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Frage von Dennis K. •

Frage an Axel Berg von Dennis K. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Dr. Berg,

Wie ist ihre Position zu Internetzensur und Jugendschutz?

Viele Grüße,
D. Karnebogen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Karnebogen,

vielen Dank für Ihre Frage vom 07. August.

Sie erkundigen sich nach meiner Position zu zwei Themen. Ich werde zunächst zur „Internetzensur“ und anschließend zum Jugendschutz Stellung beziehen.

Zu „Internetzensur“ ist zu sagen, dass die SPD für ein freies und unbeschränktes Internet steht. Das Zensurverbot des Grundgesetzes gilt uneingeschränkt. Zensur lehnen wir ab. Falls sie auf das kontrovers diskutierte Thema Netzsperren im Allgemeinen bzw. auf die Verabschiedung des Gesetzes zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten in Kommunikationsnetzen (Zugangserschwerungsgesetz) am 18. Juni hinauswollen, gehe ich gerne darauf ein.

Vorwegstellen möchte ich jedoch, dass es sich beim Zugangserschwerungsgesetz – also bei der Sperrung von Seiten mit kinderpornographischen Inhalt – nicht um Zensur handelt, sondern um die Bekämpfung von kriminellen Handlungen in einem ganz speziellen Fall. Zensur bedeutet, dass eine staatliche Behörde eine Veröffentlichung zulässt, aber ihren Inhalt beeinflusst und verändert. Dagegen wird beim Sperren der Kinderpornographie nichts beeinflusst oder verändert, sondern eine bestimmte Art von Veröffentlichung wegen ihrer Strafbarkeit von vornherein gesetzlich ausgeschlossen. Unabhängig davon, auf welchen Verbreitungswegen das geschieht. Das ist nach Artikel 5 des Grundgesetzes zulässig. Eine Internetsperre, die den Zugang zu einer Seite – mit ohnehin verbotener – Kinderpornographie verhindert oder zumindest erschweren soll, ist keine Zensur. Was offline gilt, muss auch online gelten. Klar ist aber auch, dass es mit der SPD definitiv keine Ausweitung der Internetsperren für kinderpornographische Internetseiten auf weitere Inhalte geben wird. Während der Verhandlungen zum Zugangserschwerungsgesetz hat die SPD die Grundlage dafür geschaffen, dass die Internetsperren ausschließlich auf Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten beschränkt sind, rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen und einer sorgfältigen und kritischen Evaluation unterzogen werden müssen.

Mit dem Gesetz wird das Ziel verfolgt, den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten zu erschweren. Es ist richtig, dass versierte Nutzer die Sperre technisch umgehen können. Es ist aber auch anzunehmen, dass sich ein Teil der Konsumenten davon abschrecken lassen wird. Es können vermutlich besonders diejenigen erreicht werden, die den Einstieg in den Konsum kinderpornographischer Inhalte suchen. Zumindest bei einem Teil der Betroffenen kann dies nach Einschätzung von Experten Wirkung zeigen. Dazu dient auch der Hinweis auf die Strafbarkeit des Verhaltens.

In meinem Schreiben auf abgeordnetenwatch.de zum Thema Netzsperren vom 10. Mai hatte ich dargelegt, dass der Gesetzesentwurf zum damaligen Zeitpunkt offene Fragen ließ. Durch die von der SPD durchgesetzte Sachverständigenanhörung erhoffte ich mir eine Klärung dieser Fragen, um eine abschließende Entscheidung treffen zu können. Ausschlaggebend war für mich insbesondere, dass das Gesetz rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt und keinen unverhältnismäßigen Eingriffe in die Freiheitsrechte darstellt.

