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Frage von Carmen F. •

Frage an Angelika Graf von Carmen F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Hallo Fr. Graf,
Die Kriege im Kosovo, Irak, Afghanistan und Lybien haben dem deutschen Steuerzahler niedrig berechnet ca 50 Mrd Euro gekostet.
Nach den Kriegen im Kosovo und dem Irak wurde bekannt, das der Kriegsgrund auf Falschmeldungen und Lügen beruhte. Viele Lügen sind geklärt worden, wie z.B die Meldung des BND das man Beweise hätte, das Hussein Massenvernichtungswaffen baut und einsetzen möchte.
Hier wurden unter dem Vorwand des Schutzes von Menschenleben ein blutiger Regimewechsel erzwungen was neben gewaltigen Summen an Steuergeldern auch Millionen Menschenleben kostete.
Nun findet sich die Regierung schon wieder in der Situation, das Kriege gegen Syrien und den Iran geplant werden.
Angesichts der Erfahrung ,daß leichfertig auf falschen Annahmen entschieden wurde, sind Kriegseinsätze im Ausland ohne unmittelbare Bedrohung absolut zu vermeiden.

1. Wie möchten sie einer Arbeitslosen Alleinerzieherin erklären, das sie in Armut leben muss, da mit dem Geld in anderen Ländern ein kriegerischer Regimewechsel geführt wird.

Infolge der Euro-Krise kommen noch nicht absehbare Kosten hinzu.

2. Warum unterstützt ihre Partei die Lieferung und Schenkung von KampfU-Booten in ein Kriesengebiet und möchte im Gegenzug bei den Sozialleistungen der Steuerzahler sparen?

Aufgrund dessen, das amerikanische Kampfjets von Deutschland aus starten werden, setzen sie die Bevölkerung einem hohen Risiko für Leib und Leben aus,

3.Werden sie ihre Entscheidung bezüglich Kriegsfinanzierungen und Einsätzen angesichts der akuellen Informationslage zumindest diesesmal im Sinne und zum Schutz der Bürger treffen?

In Umfragen wurde ermittelt, das die Mehrheit der deutsche Bürger keinen Kriegseinsatz im Syrien und Iran wünschen, wie auch schon in den vorherigen Kriegen.

4. Darf eine demokratische Regierung in existenziellen Fragen, wie bei Kriegsbeteidigungen, massiver Verschuldung und Abgabe von Grundrechten immer wieder gegen die Mehrheit der Bürger entscheiden?

Frohe Ferien :)

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Fischer,

vielen Dank für Ihre Abgeordnetenwatch-E-Mail vom 21. Juni 2012. Ich verstehe Ihre Sorgen und erkläre Ihnen gerne die Problematik, die heutzutage viele Bürger beunruhigt.

*/1. Wie möchten sie einer Arbeitslosen Alleinerzieherin erklären, das sie in Armut leben muss, da mit dem Geld in anderen Ländern ein kriegerischer Regimewechsel geführt wird. Infolge der Euro-Krise kommen noch nicht absehbare Kosten hinzu./*

Zuerst würde ich mich gerne auf Ihren ersten Kritikpunkt konzentrieren - die Kriege kosten den deutschen Steuerzahler viel Geld. Zunächst einmal kann man hier nicht davon sprechen, dass Deutschland sich an Kriegen gegen andere Länder beteiligt. Richtig ist, dass die Bundeswehr im Ausland im Einsatz ist. Von Krieg spricht man dann, wenn ein Land ein anderes Land angreift, bzw. sich in die inneren Angelegenheiten des Landes mit militärischer Gewalt einmischt. Alle Einsätze der deutschen Bundeswehr hingegen sind im Rahmen der Vereinten Nationen und der NATO legitimiert. Das bedeutet, dass die Bundeswehr von diesen Organisationen beauftragt wurde, Kräfte in das Land zu entsenden. Da die Bundesrepublik Deutschland Mitglied dieser Bündnisse ist - was für unser Leben in Frieden von hoher Bedeutung ist - ist Deutschland verpflichtet der Aufforderung des UN-Sicherheitsrates oder des NATO-Rates nachzukommen (die sogenannte Beistandspflicht, Art. 43 UN-Charta). Die UN ist sozusagen die „Weltpolizei“.

