Anna Deparnay-Grunenberg (2023) in Stuttgart
Anna Deparnay-Grunenberg
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Annett A. •

Frage an Anna Deparnay-Grunenberg von Annett A. bezüglich Wirtschaft

Liebe Anna, wie möchtest du das Thema Gemeinwohlökonomie auf europäischer Ebene voranbringen?

Anna Deparnay-Grunenberg (2023) in Stuttgart
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Eine Wirtschaft, die wirklich dem Menschen und der Gemeinschaft zugute kommt, verfolge ich bereits auf kommunaler Ebene als Vorsitzende der Fraktion von B90/Die Grünen im Stuttgarter Stadtrat und als Mitglied des städtischen Wirtschaftsausschusses. Danke also für die Frage! Ich habe beispielsweise die #Divest! Anlage-Richtlinie in der Verwaltung durchgesetzt. Nach dieser Richtlinie investiert die Stadt künftig weder in Kohle, Öl und Gas oder Produkte und Firmen, die sich Kinderarbeit bedienen oder mit der Rüstungsindustrie verbandelt sind. Das ist ein konkreter Ansatz.
Das Pilotprojekt „Gemeinwohlorientierung von Unternehmen“ in Stuttgart war ein weiterer Meilenstein meiner politischen Aktivitäten. Seit 2015 haben zahlreiche Privatunternehmen und auch weltweit erstmalig zwei große kommunale Eigenbetriebe in Stuttgart den anspruchsvollen Bilanzierungsprozess der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ-Bilanz) durchlaufen. Dabei mussten die Unternehmen nichts Geringeres herausfinden als Antworten auf die Frage: „Was bewirke ich als Unternehmen in der Welt?“. Al Europa-Abgeordnete möchte ich, dass die Politik die Rahmenbedingungen verändert und Anreizstrukturen für Unternehmen schafft, die sich bewußt für mehr Nachhaltigekit entscheiden und danach handeln
Meine Devise ist, Unternehmen sollen gefördert werden, in dem Maße wie sie sich meßbar zunehmend ökologischer, sozialer und ethischer verhalten. Gleichzeitig sollte sich die Öffentliche Hand selbst verpflichten ihre eigene Ziele nach den Leitlinien der SDGs (Nachhaltigkeitsziele der UN) oder Pariser Klimaschutz-Ziele zu verfolgen und konsequent Unternehmen mit hervorragendem “Ethic score” den Vorrang bei der Beschaffung oder Vergabe gewähren. Dazu muss die Vergabe Richtlinie im Europa Parlament mit der Methodik der Gemeinwohl- Bilanzierung ergänzt werden.
„Mit den richtigen Anreizen können Unternehmen zu realen Treibern der Nachhaltigkeit und des Gemeinwohls werden!“. Ein erster Schritt auf diesem Weg ist auch solche ethischen Bilanzen von Unternehmen zu fördern, so fördert beispielsweise die Stuttgarter Wirtschaftsförderung auch private Unternehmen, wenn sie eine GWÖ-Bilanz machen möchten. Auch die europäische Union könnte für diese Art der ethischen Bilanzierung aktiv werben. Nachdem das Unternehmen sich über die Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft bewusst wird und darüber, dass soziale und ökologische Kosten auch als tatsächliche Kosten zu betrachten sind, kann es konkrete weitere Handlungsschritte definieren. Dazu wirkt der partizipative Prozess der GWÖ-Bilanzierung im Unternehmen wie eine kollektive Suche nach „Sinn“ und fördert in hohem Maßen somit die Motivation, die Bindung und die Innovationskraft der Mitarbeitenden.
Ich möchte auf europäischer Ebene entsprechende Weichenstellungen vornehmen. Klar unterstütze ich auch den Green New Deal, den die europäischen Grünen in die Wege geleitet haben. Vorrangig ist eine Umlenkung des bereits bestehenden Investitionskapitals angestrebt, weg von fossilen Energien und Ressourcen intensiven Technologien und hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Auch in der europäischen Agrarpolitik (GAP) könnte der Ansatz der GWÖ helfen “öffentliches Geld für öffentliche Leistungen” demnach zu verteilen in Abhängigkeit wie der Boden, das Klima und die Artenvielfalt geschützt werden. Es gilt die grüne Transformation politisch zu organisieren. Die Einpreisung von ökologischen und sozialen Kosten muss vorangetrieben werden, genauso wie ein transparentes und leicht verständliches Labellingsystem (wie z.B. die GWÖ-Ampel und die GWÖ-Bilanz als QR-Code auf jedem Produkt), damit Konsumenten leichter entscheiden können, welche Firmen, Entscheidungen in den Lieferketten und Produkte sie mit ihrem Kauf unterstützen möchten. Ich möchte Verbraucherinnen und Verbraucher empowern anstatt zu bevormunden. Aktuell ist es recht schwierig ökologische, soziale und ethische Kriterien anzuwenden, da die Informationsgrundlage beim Kauf einfach zu gering ist.

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