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Frage von Wolf-Christian H. •

Frage an Bela Bach von Wolf-Christian H. bezüglich Naturschutz

Auch wenn wir als Gesellschaft langsam anfangen, angesichts der Klimakrise die Weichen anders zu stellen, müssen wir uns eingestehen:

Trotz besserem Wissen haben wir viel zu lange und viel zu stark in die falsche Richtung gesteuert. Die Maßnahmen reichen daher bei Weitem nicht aus, um den Kollisionskurs mit der Klimakatastrophe zu verhindern. Dazu wären weit deutlichere und für alle auch einschneidendere Maßnahmen nötig.

Und genau dafür ist ein Bürger:innenrat zum Thema Klima ein essentieller Baustein - zusammen mit der Selbstverpflichtung der Politik, die daraus hervorgehenden Vorschläge und Entscheidungen nicht nur zu berücksichtigen, sondern handlungsleitend und als gewaltige Chance zu begreifen. Denn nur mit dem Rückenwind aus der Bevölkerung können die notwendigen krassen Kurskorrekturen vorgenommen werden, ohne die Demokratie zu beschädigen.

Letztendlich definiert unser Strafrecht, was wir als Gesellschaft tolerieren und was nicht. Die Sklaverei war beispielsweise solange nicht nur geduldet sondern sogar die wirtschaftliche Basis für viele Bereiche, bis sie klar und international unter Strafe gestellt wurde. Genau diese Klarheit brauchen wir jetzt, um den verheerenden und für viele Menschen unmittelbar oder mittelbar tödlichen Umweltzerstörungen Einhalt zu gebieten.

Seit wenigen Tagen unterstützt neben immer mehr Staaten nun auch das europäische Parlament die Bestrebungen, ÖKOZID als internationales Verbrechen anzuerkennen und vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) strafbar zu machen.

In Frankreich hat der Bürger:innen-Klimarat die Kriminalisierung von #ÖKOZID als wichtigste Maßnahme gefordert.

Wie stehen Sie als Mitglied des Petitionsausschusses zur Einberufung eines bundesweiten Bürger:innenrates zur Klimapolitik?

Wie stehen Sie generell zur Einstufung von Ökozid als Verbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof einerseits und vor nationalen Gerichten andererseits?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hingst,

zunächst möchte ich mich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie mit Ihrer Frage auf das wichtige Thema des Klimaschutzes aufmerksam machen. Die Aktualität ihrer Anfrage wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass am 25. Januar 2021 in der 81. öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses genau zu Ihrem Anliegen verhandelt wurde. Die Veranstaltung kann unter folgendem Link nochmals abgerufen werden: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a02/anhoerung-25-01-21-818848 (ab 02:10:30 Std. zum Thema „Bürgerrat zur Klimapolitik“).

