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Claudius Lieven
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Frage von Antonia H. •

Frage an Claudius Lieven von Antonia H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Lieven,

mit Fassungslosigkeit erlebe ich den Vorstoß von CDU und SPD (!) für das sogn. Saufverbot auf dem Kiez. Nach Totalüberwachung á la Schäuble will man nun versuchen unerwünschte Kiezbesucher wegzukontrollieren. Ich finde es unmöglich mit welcher Dreistigkeit CDU und SPD versuchen die "Schmuddelecke" so umzustrukturieren, dass weniger Privilegierte verdrängt werden um den braven, konsumfreudigen Touristen und Bürgern das Geldausgeben zu erleichtern. Dieses Saufverbot ist diskriminierend und ein nicht zu tolerierender Eingriff in die Freiheit der Bürger. Wie immer, wenn es um die Einschränkung von Rechten geht wird mit der Erhöhung der Sicherheit argumentiert - ich bekomme aber langsam Angst vor diesem paranoiden, kontrollwütigen Staat. Wie stehen sie und die GAL dazu?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Liebe Antonia Haas,

Ich bin der Meinung, dass der vom Innensenator vorgestellte Maßnahmekatalog teilweise ein Musterbeispiel für blinden Aktionismus ist. Vor allem die Idee, den Kiez nach 22.00 für Jugendliche unter 18 Jahren abzuriegeln ist absurd. Die Überlegungen den Alkoholverkauf außerhalb von gastronomischen Betrieben nach 22.00 zu verbieten halte ich hingegen für richtig, ebenso wie das Verbot des Flaschenverkaufs, denn tatsächlich scheint die Situation auf dem Kiez in der letzten Zeit eskaliert zu haben und es müssen geeignete Ansatzpunkte gefunden werden, um Gewalttaten zu verhindern. Kleine und mobile Anti-Gewalt-Teams der Polizei, nach Berliner Modell, sind da sicher sinnvoller als ein massives Auftreten der Bereitschaftspolizei. Vor allem aber muss die Gewaltprävention gestärkt werden, dazu sind Sozialarbeiter auf dem Kiez nötig, noch nötiger sind sie aber in den Stadtteilen, wo die aggressiven Jugendlichen und Jungerwachsenen wohnen.

Anbei eine Presseerklärung meiner Kollegin Antje Möller zu dem Thema vom letzten Freitag, der ich mich voll und ganz anschließe.

Mit freundlichen Grüßen
Claudius Lieven

Presseerklärung der GAL-Bürgerschaftsfraktion
29. November 2007

St. Pauli:
Den Kiez abriegeln ist der falsche Weg

Mit seiner Verbotsoffensive gegen Jugendliche auf der Reeperbahn hat der Senat den Bogen weit überspannt. "Mit der Entscheidung, den Kiez am Wochenende ab 22 Uhr für Jugendliche unter 18 abzuriegeln, betreibt der Senat schlichte Verdrängungspolitik auf Kosten der Jugendlichen, ohne ihnen eine Alternative zu bieten", kritisiert Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der GAL-Fraktion. Statt Jugendliche, die ja auch auf der Reeperbahn in ihrer großen Mehrheit friedlich feiern, insgesamt auszugrenzen, müsse das Jugendschutzgesetz konsequent durchgesetzt werden.

Die starke Polizeipräsenz auf dem Kiez muss durch speziell geschulte und deutlich erkennbare Anti-Konflikt-Teams nach Berliner Vorbild ergänzt werden, die deeskalierend wirken, weil sie Regeln und polizeiliche Maßnahmen erklären und sich anbahnende Konflikte schon im Vorfeld entschärfen.

Statt den Bezirklichen Ordnungsdienst massiv auszubauen, muss endlich wieder Straßensozialarbeit auf St. Pauli stattfinden. Der Kiez ist eben ein Anlaufpunkt für viele obdachlose und aus allen sozialen Bezügen herausgefallene Jugendliche. Diese Jugendlichen brauchen ein Angebot an niedrigschwelliger Sozialarbeit und einen vernünftigen Schlafplatz, damit sie nicht noch weiter abrutschen. "Sie brauchen Menschen, die sich kümmern statt ihnen Bußgelder zu erteilen", so Möller.

"Wir sind wir nicht gegen sinnvolle Verbote, die die Sicherheit auf St. Pauli und in der Stadt erhöhen", stellt Möller klar. "Das Messer- und Waffenverbot ist beispielsweise lange überfällig und sollte für die ganze Stadt gelten. Wir brauchen auch hier eine Selbstverpflichtung des Handels, dieses Verbot zu unterstützen." Ebenso hält die GAL die Ansätze zur Einschränkung des Alkoholkonsums für sinnvoll und setzt darauf, dass die Geschäftsleute auf dem Kiez mitziehen. "Bevor über allgemeine Alkoholverbote nachgedacht wird, müssen die Erfahrungen sorgfältig ausgewertet werden. Wir wollen hier keinen Automatismus", sagt Möller.

Claudius Lieven MdHB