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Christoph Schnurr
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Frage von Andreas G. •

Frage an Christoph Schnurr von Andreas G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schnurr,
in letzter Zeit wird immer häufiger über Fälle berichtet, in denen offenbar Mitarbeitern kirchlicher Einrichtungen elementare Rechte vorenthalten werden beziehungsweise der Versuch der Inanspruchnahme dieser Rechte als Grund für eine Kündigung genannt wird. So sind Streikrecht, Betriebsräte und ein selbstbestimmtes Privatleben für solche Mitarbeiter unerreichbar, hier einige Beispiele:
- Entlassung wegen außerehelichen Beziehung:
http://www.kath.net/detail.php?id=37149
- Entlassung wegen sexueller Orientierung:
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/kirche-keine-kuendigung-in-elternzeit-fuer-lesbische-erzieherin-a-839767.html
- Entlassung nach Trennung von Ehemann:
http://www.general-anzeiger-bonn.de/lokales/region/Nach-Entlassung-der-Kiga-Leiterin-Stadt-Koenigswinter-kuendigt-der-Kirche-article720366.html
- Rechtliche Schlechterstellung von Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen:
http://berlin-brandenburg.dgb.de/themen/++co++171ee40e-7905-11e1-7846-00188b4dc422

Mich würde Ihre (als Abgeordneter meines Wahlkreises) Position zu folgenden Punkten interessieren:

• Religions­ und Weltanschauungsfreiheit vs kirchlicher Sonderrechte in Sozialeinrichtungen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden (das sind kirchliche Einrichtungen zu 90 bis 100%)

• Gültigkeit des Betriebsverfassungsgesetzes vs „besondere Tendenzschutz“ für Religionsgemeinschaften (BetrVG § 118, Abs. 2) in kirchlichen Sozialeinrichtungen

• Eingriff von Religionsgesellschaften als Arbeitgeber im sozialen oder medizinischen Bereich in die private Lebensführung ihrer Angestellten

• Schaffung eines flächendeckenden weltanschaulich neutralen Angebotes sozialer Dienstleistungen, da es in Deutschland mehr konfessionsfreie Menschen als Katholiken oder Protestanten gibt.

Vielen Dank für Ihre Antwort,

Andreas Grimsehl

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Grimsehl,

dass eine körperschaftlich verfasste Religionsgemeinschaft ein besonderes kollektives kirchliches Arbeitsrecht für ihre Arbeitnehmer erlassen kann, ist Ausfluss des sog. kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 140 GG/137 Abs. 3 WRV. Somit ist die Existenz eines kircheneigenen Arbeitsrechts eine Ausprägung der Religionsfreiheit. Allerdings sind Reformen in diesem Bereich notwendig. Eine Stärkung der Mitarbeitervertretungen ist hier nur ein Beispiel. Insgesamt geht es im Rahmen der sog. Dienstgemeinschaft um die Möglichkeiten einer angemessenen Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten. Nur wenn dies gewährleistet wird, ist ein Streikverbot auf die Dauer gerechtfertigt. Trotz Zwängen der Ökonomisierung im sozial-karitativen Bereich, sollten die Kirchen ihren moralischen Ansprüchen gerecht werden.

Der Staat sollte nicht vorgeben, wen die Religionsgemeinschaften beschäftigen. Zu Recht bestehen bereits in den beiden großen Kirchen Regelungen, welche für bestimmte Kategorien von Beschäftigten die Einstellung eines größeren Personenkreises ermöglichen, etwa Mitglieder jeder christlichen Konfession. Die Sonderregelungen bezüglich der Kirchen kollidieren nicht mit dem Antidiskriminierungsrecht: der Ausnahmetatbestand für Religionsgemeinschaften im Allg. Gleichbehandlungsgesetz wird von der Europäischen Kommission nicht beanstandet. Die Liberalen werden jedoch weiterhin aufmerksam die neue Dynamik auf diesem Gebiet verfolgen.

Mit besten Grüßen
Christoph Schnurr