Um Ihre erste Frage vorneweg zu beantworten, möchte ich sagen, dass ich die Idee eines Bürgerrats für Klimapolitik für ein sehr sympathisches Anliegen halte, dem ich und meine Parlamentskollegen der SPD-Bundestagsfraktion sehr offen gegenüber stehen.
Im Detail: Die repräsentative Demokratie hat sich als ein Erfolgsmodell bewährt, das wir stärken und weiterentwickeln wollen. Die Beteiligung von Bürgern bei Entscheidungen auf Bundesebene würde zu diesem Ziel betragen, indem parlamentarische Strukturen durch mehr dialogische Beteiligung gestärkt würden und damit mehr Verständnis für die Prozesse und Akteure und mehr Akzeptanz für ihre Ergebnisse generiert werden würden. Mehr Beteiligung ermöglicht einen breiteren und tragfähigeren Interessenausgleich als Grundlage für parlamentarische Entscheidungen. Das ist insbesondere auch vor dem Hintergrund wichtig, dass es beim Klimaschutz im Kern um Werteentscheidungen und Kompromisse geht.
Beteiligungsverfahren wurden in den vergangenen Jahrzehnten auf kommunaler Ebene in zahlreichen Varianten erprobt und haben sich vielerorts etabliert. Auf Bundesebene haben wir im Rahmen der Suche nach einem Endlager für hoch radioaktive Abfallstoffe erstmals einen umfassenden, mehrstufigen Beteiligungsprozess beschlossen, der Entscheidungen des Parlaments mit vorbereitet und von einem Nationalen Begleitgremium unterstützt wird, dem ebenfalls erstmals auf Bundesebene zufällig ausgewählte Bürger angehören.
Auch schon zuvor hat die SPD die Diskussion zum Thema Bürgerbeteiligung begleitet und geprägt. Unter anderem haben wir als Bundestagsfraktion mit dem Infrastrukturkonsens bereits im Jahr 2012 detaillierte Vorschläge zur Verbesserung der Beteiligung gemacht, die grundlegend für die aktuelle Diskussion sind. Grundsätzlich begrüßen wir es, unterschiedlichste Formate der Beteiligung auf Bundesebene zu erproben und werden die Umsetzung solcher engagiert und kritisch begleiten. Die interne Arbeitsgruppe der SPD beim Petitionsausschuss hat vor diesem Hintergrund bereits beschlossen, eine Einschätzung vom wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestags hinsichtlich einer juristischen Einschätzung zur Beteiligung von Bürgern in der Klimapolitik zu beantragen.
Hinsichtlich Ihrer Frage zur Einführung eines Straftatbestandes, welcher Umweltschäden großen Umfangs ahndet, möchte ich meine Antwort in zwei Punkte aufgliedern: einerseits die Bewertung nach völkerrechtlichen Maßstäben, anderseits die Rechtslage auf nationaler Ebene:
1) Völkerrecht: auf völkerrechtlicher Ebene besteht mit Art. 8 (b) IV des Römischen Statuts ein Straftatbestand, wonach das „vorsätzliche Führen eines Angriffs in der Kenntnis, dass dieser […] langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die eindeutig in keinem Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen“ als Kriegsverbrechen gilt. Allerdings gilt die Vorschrift nur in Kriegszeiten. Straftatbestände, welche auch zu Friedenszeiten gelten und vergleichbare Handlungen ahnden, bestehen auf internationaler Ebene nicht.
2) Nationales Recht: In Deutschland werden besonders schwerwiegende Verstöße gegen das Umweltrecht als strafrechtlich relevant beurteilt. Diese werden in den §§ 324 ff. im 29. Abschnitt des Strafgesetzbuches unter dem Titel „Straftaten gegen die Umwelt“ und in einigen Umweltgesetzten (z.B. §§ 27 Chemikaliengesetz) geführt und sind mit Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren bewährt. Kürzlich hat ein nationales Gericht zudem eine Klage gegen die Bundesregierung mangels der Möglichkeit einer Rechtsverletzung als unzulässig abgewiesen. Die Kläger wollten damit in erster Linie erreichen, dass die Bundesregierung dazu verurteilt wird, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um das selbst gesteckte Klimaschutzziel 2020 noch zu erreichen.
Grundlegend steht die SPD Maßnahmen die dem Klimaschutz fördern, worunter auch Gesetze zu zählen sind, unterstützend gegenüber. So haben wir es beispielsweise den CO2-Preis mit sozialem Ausgleich eingeführt. Klimaschädliche Energieträger in den Bereichen Wärme (Heizöl, Erdgas) und Verkehr (Benzin, Diesel) bekommen ab 1. Januar 2021 einen schrittweise ansteigenden Preis, der ihre Klimaschädlichkeit zunehmend widerspiegelt. Die Einnahmen werden vollständig in Klimaschutzmaßnahmen reinvestiert oder den Bürger*innen zurückgegeben, z.B. über eine Entlastung beim Strompreis, ein höheres Wohngeld oder eine höhere Entfernungspauschale für Pendler ab dem 21. Kilometer. Eine pauschale Antwort hinsichtlich meiner persönlichen Meinung zu bisher nicht näher definierten Straftatbeständen kann ich dennoch nicht geben. Insbesondere im Strafrecht muss ein Gesetz spezifischen Anforderungen genügen um vor der Verfassung Bestand zu haben.

Abschließend ist zu sagen, dass der Deutsche Bundestag der zentrale Ort gesellschaftlicher Debatten und der Partizipation bleiben muss. Dazu könnte eine Beteiligung von Bürgern auf Bundesebene maßgeblich beitragen. Deshalb, in Tradition von Willy Brandt: Mehr Demokratie wagen.

Bela Bach MdB