Nach der Sachverständigenanhörung gelang es der SPD-Fraktion in den Verhandlungen mit der Unionsfraktion durchzusetzen, dass der aus dem Wirtschaftministerium stammende extrem verbesserungswürdige Gesetzesentwurf wesentlich modifiziert und deutlich verbessert wurde. Mit diesen Änderungen wurde wesentlichen Forderungen des Bundesrates, der Sachverständigenanhörung und der Netz-Community Rechnung getragen. Dass es gelang, so viele Verbesserungen einzubringen, ist nicht zuletzt auch der überaus großen öffentlichen Kritik zu verdanken. Der endgültige Beschluss hat insbesondere folgende Änderungen gebracht:

1. Verankerung des Subsidiaritätsprinzips: „Löschen vor Sperren“:
Die Regelung kodifiziert das Prinzip „Löschen vor Sperren“. Danach erfolgt die Aufnahme in die Sperrliste des BKA nur, so weit zulässige Maßnahmen, die auf eine Löschung der Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten abzielen, in angemessener Zeit keinen Erfolg haben. Ohne Zweifel ist Löschen deutlich wirkungsvoller als Sperren, da die Inhalte tatsächlich entfernt werden. Daher ist es sinnvoll und notwendig, dass das BKA zunächst alle zulässigen Maßnahmen zur Löschung kinderpornographischer Seiten ergreift. Nur, wenn ein Löschen solcher Seiten nicht möglich ist, akzeptieren wir eine Sperrung. Bereits nach heutiger Rechtslage werden Kinderpornografie-Seiten, die sich auf deutschen Servern befinden, von den Internetprovidern heruntergenommen. Ein solcher direkter Zugriff ist im Ausland jedoch nicht möglich. Nur deshalb stellte sich überhaupt die Frage nach Zugangssperren.

2. Kontrolle der BKA-Liste:
Die Neuregelung nimmt den Wunsch nach mehr Transparenz auf und etabliert ein unabhängiges Expertengremium beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Hiermit wird ein Anliegen der E-Petition aufgegriffen, da ein zentraler Kritikpunkt fehlende Kontrolle und Transparenz der BKA-Liste ist. Die Mitglieder, die die Befähigung zum Richteramt haben müssen, sind berechtigt, die Sperrliste jederzeit einzusehen und zu überprüfen.

3. Datenschutz:
Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete NutzerInnen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.

4. Spezialgesetzliche Regelung mit Befristung
Zur eindeutigen Klarstellung, dass nur eine Sperrung von Internet-Seiten mit Kinderpornografie ermöglicht wird, jedoch nicht von anderen Inhalten, wurden die wesentlichen Änderungen in einem neuen speziellen Zugangserschwerungsgesetz anstatt im Telemediengesetz verankert. Zudem tritt das Gesetz automatisch zum 31. Dezember 2012 außer Kraft, so dass in jedem Falle die vorgesehene Evaluation auszuwerten ist, auf deren Basis endgültig entschieden werden kann. Zusätzlich haben wir eine Bestimmung aufgenommen, die ausschließt, dass die neu geschaffene Infrastruktur zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche genutzt werden kann. Mit dieser Klarstellung wird der Befürchtung begegnet, dass Gerichte zukünftig aufgrund der durch das Sperrlistenverfahren nach diesem Gesetz vorhandenen technischen Infrastrukturen zu der Schlussfolgerung gelangen könnten, Zugangsvermittler seien auch im Hinblick auf andere Rechtsverletzungen (z.B. des geistigen Eigentums) zivilrechtlich zur Sperrung heranzuziehen.

Der zentrale Vorwurf gegen das Gesetz lautet, dass eine Infrastruktur geschaffen werde, die später auch zur Sperrung anderer, beliebiger Inhalte genutzt werden kann. Die Befürchtung ist angesichts einiger Äußerungen grundsätzlich nachvollziehbar. So waren während der Debatten der letzten Monate wiederholt Forderungen aus der Unionsfraktion gekommen, Internetsperren auch auf Verletzungen des Urheberrechts, Glücksspiel oder gewalthaltige Computerspiele zu beziehen. Zudem haben sich erst kürzlich sowohl Bundesministerin Ursula von der Leyen als auch der Chef des Bundeskanzleramts de Maizière für eine strengere Überwachung des Internets ausgesprochen.