All diese Einsätze haben also eine Rechtsgrundlage und ganz genau festgelegte Ziele, Handlungsbereiche und -grenzen. Sie sprechen davon, dass es in den von Ihnen genannten Ländern das Ziel sei, „blutige Regimewechsel zu erzwingen“. Hier muss ich Ihnen stark widersprechen. Ein Mandat der UN oder der NATO hat niemals zum Ziel, das politische Regime eines Landes zu ändern. Art. 2, Absatz 7 der UN-Charta spricht jedem Volk das Selbstbestimmungsrecht zu - darunter fällt auch die Wahl nach einem politischen, wirtschaftlichen und kulturellen System.

Alle Entscheidungen der UN oder der NATO, in einen Konflikt militärisch einzugreifen - und somit auch alle Einsätze in denen die deutsche Bundeswehr vor Ort ist - wurden gefällt, nachdem alle diplomatischen Mittel (Sanktionen, Abbruch diplomatischer Beziehungen, Gespräche, Verhandlungen, politischer Druck) erfolglos waren. Ich bin seit fast 20 Jahren im Ausschuss für Menschenrechte und habe zahlreiche solche Diskussionen mit verfolgt und debattiert. Ich kann Ihnen versichern, dass nach meinen Beobachtungen keine Entscheidung der Gremien leichtsinnig oder ohne ausreichende Kenntnis gefällt wurde.

Der Einsatz im Kosovo erfolgt auf der Grundlage der am 10. Juni 1999 vom UN-Sicherheitsrat verabschiedeten Resolution 1244. Ziel war es, den Abzug der jugoslawischen Truppen und die Entmilitarisierung des Kosovo zu überwachen. Vorausgegangen sind ethnische Säuberungen, also Massenhinrichtungen, Vergewaltigungen und Vertreibungen der kosovo-albanischen Bevölkerung in einem nicht-vorstellbaren Ausmaß. Die Bundeswehr ist auch zehn Jahre nach Waffenstillstand dort im Einsatz, um ein multi-ethnisches, friedliches, rechtstaatliches und demokratisches Umfeld im Kosovo aufzubauen und abzusichern. Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo 2008 und sein Bestreben in Richtung EU sind erste Früchte dieses Engagements.

Dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ging - das wissen Sie sicherlich - der Angriff der Taliban auf die USA am 11. September 2001 voraus. Die USA wurden von auf afghanischen Territorium operierenden Terroristen angegriffen. In einem solchen Fall ist es völkerrechtlich legitim, sich zu verteidigen - dies ist neben der oben genannten Möglichkeit, dass der UN-Sicherheitsrat einen militärischen Einsatz in einem Land beschließt (Kapitel 7 UN-Charta, besonders Art. 42 UN-Charta) - die einzige Ausnahme, in der das grundlegende Gewaltverbot (Art. 2, Absatz 4 UN-Charta) des verbindlichen Völkerrechts es erlaubt, Gewalt gegen einen anderen Staat anzuwenden (Selbstverteidigungsrecht, Art. 51 UN-Charta). Der angegriffene Staat, in diesem Falle die USA, hat das Recht, gemeinsam mit seinen Bündnispartnern, innerhalb eines gewissen Zeitraums, sich zu verteidigen. Der Gegenschlag unterliegt jedoch auch hohen völkerrechtlichen Hürden - er muss vor allem verhältnismäßig zu dem Angriff stehen.

Heute, mehr als zehn Jahre nach dem Beginn des Einsatzes in Afghanistan sind wir um zahlreiche Erfahrungen reicher. Und da gebe ich Ihnen Recht: Es sind in dieser Zeit zu viele Zivilisten ums Leben gekommen. Ich möchte die Situation in Afghanistan nicht schön reden - in meinen Reden und Stellungnahmen mache ich auch immer wieder deutlich, dass es vor Ort noch mehr zu tun gibt und die Situation vor Ort deutlich schlechter ist, als die Bundesregierung dies zuzugeben vermag - aber ich denke doch, dass die deutsche Bundeswehr im Rahmen der internationalen Einsatztruppe ISAF gute Arbeit geleistet hat. Wir konnten einen Weg für Friedensprozesse zwischen Zivilbevölkerung, Taliban und den internationalen Partnern konsolidieren. Wie Sie sicherlich wissen, sollen alle ausländischen Soldaten, die nicht zur Ausbildung der afghanischen Armee benötigt werden, 2014 aus Afghanistan abgezogen werden.

