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Frage von Gerhard G. •

Frage an Bernd Richter von Gerhard G. bezüglich Bildung und Erziehung

Bildungsmisere der Jungen

Sehr geehrter Herr Dr. Richter,

seit den 80er Jahren fallen die Jungen in der Schule immer mehr hinter den Mädchen zurück. Es ist davon auszugehen, dass es im Saarland nicht wesentlich anders aussieht als im Bundesgebiet oder in Rheinland-Pfalz: betrachtet man den Anteil der Jungen und Mädchen an einem Jahrgang, so machen fast die Hälfte mehr Mädchen als Jungen Abitur; die Jungen schneiden dabei im Schnitt um eine Note schlechter ab. Die Leseleistungen hinken deutlich hinterher. Auf der anderen Seite ist der Anteil der Jungen, die keinen Schulabschluss erreichen, weit mehr als die Hälfte größer als der Anteil der Mädchen. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Bei den unter 25-Jährigen sind im Saarland absolut und prozentual deutlich mehr junge Männer als junge Frauen arbeitslos. Allgemein ist Bildung ein wesentlicher Schlüssel für Aufstieg und den Spielraum für die eigene Lebensplanung.

Es liegt nahe, die Erfolge der Mädchen mit der seit den 70er Jahren praktizierten nachhaltigen Mädchenförderung in Verbindung zu bringen, die auch heute eine weit größere Dimension besitzt als die nur ganz vereinzelt anzutreffende Jungenförderung. Erst im November 2008 verkündete Bildungsministerin Kramp-Karrenbauer, dass Mädchen in Mathematik gefördert werden sollten. Von Förderung der Lesekompetenz für Jungen war keine Rede.

Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Bildungssituation der Jungen, welche Maßnahmen betrachten Sie als notwendig, für welche Maßnahmen werden Sie konkret eintreten und auf welche Weise beabsichtigen Sie das zu tun?

Vielen Dank.

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"Im Bereich der frühkindlichen Förderung und Ausbildung in Kindergärten und Grundschulen wurden bestimmte Grundpositionen als besonders förderungswürdig eingestuft und teilweise mit falschem Ehrgeiz verfolgt. Hierzu gehörte bei berechtigtem Nachholbedarf die überproportionale Förderung von Mädchen oder die sehr frühe Befassung mit Fremdsprachen zu Lasten von lernschwächeren Kindern.

Im Kindergartenbereich müssen daher wesentlich stärker als bisher die sozialen Verhaltensweisen der Kinder für ein Gruppenverhalten ausgeprägt werden. Daher sollten, bis hin zu Überlegungen einer Kindergartenpflicht, möglichst alle Kinder den Kindergarten besuchen. Für den Grundschulbereich sollten in Bezug auf Sprache und soziale Verhaltensweisen somit vergleichbare Ausgangsvoraussetzungen geschaffen werde. Insbesondere die Grundfertigkeiten einer Lese- und Rechtsschreibkompetenz müssen gezielt geschult und gefördert werden. Gleiches gilt für die Grundrechenarten. Leistungsschwächere Kinder müssen in diesem Stadium durch gezielten Förderunterricht und durch kleine Klassengrößen auf ein vergleichsweise ähnliches Ausbildungs- und Leistungsniveau gebracht werden. Der Begriff der Inklusion, d.h. die Einbeziehung von Kindern mit unterschiedlichem Leistungsniveau in einer Ausbildungsgruppe, muss als Förderungsphase und nicht als schulischer Selektionsprozess verstanden werden, der sich ausschließlich an dem Leistungsniveau für einen höheren Bildungsabschluss orientiert.

Die aktuellen Fehler, die in dieser Ausbildungsphase begangen werden, führen leider zu den genannten Defiziten einer hohen Zahl von Schulabbrechern. Sie können in späteren Jahren auch in speziellen Bildungseinrichtungen nicht mehr oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen korrigiert werden. Deshalb müssen wir in dieser Bildungsphase von Kindergärten und Grundschulen wesentlich mehr Zeit und Geld investieren in Form qualifizierten und gut ausgebildeten Personals und entsprechenden Fördermaßnahmen für die Kindern mit ihren jeweiligen Leistungsmöglichkeiten. Der Begriff der Geschlechtergerechtigkeit muss hierbei eine allgemeine und nicht nur eine spezielle Ausrichtung auf Mädchen oder Jungen haben. Das Sprichwort: "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr", welches gleichermaßen für "Gretel" gilt, belegt in aller Deutlichkeit, welches Engagement und finanziellen Mittel hier dringend erforderlich sind. Bildungspolitisch findet dieser Bereich bisher viel zu wenig Beachtung mit den geschilderten fatalen Folgen."

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bernd Richter