Wie gerade beschrieben, wird durch die Formulierung als Spezialgesetz aber eindeutig klargestellt und geregelt, dass es sich ausschließlich um die Sperrung kinderpornographischer Seiten handelt und eine Ausweitung auf andere Inhalte und Ansprüche ausgeschlossen ist. Ein zukünftiger Gesetzgeber wäre zwar in der Lage, die Sperren auf andere Bereiche auszuweiten, dies gilt jedoch auch unabhängig von diesem konkreten Gesetz. Die Reversibilität von Gesetzen durch den jeweils regierenden Souverän ist ein wesentlicher Bestandteil von Demokratie. Jeder neue Gesetzgeber kann also alle bestehenden Gesetze kippen. Sollte ein zukünftiger Gesetzgeber eine Ausweitung wollen, müsste ein Gesetzgebungsverfahren angestrengt werden. Dieser Prozess wird durch das vorliegende Gesetz nicht vereinfacht.

Unabhängig vom vorliegenden Gesetz war bzw. ist die technische Infrastruktur zur Sperrung von Internetseiten bereits im Aufbau. Verträge zwischen BKA und den größten Internet-Service-Providern in Deutschland verpflichten Letztere bereits, eine entsprechende Infrastruktur bereitzustellen und entsprechende Sperrungen in nächster Zeit vorzunehmen. Das heißt, dass gegenwärtig Mechanismen zur Sperrung etabliert werden, jedoch ohne dass diese Verträge einen hinreichenden Grundrechtsschutz und verfahrensrechtliche Sicherungen - wie etwa die Kontrolle der BKA-Liste durch ein unabhängiges Gremium - garantieren und deshalb höchst problematisch sind. Ich teile die Zweifel an der Rechtmäßigkeit solcher Verträge, da sie keinen hinreichenden Grundrechtsschutz gewährleisten. Bis es aber zu einer möglichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Sache käme, wäre die Infrastruktur bereits in Betrieb, ohne dass es gleichzeitig hinreichende Schutzbestimmungen für die Internetnutzer gibt, die wir nun gesetzlich regeln.

Wie eingangs erwähnt, lehnt die SPD eine Ausweitung der Sperren auf andere Inhalte definitiv ab. Diese Position habe ich verdeutlicht, indem ich mich der persönlichen Erklärung gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages meiner Kollegin Monika Griefhahn angeschlossen habe. Hier stelle ich klar, dass eine Ausweitung der Sperrinfrastruktur für andere Zwecke für mich grundsätzlich ausgeschlossen ist. Zudem weise ich dort auch auf die sich bereits im Aufbau befindliche Infrastruktur hin und die Notwendigkeit, derartige Verträge durch eine gesetzliche Grundlage abzuschwächen (die Erklärung finden Sie unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/16/16227.pdf (Anlage 15, S. 25327)).

Ihre zweite Frage bezieht sich auf meine Position zum Jugendschutz. Da das ein ziemlich umfangreiches Thema ist und Sie nicht nach konkreten Regelungen fragen, werde ich mich auf zwei Aspekte – „erziehungsbeauftragte Person“; Diskussion um das Verbot von gewalthaltigen Computerspielen bzw. Jugendmedienschutz - konzentrieren, die m. E. besonders relevant sind bzw. immer wieder Bestandteil der Jugendschutzdebatte sind und kontrovers diskutiert werden.

