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Anton Hofreiter
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Frage von Gunter W. •

Frage an Anton Hofreiter von Gunter W. bezüglich Gesundheit

Grüß Gott Herr Hofreiter,

im Zusammenhang mit der beabsichtigten Änderung des Infektionsschutzgesetzes (Übertragung der Zuständigkeit für Corona-Maßnahmen auf de Bund) habe ich folgende Fragen:

Wie stehen Sie zu dem Folgenden:

1. „Ab einer Inzidenz von 100 nächtliche Ausgangssperren zu verhängen, obwohl von Gerichten deren Wirksamkeit angezweifelt wurde, ist eine Nichtachtung der Justiz."
2. "Nur auf die Inzidenz abzustellen ist bei derartig drastischen Maßnahmen willkürlich, weil die reine Inzidenz davon abhängt wie viel getestet wird. Dies ist manipulierbar."
3. "Die angestrebten Maßnahmen sind in dieser Umsetzung nicht der Brücken-Lockdown von zwei oder drei Wochen, der diskutiert wird, sondern ein nicht mehr einzufangender Dauer-Lockdown“.
4.Teilen Sie die Auffassung, dass das föderale Prinzip ein essentieller Bestandteil des Grundgesetzes ist?
Sind Sie gleichwohl der Auffassung, dass ein solcher Verfassungsgrundsatz - partiell - durch einfaches Bundesgesetz geändert werden kann?

Mit freundlichen Grüßen
G. W.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo Gunter Weise,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.

Es war richtig und wurde von uns lange gefordert, die Debatte und den Beschluss von Maßnahmen und Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Epidemie in den Deutschen Bundestag zu holen.
Denn viel zu lange hatten Union und SPD den Bundestag auf die Rolle einer nachträglichen Beratungsinstanz der Bund-Länder-Runden reduziert. Was wir dadurch viel zu lange gesehen haben, war ein Flickenteppich völlig unterschiedlicher Vorgehensweisen in den Ländern, worunter die Akzeptanz in der Bevölkerung für die notwendigen Schritte zur Eindämmung der Pandemie litt.

Die pandemische Lage war im April sehr besorgniserregend. Die Zahlen waren viel zu hoch und die Hilferufe aus den Intensivstationen wurden immer lauter und deutlicher. Hinter all diesen Zahlen stecken Schicksale von Menschen, die schwer erkrankt, im schlimmsten Fall gestorben sind, von Angehörigen, von Menschen, die unter Umständen monatelang mit dieser Erkrankung zu kämpfen haben. Wir haben deshalb immer eine einheitliche, transparente, nachvollziehbare bundesweite Strategie der Bekämpfung der Pandemie gefordert. Insofern haben wir den Vorschlag der Bundesnotbremse grundsätzlich begrüßt - auch wenn sie aus unserer Sicht früher hätte gezogen werden müssen.

Es war wirklich schwierig, mit dieser Koalition Gespräche dazu zu führen, es war mühevoll, in diesen Vorschlag dann doch einige Verbesserungen reinzubekommen. Am Ende war es aus unserer Sicht noch nicht ausreichend - daher haben wir damals gesagt: es müssen noch weitere Maßgaben hinzukommen, um die dritte Welle zu brechen und die Infektionen weiter nach unten zu bringen. Deshalb haben wir uns bei der Abstimmung zum Bevölkerungsschutzgesetz am 21. April enthalten.

Wir haben damals auch konstatiert:

• Ausgangssperren können aufgrund ihrer freiheitsbeschränkenden Wirkung als Ultima ratio nur Teil eines schlüssigen Gesamtkonzepts sein. Durch ihr Zögern im April für Beschränkungen auch in der Arbeitswelt hat die Bundesregierung die Akzeptanz der Menschen für die Maßnahmen gefährdet und eine erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von Ausgangsbeschränkungen verursacht.

• Die Notbremse greift bei einer Inzidenz von 100, allerdings muss auch vor dem Ziehen der Notbremse schon gebremst werden. Das heißt, auch schon bei Inzidenzen unter 100 müssen entsprechende Schritte und Maßnahmen greifen, die der raschen Verbreitung des Virus entgegenwirken. Dennoch reichen Inzidenzen alleine nicht aus. Es braucht mehrere Faktoren, um das Infektionsgeschehen künftig besser einordnen zu können. Wir möchten Folgendes mit einbeziehen: Testungen, Impfquote, Intensivbettenbelegung und die Überlastung des Gesundheitswesens, weil die Inzidenz alleine nicht mehr aussagekräftig genug ist.

Die sogenannte Bundes-Notbremse war bis zum 30. Juni 2021 befristet.

Auch wenn die Infektionszahlen inzwischen erfreulicherweise immer weiter sinken, ist die Pandemie leider noch nicht vollständig gebannt.
Wir verlangen jetzt von der Bundesregierung, dass sie über den Sommer das bestehende Regelungschaos entwirrt und die Voraussetzungen für eine rechtsstaatliche und zukunftssichere Novellierung des Infektionsschutzrechts sofort angegangen und nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden.
Dazu haben wir einen Antrag für einen geordneten Ausstieg aus dem Pandemie-Sonderrecht, mit den nötigen Forderungen an die Bundesregierung, eingebracht.
Den Antrag mit weitergehenden Informationen dazu finden Sie über folgenden Link

https://dserver.bundestag.de/btd/19/304/1930401.pdf

Mit freundlichen Grüßen
Team Hofreiter

 

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