hovermann von Jörn S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Hovermann,

wie man den Nachrichten entnehmen kann gibt es 2 Gesetzentwürfe zum Thema Patientenverfügung.

Nun habe ich 2 Fragen an sie:
1. Welchen der beiden Entwürfe favorisieren sie?

und
2. Warum kann man bei diesem Thema, was ja jeden einzelnen Bürger persönlich angeht wie kein anderes, nämlich das sterben, nicht einen Volksentscheid machen an den die Bundestagsabgeordneten gebunden sind?

Mit freundlichen Grüßen
Jörn Schön

Portrait von Eike Hovermann
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schön,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Patientenverfügung über das Internetportal Abgeordnetwatch.

Zu Ihrer ersten Frage:

In der Presse werden insbesondere die Gesetzesentwürfe der Gruppe um den Abgeordneten Stünker sowie der Gruppe um die Abgeordneten Bosbach und Röspel diskutiert. Ich vermute daher, dass Sie sich in Ihrer Frage auf diese beiden Entwürfe beziehen.

Ich persönlich unterstütze einen dritten Gesetzesentwurf der Abgeordneten Zöller und Faust, der von der Presse bislang eher weniger beachtet worden ist. Den ersten Entwurf dieses Antrages können Sie auf der Homepage von Herrn Zöller nachlesen: http://www.wolfgang-zoeller.de/upload/C3511a981X11d951de15bXb67/1226568509450/Gesetzentwurf_zur_Patientenverfuegung_Zoeller_Faust.pdf

Ausschlaggebend für meine Entscheidung, diesen Antrag zu unterstützen, ist der Gedanke, dass Situationen am Lebensende erstens hochkomplex sind, zweitens immer einer individuellen Lösung bedürfen und daher drittens sehr schwer rechtlich zu normieren sind.
Dieser Gedanke ist meines Erachtens im Zöller-Faust-Entwurf am besten umgesetzt. Er sieht vor, dass eine Patientenverfügung immer verbindlich ist, unabhängig davon, ob sie mündlich oder schriftlich verfasst wurde. Eine Beschränkung der Verbindlichkeit der Patientenverfügung auf Krankheiten mit unumkehrbar tödlichem Verlauf, wie es der Bosbach-Röspel-Entwurf vorsieht, gibt es in diesem Entwurf nicht.

Allerdings sieht der Zöller-Faust-Entwurf vor, dass die Patientenverfügung keinen Automatismus erzeugt. Das bedeutet, der in der Patientenverfügung geäußerte Wille muss nicht – wie im Stünker-Entwurf vorgesehen – im buchstäblichen Wortlaut umgesetzt werden. Stattdessen müssen Ärzte und Betreuer bzw. Bevollmächtigter jeweils im Einzelfall gründlich prüfen, ob der in der Patientenverfügung geäußerte Wille mit der aktuellen Situation des Patienten übereinstimmt. Diese Regelung trägt z.B. der Tatsache Rechnung, dass sich durch den medizinischen Fortschritt für eine bestimmte Krankheit neue Behandlungsmöglichkeiten oder bessere Heilungschancen ergeben können, von denen der Patient zum Zeitpunkt, als er seine Patientenverfügung verfasst hat, noch nicht wissen konnte.

Besteht in der Entscheidung, wie der in der Patientenverfügung geäußerte Wille in der akuten individuellen Situation des Patienten interpretiert werden soll, eine Meinungsverschiedenheit zwischen Arzt und Betreuer, weil z.B. der Patientenwille nicht konkret genug formuliert worden ist, entscheidet das Vormundschaftsgericht.

Dieser Gesetzesentwurf orientiert sich stark an der heutigen, bewährten Praxis im Klinikalltag. Er schafft eine unkomplizierte und unbürokratische Regelung, die sich darauf beschränkt, das zwingend Notwendige festzuschreiben.

Zu Ihrer zweiten Frage:

Volksbegehren und Volksentscheide gibt es bislang auf Kommunal- und Länderebene, wo sie eine sinnvolle Ergänzung der parlamentarischen Demokratie darstellen. Die SPD hat sich seit mehreren Jahren aktiv dafür eingesetzt, direkdemokratische Verfahren auch auf Bundesebene einzuführen.

Da mit der Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene eine Änderung des Grundgesetzes verbunden ist, benötigt dieser Schritt eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. Doch bislang sträubt sich die Union gegen Volksentscheide auf Bundesebene. Daher sind bisherige Bemühungen zur Einführung von Volksabstimmungen auf Bundesebene – so z.B. von Rot-Grün im Jahr 1998 und 2002 – immer am Widerstand der Christdemokraten gescheitert.

Im Koalitionsvertrag zur Großen Koalition konnten wir uns mit der Union im Jahr 2005 immerhin darauf einigen, festzuschreiben, dass die Einführung von Elementen direkter Demokratie auf Bundesebene zumindest geprüft werden sollen. Mehr war bislang mit CDU/CSU nicht zu erreichen.

Sehr geehrter Herr Schön,

in Ihrer Frage weisen Sie treffend darauf hin, dass das Thema Patientenverfügung „jeden einzelnen Bürger persönlich angeht wie kein anderes“. Sie wünschen sich daher, über die künftige Gestaltung der Patientenverfügung in einer bundesweiten Volksabstimmung zu entscheiden.

Dieser Volksentscheid ist aus den angeführten Gründen auf Bundesebene bislang nicht möglich. (Ob ein Volksentscheid über das komplexe Thema Patientenverfügung, wenn er denn formal möglich wäre, auch tatsächlich sinnvoll wäre, ist eine andere, schwierige Frage.)

Ich möchte Ihnen aber versichern: Die Abgeordneten des Bundestages sind sich der besonderen ethischen Problematik des Themas bewusst. Dies zeigt sich vor allem daran, dass der Fraktionszwang in dieser Frage aufgehoben worden ist. So handelt es sich bei allen drei Anträgen um überparteiliche Gesetzesentwürfe, die jeweils von Abgeordneten aus verschiedenen Fraktionen unterstützt werden. Für die anstehende Entscheidung über die Anträge wird es keine Abstimmungsempfehlungen der Fraktionen geben. Damit ist jeder Abgeordnete in noch stärkerem Maße als bei üblichen Abstimmungen gezwungen, sein eigenes Gewissen intensiv zu prüfen und seine Entscheidung genauestens abzuwägen.

Mit freundlichen Grüßen

Eike Hovermann, MdB