2003 wurde in das Jugendschutzgesetz die sogenannte „Erziehungsbeauftragte Person“ eingeführt. Hiermit sind erwachsene Personen gemeint, die aufgrund einer Vereinbarung mit den Eltern Erziehungsaufgaben wahrnehmen. Die Begleitung durch eine erziehungsbeauftragte Person ermöglicht es Kindern und Jugendlichen u.a. bestimmte Orte (Gaststätten, Diskotheken, Kinos) zu jugendschutzrelevanten Zeiten aufzusuchen. Beispielsweise kann sich eine 16jährige, ein 16jähriger dann länger als 24:00 Uhr an den genannten Orten aufhalten. Diese Regelung hat jedoch seit ihrer Einführung immer wieder für Verwirrung gesorgt, weil es an klaren Vorgaben zur rechtlichen Würdigung fehlte. In der Praxis sind Unklarheiten mit dem Begriff verbunden. Einerseits wird Erziehungsbeauftragung als Synonym für elterliche Sorge verstanden, andererseits ist das Missverständnis vorhanden, dass jede Person, die sich gerade um das Kind kümmert, als erziehungsbeauftragt gilt. Polizei und Ordnungsbehörden waren mit der Lösung unzufrieden. Es wurde auch die Anhebung des Mindestalters für die erziehungsberechtigte Person erwogen. Wir sehen eine Veränderung der Altersgrenze bei der erziehungsbeauftragten Person allerdings als nicht Ziel führend an. Vielmehr muss es darum gehen, Eltern durch Aufklärungsmaßnahmen zu sensibilisieren, dass sie nicht leichtfertig erziehungsbeauftragte Personen benennen, sondern nach reiflicher Überlegung, verantwortungsbewusste Personen auswählen. Denn es sind ja die Eltern, die bevollmächtigen.

Erst kürzlich gewann die Debatte um gewalthaltige Computerspiele wieder Dynamik, als die Innenminister der Länder als Konsequenz aus dem Amoklauf von Winnenden am 01. März 2009 unter anderem beschlossen haben, für „Spiele, bei denen ein wesentlicher Bestandteil der Spielhandlung die virtuelle Ausübung von wirklichkeitsnah dargestellten Tötungshandlungen oder anderen grausamen oder sonst unmenschlichen Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen ist (Killerspiele), ein ausdrückliches Herstellungs- und verbreitungsverbot so schnell wie möglich umzusetzen“: Hierzu ist zu sagen, dass ein wirksamer Jugendmedienschutz ein zentrales Ziel der Jugend-, Familien und auch Medienpolitik der SPD-Bundestagsfraktion ist und bleibt. Wir haben in der Vergangenheit wiederholt politische Debatten über Computerspiele geführt. Anlass waren dabei tragische Amokläufe von jungen Menschen, die von vielen Diskussionen begleitet worden sind und große gesellschaftliche Betroffenheit ausgelöst haben. Es geht dabei um mehrere Themenkomplexe: um das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in der Schule, um die notwendige Anerkennung und Förderung von Kindern und Jugendlichen, um ihre Perspektiven, um Prävention und Bekämpfung von Jugendgewalt, um die Verantwortung von Eltern und Pädagogen, um Fragen von Medienkompetenz und Jugendmedienschutz sowie um den Zusammenhang zwischen schlechten Schulleistungen und Medienkonsum.

Allerdings bin ich der Meinung, dass die mancherorts geführte Debatte bezüglich noch weitergehender Regelungen bei besonders gewalthaltigen Computerspielen problematisch ist, weil sie zu kurz greift. Gewaltverherrlichende Computerspiele fallen bereits heute unter das Verbot des § 131 StGB. Im Jahr 2003 wurde der Tatbestand des § 131 Abs. 1 StGB übrigens auf die Darstellung von Gewalttätigkeiten gegen menschenähnliche Wesen erweitert und damit das Strafrecht an dieser Stelle auch in Bezug auf Computerspiele und die dort typischen Simulationen ergänzt. Die Forderung nach einer Einführung eines Verbotes sogenannter „Killerspiele“ übersieht die geltende Rechtslage. Hinzu kommt, dass nicht weniger bedeutsame Aspekte eines wirksamen Jugendmedienschutzes den verantwortungsvollen Umgang mit den Medien und die hierfür notwendige Medienkompetenz umfassen müssen.

