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Frage von Norbert E. •

Frage an Dagmar Wöhrl von Norbert E. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Frau Frau Wöhrl,

mit Interesse verfolge ich die Debatte um das neue Kulturgutschutzrecht. Die Stellungnahmen der Sachverständigen in der letzten öffentlichen Sitzung zeigen Stärken und Schächen des neuen Entwurfes auf.

Zunehmend stellt sich allerdings für mich als Bürger und "juristischen Laien" die Frage, inwieweit bestehende Urteile z.B. des Bundesgerichtshofes im Entwurf berücksichtigt werden oder sogar kollidieren.

Lassen Sie mich dies exemplarisch an einen Beispiel verdeutlichen.

Der Bundesgerichtshof hat in seinen Urteil vom 05.10.1989, Az.: IX ZR 265/88 klar gestellt (Amtlicher Leitsatz): Bei einer freiwilligen, für jedermann zugänglichen und öffentlich bekanntgemachten Versteigerung durch einen hierzu öffentlich bestellten Auktionator kann der gutgläubige Ersteigerer Eigentum an abhanden gekommenen Sachen erwerben.

Siehe hierzu:
https://www.jurion.de/Urteile/BGH/1989-10-05/IX-ZR-265_88
http://www.saarheim.de/Entscheidungen/BGH%20%20-%20IX%20ZR%20265aus88.htm

Das Gesetz (§ 935 II BGB) läßt einen gutgläubigen Eigentumserwerb auch an gestohlenen, verlorengegangenen und sonst abhanden gekommenen Sachen zu, soweit diese im Wege öffentlicher Versteigerung veräußert werden. Im obengenannten Fall stand auch ein "Inverkehrbringen" nichts im Wege.

Das neue Kulturgutschutzrecht §40 verbietet ein Inverkehrbringens von Kulturgut welches abhandengekommen ist.

Hier ergibt sich offensichtlich eine Diskrepanz.

Daher meine Frage an Sie: Wie lassen sich diese Widersprüchlikeiten lösen und Rechtssicherheit schaffen.

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüssen

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Eichler,

vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch bezüglich einer auf den ersten Anschein bestehenden Widersprüchlichkeit des Gesetzentwurfs zum neuen Kulturgutschutzgesetz. Hierzu darf ich zunächst darauf hinweisen, dass Gesetzentwürfe seitens der Bundesregierung in der so genannten Ressortabstimmung stets auch auf die Vereinbarkeit mit dem sonstigen geltenden Recht geprüft werden und dementsprechend bereits im Vorfeld darauf hingewirkt wird, solche Widersprüche zu vermeiden. Ganz lässt sich das aber angesichts der Komplexität des Rechts nicht verhindern.

Bestehende Durchbrechungen von Rechtsprinzipien werden indessen durch ein neues Gesetz naturgemäß nicht beseitigt. Um eine solche Durchbrechung handelt es sich bei der von Ihnen angesprochenen scheinbaren Widersprüchlichkeit zwischen § 935 Satz 2 BGB und dem beabsichtigten Verbot des Inverkehrbringens nach § 40 des geplanten Kulturgutschutzgesetzes. Denn § 935 Satz 2 BGB ist bereits auch unabhängig vom geplanten Kulturgutschutzgesetz eine Durchbrechung des Prinzips, dass an bestimmten Sachen, etwa gestohlenen, kein Eigentum erworben werden kann. Vereinfacht gesagt: Dem Grundsatz nach soll niemand Eigentum an einer mit einem Makel behafteten Sache erwerben können. Im Interesse des Rechtsfriedens hat der historische Gesetzgeber hier aber einige Durchbrechungen vorgesehen, unter anderem dann, wenn es um einen in öffentlicher Versteigerung erfolgten Eigentumserwerb geht. Hier soll der redliche Erwerber – und nur dieser - geschützt werden. Jemand, der darum weiß, dass eine Sache gestohlen wurde, ist nicht geschützt. Der § 935 Satz 2 BGB richtet sich also als Adressat an den gutgläubigen Erwerber.

Mit anderen Worten: Ist etwa ein Schmuckstück gestohlen worden und ich als Bestohlener entdecke es vor einer Versteigerung bei einem Versteigerer, dann kann ich mein Eigentum zurück fordern. Hat die Versteigerung stattgefunden und ich entdecke es beim Erwerber, kann ich mich nicht mehr darauf berufen, dass die Sache gestohlen und damit nach § 935 Satz 1 BGB abhandengekommen ist. Das mag man als ungerecht empfinden, aber es ist eine bewusste Entscheidung des historischen Gesetzgebers gewesen, als das BGB erlassen wurde. Dem redlichen Erwerber sollte Vorrang vor dem ursprünglichen Eigentümer, dessen Eigentum unrechtmäßig beeinträchtigt wurde, gegeben werden. Dementsprechend reiht sich § 40 des geplanten Kulturgutschutzgesetzes ebenfalls in die bestehende Systematik des Zivilrechts ein. Denn ebenso wie man gestohlene Sachen nicht verkaufen darf, darf man die von § 40 des geplanten Gesetzes erfassten Kulturgüter nicht in Verkehr bringen. Für den Fall der öffentlichen Versteigerung kommt dann dem redlichen Erwerber, falls Kulturgüter doch in Verkehr gebracht werden, auch in diesem Fall Vorrang zu.

Mit freundlichen Grüßen

Dagmar G. Wöhrl