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Annette Groth
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Frage von Irina P. •

Frage an Annette Groth von Irina P. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Groth,

im April 2013 wurde die Bundesregierung durch den Anti-Rassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen gerügt. Grund war die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Thilo Sarrazin wegen Volksverhetzung und Beleidigung. Wie beurteilen Sie diese Rüge?

Mit freundlichen Grüßen
Iria Platonova

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Platonova,

vielen Dank für Ihre Frage.

Wenn der Antirassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen feststellen muss, dass in Deutschland Betroffene nicht ausreichend vor Rassismus geschützt sind, ist dies ein Spiegelbild für die verfehlte Politik gegen Antisemitismus, Antirassismus und Nazismus der Bundesregierung in Deutschland.

Antirassistische und antifaschistische Organisationen und Initiativen werden von der Familienministerium Schröder ausgegrenzt, Zuschüsse für antirassistische Initiativen gestrichen und die Arbeit von Menschen, die sich gegen Rassismus und Faschismus engagieren, systematisch behindert.

Ich bin dem Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB) ausdrücklich dankbar, dass er sich nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Volksverhetzung und Beleidigung gegen Herrn Sarrazin an den Antirassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen in Genf gewandt hat. Der Türkische Bund hatte gegen Herrn Sarrazin Klage wegen Rassismus erhoben, nachdem er in einem unerträglichen Interview in der Zeitschrift „Lettre“ Muslime rassistisch diskriminiert hatte.

Herr Sarrazin verkehrt ganz bewusst die gesellschaftlichen Realitäten in Deutschland. Er erklärt Muslime und sozial Benachteiligte zu Schuldigen und lenkt mit seinen sozialdarwinistisch orientierten Ansichten bewusst von den Folgen neoliberaler Politik ab. Durch den Sozialabbau der letzten 20 Jahre wurde Armut, Ausgrenzung und fehlende Chancengleichheit
per Gesetz zementiert.

Die Vorwürfe von Herrn Sarrazin gegen Betroffene des Sozialabbaus lenken bewusst von der verfehlten Politik der letzten Bundesregierungen ab. Das Argumentationsmuster von Herrn Sarrazin bietet Menschen mit sozialen Abstiegsängsten eine politische Projektionsfläche und ermuntert diesen Teil der Gesellschaft die Forderung nach einer zunehmenden „Ausgrenzung nach unten“ weiter zu forcieren. Damit betätigt sich Herr Sarrazin als „Türöffner“ für rassistische Positionen als Teil des Diskurses der gesellschaftlichen Mitte.

Leider ist Herr Sarrazin nur die Spitze des Eisberges. Betroffen macht mich die Tatsache, dass das Buch von Herrn Sarrazin, „Deutschland schafft sich ab“ zwischenzeitlich 1,35 Millionen Mal verkauft wurde. Das Buch stößt bei einem Teil der Bevölkerung leider auf Interesse. /N/ach dem Motto „Endlich spricht mal einer die Wahrheit aus“ oder „Solche Aussagen müssen doch durch Meinungsfreiheit abgedeckt sein“ verändern solche Positionen die grundlegenden politischen Diskussionen in der gesellschaftlichen Mitte.

DIE LINKE unterstützt die antirassistischen Initiativen und Verbände gegen diese rechtspopulistischen Angriffe von Leuten wie Herrn Sarrazin. Persönlich kann ich es in keiner Weise akzeptieren, dass die SPD Menschen wie Herrn Sarrazin weiter als Mitglied duldet und der Ausschlussantrag gegen Herrn Sarrazin von der SPD-Führung gestoppt wurde. Gerade aufgrund der Geschichte der SPD ist eine solche Haltung nicht verständlich.

Ich hoffe, dass die Diskussionen aufgrund der klaren Äußerungen des Antirassismus-Ausschusses der Vereinten Nationen dazu beitragen können, zu einer grundsätzlichen Veränderung der bisherigen Rechtspraxis beizutragen und in Zukunft solche rassistischen Äußerungen auch gerichtlich verfolgt werden können. Herr Sarrazin trägt mit seinen Äußerungen zu einer Zerstörung des gesellschaftlichen Miteinander bei. Dies darf nicht hingenommen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Annette Groh