In aller Kürze möchte ich auf die geltende Rechtslage zum Jugendmedienschutz eingehen. Dies erscheint mir notwendig, um die Debatte um die Computerspiele zu versachlichen. Der Jugendmedienschutz ist in Deutschland dreistufig geregelt. Relevant ist das Jugendschutzgesetz (JuSchG) für Trägermedien (Offline-Medien wie z.B. Bücher, Videofilme, Computerspiele auf CDs), der Jugendmedienstaatsvertrag (JMStV) für Telemedien (z.B. Spiele, die online im Internet zu finden sind) und das Strafgesetzbuch (StGB) für Träger- und Telemedien.

Die erste Stufe ist die gesetzlich vorgeschriebene Alterskennzeichnung: Alle Medien müssen im System der staatlich überwachten Selbstkontrolle eine Alterskennzeichnung erhalten. Kindern und Jugendlichen dürfen nur die Angebote zugänglich gemacht werden, die für ihre Altersstufe freigegeben sind („Freigegeben ohne Altersbeschränkung“, „Freigegeben ab 6 Jahren“, Freigegeben ab 12 Jahren“, „Freigegeben ab 16 Jahren“, „Keine Jugendfreigabe“). Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) führt das Prüfverfahren zur Altersfreigabe bei Computerspielen, an dem auch die Obersten Landesjugendbehörden mitwirken, durch.

Die zweite Stufe des Jugendmedienschutzes ist die Möglichkeit der Indizierung: Jugendgefährdende Träger- und Telemedien werden durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert und dürfen Kindern oder Jugendlichen damit weder verkauft, überlassen oder anderweitig zugänglich gemacht werden. Es gilt ein Werbeverbot und der Versandhandel ist nur eingeschränkt erlaubt. Durch die Indizierung wird der Zugang auch für Erwachsene wesentlich erschwert (Stichwort „unter der Ladentheke“), er ist aber möglich, denn diese Medien sind nicht verboten. Wegen des Zensurverbots können Medien erst dann indiziert werden, wenn sie bereits auf dem Markt sind.

Die dritte Stufe ist schließlich das Verbot von Gewaltdarstellungen gemäß § 131 StGB. Medien, die „grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen“ enthalten, sind verboten, wenn sie Gewalt verherrlichen, verharmlosen oder die Menschenwürde verletzen. Dies gilt auch im Hinblick auf „menschenähnliche Wesen“. Über die Indizierungsfolgen hinaus gilt ein generelles Verbreitungs- und Herstellungsverbot. Zuständig hierfür sowie für eine mögliche Beschlagnahme sind die Gerichte. Computerspiele fallen, so sie denn bestimmte Voraussetzungen erfüllen, bereits heute unter § 131 StGB, egal ob Offline- oder Online-Spiele, denn das StGB gilt sowohl für Träger- als auch Telemedien.

Darüber hinaus wurde erst im vergangenen Jahr das Jugendschutzrecht novelliert. Seit dem 1. Juli 2008 ist der Katalog der schwer jugendgefährdenden Trägermedien, die indiziert sind, im Hinblick auf Gewaltdarstellungen erweitert, die Indizierungskriterien wurden in Bezug auf mediale Gewaltdarstellungen präzisiert, zudem wurde die Mindestgröße der Alterskennzeichen der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle gesetzlich festgeschrieben. Mit dieser Novellierung des Jugendschutzrechtes können nun auch solche Medien, die besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten, mit einem weit reichenden Abgabe-, Vertriebs- und Werbeverbot belegt werden. Auch die im Jugendschutzgesetz genannten Indizierungskriterien wurden in Bezug auf mediale Gewaltdarstellungen erweitert und präzisiert. Die Aufzählung der Indizierungskriterien des Gesetzes wurden beispielsweise um Mord- und Metzelszenen erweitert, die detailliert dargestellt werden oder die Selbstjustiz verherrlichen.

Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Evaluation des Jugendmedienschutzes durch das Hans-Bredow-Institut, welche nicht zuletzt die Grundlagen für die Novellierung des Jugendschutzrechtes im vergangenen Jahr bildete. Ergebnis dieser Evaluation war , dass es im Hinblick auf Computerspiele in Deutschland einen vorbildlichen und wirksamen Jugendmedienschutz gibt, wenngleich Defizite im Vollzug des Jugendmedienschutzes bestehen. So wollen wir in der nächsten Wahlperiode prüfen, ob eine engere Zusammenarbeit zwischen der Bundesprüfstelle und der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle zur Wahrung der Indizierungsstandards ermöglicht werden kann.

Vor allem aber hat die Evaluation deutlich gemacht, dass zusätzliche Verschärfungen und gesetzliche Verbote, beispielsweise durch eine Erweiterung des Paragraf 131 StGB zur Gewaltverherrlichung, nicht nur unnötig sind, sondern auch wirkungslos wären.

Festzuhalten bleibt, dass Verbotsdiskussionen allein viel zu kurz greifen. Nicht Gesetzeslücken verhindern die Strafverfolgung, sondern die mangelnde Anwendung der gesetzlichen Möglichkeiten. Jedem Bundesland bleibt es daher selbst überlassen, durch entsprechende Personalausstattung der Strafverfolgungsbehörden eine härtere Verfolgung zu ermöglichen. Dies ist sinnvoller als regelmäßige Verbotsdebatten.

Im Vordergrund unserer Bemühungen zur Umsetzung eines wirksamen Kinder- und Jugendmedienschutzes steht die Förderung und Stärkung von Medienkompetenz in Familien stehen, deren Notwendigkeit die Evaluation des Hans-Bredow-Institutes deutlich machte. Die Medienkompetenz muss aber auch im Kindergarten, in der Schule und in der Jugendarbeit gestärkt werden. In diesem Zusammenhang ist auch der Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen wichtig. In Kitas und Schulen können Kinder Kontakte zu Gleichaltrigen knüpfen und wertvolle Erfahrungen machen, die sie vor Vereinsamung und Gewalt schützen.

Bei allen bestehenden Problemen mit so genannten „Killerspielen“ und dem Wunsch, diese einzudämmen, dürfen wir nicht vergessen, dass für einen modernen Kinder- und Jugendschutz die Medienerziehung sowie die Medienverantwortung sehr bedeutsam sind. Es geht jedoch nicht nur um Medienerziehung. Die hier problematisierten Computerspiele propagieren in der Regel einfache Rollenmuster (starke Helden, autoritäres Durchsetzen, Gewalt als legitimes Mittel, Frauen als Objekte etc.). Daher sind alle pädagogischen Alltagsbereiche gefragt, um andere Problemlösungskompetenzen vermitteln. Darüber hinaus ist eine ehrliche Diskussion über die Situation in den Schulen aber auch in den Familien nötig. Leider haben viele Bundesländer eine äußerst geringe Ausstattung mit Schulpsychologinnen und -psychologen. Es darf nicht sein, dass Eltern, Geschwister, Nachbarschaft, Mitschülerinnen und Mitschüler, Lehrerinnen und Lehrer nicht reagieren, wenn Kinder und Jugendliche oft tagelang in die Parallelwelt der Computerspiele abtauchen. Von Seiten der Wissenschaft wird immer wieder – zu Recht – eine „Kultur des Hinsehens“ gefordert.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass insgesamt der Anteil an Computerspielen, welche als für Kinder und Jugendliche gefährlich eingestuft werden müssen, geringer ist, als es in der öffentlichen Diskussion den Anschein hat. Die positiven Möglichkeiten der Nutzung von Computer und Internet müssen hingegen unterstützt werden. Ich spreche mich für eine differenzierte Diskussion aus, in der nicht Spielerinnen und Spieler pauschal als “Killerspieler“ stigmatisiert werden. Das heißt für uns aber auch, vor den bestehenden Problemen die Augen nicht zu verschließen. Aus diesen Gründen begrüße ich es, dass sich auch immer mehr Spielerinnen und Spieler selbst unter anderem mit der Aktion „Ich wähle keine Spielekiller“ für solch eine differenzierte Diskussion einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Axel Berg MdB