Sie sprechen weiter von einer deutschen Beteiligung im Irak und in Libyen. Hier kann ich Sie informieren, dass es in diesen Konflikten keine deutsche Beteiligung gab und gibt und dies aus guten Gründen. Der Angriff der USA gegen den Irak war völkerrechtlich - aus ganz unterschiedlichen Gründen, die ich an dieser Stelle aus Platzmangel nicht weiter ausführen möchte - nicht legitimiert und daher rechtlich nicht erlaubt. Schon allein deshalb - ganz abgesehen von politischen Gründen - kam eine Beteiligung natürlich nicht in Frage. Hingegen basieren die Luftschläge gegen das libysche Regime auf der UN-Resolution 1973. Allerdings hatte die deutsche Bundesregierung, vor allem Außenminister Westerwelle, Zweifel an der Effektivität dieser Maßnahmen. Die Bundesregierung befürchtete, dass ein solches Eingreifen eher zu einer Schwächung der demokratischen Bewegungen in der Region führen könnte, und negierte eine Beteiligung. Wie Sie sehen, wurden die Entscheidungen für oder gegen einen Bundeswehreinsatz weder „leichtfertig“ oder basierend auf „falschen Annahmen“ gefällt.

Sie sprechen weiter von geplanten „Kriegen“ - ich nehme an, Sie meinen hier Auslandseinsätze der Bundeswehr - gegen Syrien und den Iran. Sie haben Recht, dass die politische und menschenrechtliche Situation in beiden Ländern derzeit katastrophal ist. Im Menschenrechtsausschuss beschäftigen wir uns immer wieder eingehend mit diesen Thematiken. Ein Einsatz vor Ort ist jedoch weder geplant noch möglich. Denn wie ich oben erläutert habe, muss jeder Einsatz der Bündnispartner auf einer rechtlichen Basis fußen, welche sich aus der UN-Charta ergibt. Dass sich der UN-Sicherheitsrat für eine militärische Intervention in einem der beiden Länder ausspricht, halte ich gegenwärtig nicht für wahrscheinlich.

*/2. Werden sie ihre Entscheidung bezüglich Kriegsfinanzierungen und Einsätzen angesichts der aktuellen Informationslage zumindest dieses mal im Sinne und zum Schutz der Bürger treffen?/*

Wie ich erläutert habe, stehen Auslandseinsätze in diesen Ländern auf den oben genannten Gründen nicht bevor. Dennoch möchte ich auf Ihre Frage hinsichtlich Ihrer Bemerkung „Entscheidung im Sinne und zum Schutz der Bürger“ eingehen.

Ich gebe Ihnen Recht: Die Auslandseinsätze der Bundeswehr - und ich möchte an dieser Stelle noch einmal wiederholen, dass sie alle rechtlich Hand und Fuß haben und vom höchsten Gremium, dem UN-Sicherheitsrat, legitimiert wurden - finden in der Bevölkerung nur wenig Akzeptanz. Dies hat auch eine Umfrage des Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr 2010 bestätigt. Warum engagiert sich die Bundesrepublik dann überhaupt im Ausland, wenn doch die Bürger davon nicht begeistert sind?

Grundsätzlich möchte ich darauf hinweisen, dass eine Befriedung von Konflikten in anderen Ländern auch für die Sicherheitslage in Deutschland sehr wichtig ist. Denken Sie zum Beispiel daran, dass Terroristen in wirren Bürgerkriegssituation leichtes Spiel haben, die betroffenen Zivilbevölkerung für sich zu gewinnen oder ihre Operationsbasen zu vergrößern. Länder wie zum Beispiel Somalia sind die Brutstätte von radikalislamischen Gruppen, die auch in anderen Länder sehr aktiv sind. Hier geht es darum, präventiv zu wirken. Was passiert, wenn Terroristen und auch extremistisches Gedankengut einen Nährboden erhalten, erlebten wir in Europa oder dort wo wir Europäer gerne Urlaub machen: Am 11. September 2011 in New York, oder in London 2005, oder in Madrid 2004, oder in Jerba 2002, oder in Bali 2002 und 2005.

Oder denken Sie an Flüchtlingsströme, die Europa erreichen (wie zum Beispiel nach den Revolutionen in den nordafrikanischen Staaten), um hier ein neues Zuhause zu finden. Diese Menschen fliehen vor der Situation in ihren Herkunftsländern, vor „ethnischer Säuberung“ und Gewalt.

