Beate Walter-Rosenheimer
Beate Walter-Rosenheimer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Lars T. •

Frage an Beate Walter-Rosenheimer von Lars T. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Walter-Rosenheimer,

morgen wird im Eilverfahren die Grundgesetzänderung bezüglich der Privatisierung der Autobahnen durchgeboxt. Allein schon das dies nun in einem Eilverfahren durchgeschleust wird stößt bei mir sauer auf. Ich fühle mich übergangen und hilflos mit der Konsequenz mein Wahlverhalten stark abzuändern.
Daher meine Frage an Sie:
Welche Meinung vertreten Sie zur Privatisierung der Autobahnen?

Beate Walter-Rosenheimer
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Thies,

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich werde mich gemeinsam mit meinen Fraktionskolleginnen und -kollegen der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen klar GEGEN eine mögliche Privatisierung der bundesdeutschen Autobahnen aussprechen. Wir teilen Ihre Einschätzung, dass es keine Privatisierung der Autobahnen geben darf. Deshalb müssen alle Hintertüren, die eine spätere Privatisierung ermöglichen könnten, geschlossen werden. Den Gesetzesentwurf der Bundesregierung lehnen wir deshalb ab.

Unsere GRÜNE Position:

Grundsätzlich ist es zwar zu begrüßen, dass zwischen Bund und Ländern eine Einigung über die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen erzielt wurde – diese bietet allen Beteiligten Planungssicherheit –, allerdings wurde die große Chance vertan, die materiellen Interessen der einzelnen Länder und des Bundes, die naturgemäß miteinander in Konflikt stehen, sachgerecht auszubalancieren, die Bundesrepublik finanzpolitisch zu entrümpeln und die richtigen Weichen für die Herausforderungen der Zukunft zu stellen. Hier liegt denn auch die wesentliche Schwäche des Kompromisses: Die vorgeschlagene Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen bereitet die Bundesrepublik finanzpolitisch nicht ausreichend auf die Herausforderungen der Zukunft vor. Absehbaren gesellschaftlichen Umbrüchen wie dem demographischen und sozialräumlichen Wandel wird nicht Rechnung getragen; sie wurden im Rahmen der Analyse noch nicht einmal als Herausforderung benannt. Dieses grundlegende Defizit wurde von den regierungstragenden Fraktionen auch bei der parlamentarischen Befassung nicht beseitigt.

Besonders problematisch ist die Einigung, die in den Verhandlungen zwischen den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder und der Bundesregierung zur Reform der Auftragsverwaltung der Bundesautobahnen über die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr beschlossen wurde. Diese hat mit den Bund-Länder-Finanzbeziehungen im engeren Sinne wenig zu tun, was den Eindruck verstärkt, sie sei vor allem Verhandlungsmasse für die Zustimmung des Bundes zum Gesamtpaket gewesen. Grundsätzlich besteht jedoch drängender Handlungsbedarf bei der bisherigen Auftragsverwaltung, so dass eine Neuorganisation und Bündelung von Bau, Erhalt und Verwaltung der Bundesautobahnen zweckmäßig ist. Die von der Bundesregierung vorgelegte Grundgesetzänderung zur Auftragsverwaltung ermöglichte eine Privatisierung der Autobahnen durch die Hintertür. Auch die Änderungen der regierungstragenden Fraktionen am Grundgesetz schließen nicht alle Hintertüren. Zwar wurde die mittel- und unmittelbare Beteiligung an der zu gründenden Infrastrukturgesellschaft Verkehr und deren Tochtergesellschaften grundgesetzlich ausgeschlossen, weitere Privatisierungsschranken wurden allerdings einfachgesetzlich eingezogen und sind in der Folge mit einfacher parlamentarischer Mehrheit zu ändern. Daher sollten diese Privatisierungslücken im Grundgesetz geschlossen bzw. ausgeschlossen werden. Der unbeschränkte Einfluss des Bundes und des Bundestages auf die Aufgabenerfüllung ist sicherzustellen. Dazu muss die Gründung der Infrastrukturgesellschaft Verkehr als Aktiengesellschaft auf Dauer ausgeschlossen werden. Die Anpassung von Art. 13 (§2 InfrGG) des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften (BT-Drs. 18/11135) ist in Art. 90 und 143e GG zu übertragen. Unsachgerecht ist hingegen die grundgesetzliche Neuregelung der Gemeindeverkehrsfinanzierung im Rahmen von Artikel 125c GG. Diese verhindert eine schnelle und bedarfsgerechte Anpassung in der Zukunft und schreibt die unzureichende Mittelausstattung des Programms bis 2025 fest. Die Ausstattung des Programms muss mit einer einfachgesetzlichen Regelung möglich sein. Aufgrund der hohen Hürden für Änderungen des Grundgesetzes fehlt der Gemeindeverkehrsfinanzierung damit die nötige Flexibilität. Der verkehrspolitisch dringend notwendige Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in unseren Großstädten und Ballungsgebieten wird damit bis Mitte der 2020er-Jahre nur auf Sparflamme fortgeführt werden. Dabei ist umwelt- und klimapolitisch eine deutliche Aufstockung geboten.

Mit freundlichen Grüßen
Beate Walter-Rosenheimer

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