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Birgit Malecha-Nissen
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Frage von Uwe M. •

Frage an Birgit Malecha-Nissen von Uwe M. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Dr. Malecha-Nissen,

wieso haben Sie bei der Abstimmung "Schaffung einer zentralen Gesellschaft für Autobahnen und Bundesstraßen", die defacto die Tür zur Privatisierung der Autobahnen öffnet, mit JA gestimmt ?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Müllerdorn,

ich danke Ihnen für Ihre Nachricht zum Thema Grundgesetzänderungen und Neuordnung der Bund-Länder-Beziehungen, die ich hiermit gerne beantworte.

Bei der Abstimmung in der letzten Woche handelte es sich um ein großes Gesetzpaket, bei dem es auch um die Schaffung der sogenannten Infrastrukturgesellschaft geht.

Ich bin mir nicht sicher, ob die erhofften Effizienzsteigerungen mit der vorliegenden Reform der Straßenbauverwaltung tatsächlich erreicht werden können. Allerdings habe ich bei meiner Entscheidung auch die anderen Aspekte dieses Gesetzespakets berücksichtigt. Die umfassende Reform der Bund-Länder-Beziehungen ist ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Finanzierung der Länder. Zusätzlich sind die Lockerung des Kooperationsverbots, das Investitionsprogramm für Kommunen und der Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende wichtige Zukunftsprojekte, die das Leben vieler Menschen spürbar verbessern werden.

In Abwägung dieser Dinge habe ich den Grundgesetzänderungen sowie dem Gesetzentwurf zugestimmt.

Das Gesamtpaket

Nach zweijährigen Verhandlungen hat sich die Bundeskanzlerin am 14.10.2016 mit den 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer auf ein „Reformpaket“ geeinigt. Das Gesetzespaket beinhaltet die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen ab dem Jahr 2020. Dazu gehören die Lockerung des Kooperationsverbots und damit die finanzielle Unterstützung für finanzschwache Kommunen, die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende sowie die Übertragung der Bundesautobahnen von der Auftragsverwaltung der Länder auf den Bund.

In dem Paket enthalten – und das ist mir sehr wichtig – ist die Lockerung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich. Das ermöglicht es dem Bund, Geld für Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung zu stellen, um beispielsweise Schulgebäude zu sanieren und zu modernisieren. 3,5 Mrd. Euro stehen dafür zur Verfügung. Das Geld geht vom Bund über die Länder an die Kommunen, die dann vor Ort entscheiden, wie es investiert wird.

Des weiteren wird der Unterhaltsvorschuss neu geregelt, den Alleinerziehende erhalten, wenn das eigentlich unterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt: künftig wird nicht nur bis zum 12. Geburtstag des Kindes gezahlt, sondern bis zum 18. Geburtstag. Während bislang maximal 6 Jahre lang gezahlt wurde, entfällt diese Befristung künftig komplett. Auch das war mir persönlich sehr wichtig.

Die SPD hat sich immer gegen eine Privatisierung der deutschen Autobahnen und Bundesstraßen gestellt und diese Position auch im Gesetzgebungsverfahren durchgesetzt. Im Grundgesetz wird jetzt geregelt, dass sowohl die Bundesstraßen im unveräußerlichen, 100-prozentigen Eigentum des Bundes bleiben als auch die Infrastrukturgesellschaft, die für deren Planung, Bau und Betrieb zuständig sein wird. Damit konnten wir die Pläne von CDU-Finanzminister Schäuble und CSU-Verkehrsminister Dobrindt verhindern, bis zu 49 Prozent dieser Gesellschaft an private Investoren zu verkaufen.

Infrastrukturgesellschaft

Im parlamentarischen Verfahren konnten bei der Gestaltung der Infrastrukturgesellschaft erhebliche Verbesserungen gegenüber des ursprünglichen Gesetzentwurfs erzielt werden.

1. Eine Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen findet nicht statt; mit dem Gesetz errichten wir Schranken, wo es vorher keine gab, auch im Grundgesetz.

2. Wir schützen die berechtigten Interessen der Beschäftigten.

3. Der Einfluss des demokratisch gewählten Parlaments auf die Verkehrsinvestitionen bleibt gewahrt und wird meines Erachtens gegenüber heute sogar verbessert.

Wichtig ist für mich, dass mit der Reform das wirtschaftliche Eigentum der Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen unveräußerlich beim Bund bleibt. Die neue Infrastrukturgesellschaft ist lediglich für die Verwaltung zuständig und die gewinnbringende Nutzung durch die Gesellschaft ist ausgeschlossen. Die Gesellschaft wird nicht als Mautgläubigerin auftreten. Auch eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte ist nicht möglich.

Der häufigste Vorwurf gegen den Vorschlag zur Infrastrukturgesellschaft ist die mögliche Privatisierung durch die Hintertür. Festgemacht wird dies an der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Es gibt jedoch genug Praxisbeispiele – zum Beispiel die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) oder die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) – die beweisen, dass eine GmbH in öffentlichem Besitz nicht gewinnorientiert sein muss. Hierfür haben wir die notwendigen Schranken dauerhaft gesetzt. Die von der SPD verhandelten Begrenzungen für die Privatisierung waren daher für mich aus verkehrspolitischer Sicht eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung.

Der Einfluss von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) wird weiter beschränkt. ÖPP für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentlicher Teile davon umfassen, sind ausgeschlossen. Hier ist der Gesetzentwurf ein echter Fortschritt. Dem Deutschen Bundestag – namentlich dem Haushalts- und Verkehrsausschuss - werden durch die Reform neue Kontrollmöglichkeiten eingeräumt, die dieser im Sinne des Interesses der Bürgerinnen und Bürger nutzen wird.

In enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften haben wir zudem die Rechte der Beschäftigten beim geplanten Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder auf den Bund festgeschrieben. Auch das war für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung.

Bedenken habe ich allerdings, ob durch den Wechsel des Systems in absehbarer Zeit die gewünschte größere Effizienz tatsächlich erreicht werden können. Nach meiner persönlichen Auffassung ist dies der falsche Weg, um die bestehenden Infrastrukturprobleme zu beheben und den dringend notwendigen Investitionshochlauf voranzubringen. Vielmehr sind durch die Umstellung deutliche Verzögerungen und Effizienzverluste möglich.

Sehr geehrter Herr Müllerdorn, ich bedanke mich noch einmal herzlich für Ihre Nachricht und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Ihre

Birgit Malecha-Nissen