Es ist mir aber auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Bundesrepublik Deutschland eine Politik natürlich für die deutschen Staatsbürger macht, aber dennoch auch verantwortlich ist für das Wohle der Menschen auch in anderen Ländern, zum Beispiel dann wenn die dortige Regierung die fundamentalen Menschenrechte der dort lebenden Bevölkerung systematisch verletzt. Diese Verpflichtung sich dort zu engagieren („responsibilty to protect“) hat die Bundesrepublik aufgrund ihrer Einbindung in die internationalen Organisationen und natürlich aus moralischen Überlegungen heraus. Könnten Sie wegsehen und nichts tun, wenn ihr Nachbar systematisch gefoltert und misshandelt wird? Ich denke, das könnte niemand. So ähnlich ist es im internationalen Staatensystem. Sobald ein Staat gegen seine eigene Bevölkerung systematisch gewaltig vorgeht, und die Bevölkerung offensichtlich zu schwach ist, sich durch ihre eigenen Kräfte zu wehren, dann haben die anderen Staaten - so wie Sie als Nachbarin - die Pflicht, sich dem Wohle der dort lebenden Bevölkerung anzunehmen und ihre Menschenrechte zu schützen.

*/3. Warum unterstützt ihre Partei die Lieferung und Schenkung von Kampf-U-Booten in ein Krisengebiet und möchte im Gegenzug bei den Sozialleistungen der Steuerzahler sparen?/*

Ich möchte noch Bezug auf Ihre Äußerung nehmen, die SPD unterstütze die Lieferung und Schenkung von Kampf U-Booten in ein Krisengebiet. Ich gehe davon aus, dass Sie von der Lieferung von U-Booten an Israel sprechen. An dieser Stelle muss ich Ihnen deutlich widersprechen: Die SPD-Bundestagsfraktion hat die Waffenlieferung von deutschen U-Booten an Israel stark kritisiert und weitere Aufklärung verlangt. Außerdem verlangt die SPD-Fraktion, dass falls überhaupt solche Waffen oder U-Boote verkauft werden, es essentiell ist, die Menschenrechtslage sowie die sozio-ökonomischen Entwicklungen im Empfängerstaat zu berücksichtigen. Dabei sind wir auch der Meinung, dass der Handel mit Rüstungsgütern zukünftig transparenter gestalten sein muss, da die mangelnde Transparenz zu Gewalt, Gefährdung der Zivilbevölkerung und Menschenrechtsverletzungen führen kann.

Ich möchte zum Schluss noch einmal auf Ihre Eingangssorge eingehen: Dass die Auslandseinsätze sehr viel Geld kosten, das Sie und ich als Steuerzahlerinnen, aufbringen müssen. Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Doch lassen Sie mich die Überlegung anstellen, was passieren würde, wenn wir aus allen internationalen Organisationen und Verpflichtungen austreten würden und wenn dass alle anderen Staaten auch tun würden. Es sei daran erinnert: Die UN, genauso wie die EU oder die AU haben genau eines zum Ziel: Den Frieden zu sichern. Das ist das Hauptziel der UN, der alle Staaten angehörigen, festgeschrieben im allerersten Artikel der verbindlichen Charta!

Was würde passieren? Die Welt und ihre Staatengemeinschaft würde zurück verfallen in einen Zustand bevor es die UN oder die EU oder die Afrikanische Union gab. All diese Organisationen entstanden genau deshalb, um Kriege zu verhindern, die Völkergemeinschaft zu stärken, die Feindschaften in Freundschaften umzuwandeln. Wir alle wissen, was vor der Gründung der Vereinten Nationen und der EU in Europa und auf der ganzen Welt geschehen ist: Die Staaten führten Kriege des Kriegswillen wegen, der Gebietseroberung oder des Glaubens wegen. Europa war zersplittert in kleinteilige verfeindete Staaten. Von Sicherheit oder Menschenrechtsschutz keine Spur…

Daher ist die Gründung der UN, die sich die Sicherung des Weltfriedens zum Ziel gesetzt hat (und auch die Einhaltung des Friedens mit diplomatischen oder militärischen Maßnahmen) sowie der Beitritt Deutschlands der wichtigste Schritt in der Geschichte der Bundesrepublik.

*/4. Darf eine demokratische Regierung in existenziellen Fragen, wie bei Kriegsbeteiligungen, massiver Verschuldung und Abgabe von Grundrechten immer wieder gegen die Mehrheit der Bürger entscheiden?/*

Ich denke, den ersten Teil Ihrer letzten Frage (Auslandseinsätze gegen die Mehrheitsmeinung der Bürger) habe ich schon durch die anderen Antworten ausreichend beantwortet.

Grundsätzlich gilt, dass die Bundesregierung in Deutschland von den Wählerinnen und Wählern ein Mandat auf Zeit erhält. Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler entscheidet stets darüber, welche Parteien die Regierungsverantwortung übernehmen. Wenn die Wählerinnen und Wähler mehrheitlich mit dem Regierungskurs unzufrieden sind, können sie bei der nächsten Bundestagswahl andere Parteien und damit eine andere Regierung wählen.

Mit freundlichen Grüßen
Angelika Graf