Christoph Mohs
BüSo
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Frage von Felix S. •

Wie stehen Sie zu Stuttgart 21? Reichen 8 Gleise im Tunnelbahnhof für den Deutschlandtakt im intergralen Taktfahrplan? Soll der Kopfbahnhof erhalten bleiben, für mehr Züge nach Stuttgart?

Als Bahnkunde sehe ich mit Sorge auf die Entwicklung in Stuttgart. Zürich baute den Tunnel zusätzlich zum Kopfbahnhof, um das wachsende Zugaufkommen zu bewältigen. In Stuttgart sollen 8 Gleise die 16 Gleise des Kopfbahnhofs ersetzen. Die Anstalt im ZDF hat das Thema gut behandelt: https://www.youtube.com/results?search_query=anstalt+stuttgart+21
Viele sprechen von einem Engpass 21, wo nicht der sinnvolle Fahrplan bestimmt, wie die Infrastruktur ausgebaut wird, sondern die Infrastruktur gibt vor, wie der Fahrplan aussehen muss. Bei einem integralen Taktfahrplan sollen alle Züge gleichzeitig im Bahnhof stehen, so dass in alle Richtungen umgestiegen werden kann. Ist das bei einem Tunnelbahnhof mit nur 8 Gleisen machbar? Bei einer Zunahme des Verkehrsaufkommens würden sich die Fahrgäste auf deutlich weniger Bahnsteigfläche drängeln, im Brandfall sind das besondere Herausforderungen für eine Evakuierung. Braucht Stuttgart nicht den Kopfbahnhof? Kennen Sie http://www.umstieg-21.de ?

Antwort von
BüSo

Sehr geehrter Herr St. .

als Befürworter einer produktiven und zukunftsorientierten Volkswirtschaft ist mir der Personen- und Gütertransport auf der Schiene ein ganz besonderes Anliegen -- hier hat Deutschland im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten und einigen weltführenden Mitbewerbern enormen Aufhol- und Modernisierungsbedarf. Stuttgart 21 ist hierfür nur ein -- wenn auch hervorstechendes -- Negativbeispiel: Als die Planungen für den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs und die Hauptverkehrsachsen im Südwesten konkretisiert wurden (etwa im Jahr 2000), wurden zwei entscheidende Fehlannahmen gemacht:

1) ging man davon aus, daß der Großraum Stuttgart wie in den unmittelbaren Vorjahren weiter an Einwohnern verlieren würde, und 2) wurde der bis dato stärksten Industriebranche Automobilbau nach wie vor zu viel Gewicht beigemessen, wodurch der Eisenbahnausbau erneut das Nachsehen hatte. 

Diese Kalkulationen haben sich beide inzwischen als Fehlannahmen herausgestellt, waren aber mitentscheidend für die Beschränkung auf acht Gleise im Tiefbahnhof. Allerdings muss auch gesagt werden, daß die permanenten Proteste und juristischen Einsprüche von Seiten der Umweltverbände neben finanziellen Sparzwängen zu einer möglichst "schlanken" Planung beitrugen und damit der Umwelt einen Bärendienst erwiesen, indem die Verlagerung des Massenverkehrs auf die Schiene gründlich unterminiert wurde!

Mein Vorschlag wäre demnach, die Tunnelstrecke und den Tiefbahnhof im Wesentlichen als Gütertransport- und Umschlageinrichtung umzuplanen und für den Personen-Nah- und -Fernverkehr eine überirdisch geführte Strecke (ähnlich der Berliner Hauptbahnhofslösung) quer über den Stuttgarter Kessel zu bauen, die idealerweise gleich als Transrapidstrecke auszulegen wäre. 

Damit würden m.E. gleich drei Probleme gelöst: der Engpass besteht in der Höhe nicht (man könnte darunterliegende Flächen auch für öffentliche Einrichtungen und Gewerbeeinheiten nutzen); der Güterumschlag in Zentrumsnähe wird -- das hat nicht zuletzt Corona gezeigt -- zunehmend an Bedeutung gewinnen; und schließlich kann eine derart innovative Infrastrukturlösung zukunftsgerichtete Kräfte freisetzen, die derzeit nötiger denn je erscheinen!

Christoph Mohs