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Frage von Konrad B. •

Frage an André Martens von Konrad B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Die Gesprächspsychotherapie ist ein seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland und in der ehemaligen DDR sowie auch international bewährtes Psychotherapieverfahren, das vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie in seinen Gutachten von 1999 und 2002 die wissenschaftliche Anerkennung erhielt, die die Grundlage für staatlich anerkannte Ausbil-dungsstätten bildete. De facto kann aber in Gesprächspsychotherapie nicht ausgebildet wer-den, da der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) 2008 (nach 6jähriger Prüfung) die sozial-rechtliche Anerkennung verweigerte.

Diese Situation veranlasste am 18./19. November 2010 die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) unter TOP 9.1. einen einstimmigen Beschluss zu fas-sen:

„Die AOLG bittet das BMG, auf den Gemeinsamen Bundesausschuss einzuwirken, dass er die Methoden der Gesprächspsychotherapie und der Systemischen Therapie - nach deren berufs-rechtlicher Anerkennung - für die vertragsärztliche Leistungserbringung zulässt.

Die AOLG erwartet vom BMG, dass bei der notwendigen Reform des Psychotherapeutenge-setzes zukünftig solche Diskrepanzen zwischen Vertrags- und Berufsrecht vermieden wer-den.“

Werden Sie sich dafür einsetzen - und wenn ja wie, dass die staatlich anerkannten Ausbil-dungsverfahren Gesprächspsychotherapie und Systemische Therapie sozialrechtlich zugelas-sen werden (Umsetzung des AOLG-Beschlusses), damit in ihnen auch ausgebildet werden kann und durch eine größere Verfahrensvielfalt das Angebot für Patienten verbessert werden kann?

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Zukunft nicht mehr über die Berufszulassung von Psychotherapeut/innen entscheidet, sondern sich –wie bei Ärzten auch – auf die Regelung der Berufsausübung beschränkt?

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Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Braun,

vielen Dank für die Frage.

Als Informatiker gehört das Gebiet Ihrer sehr speziellen Frage nicht gerade zu meinen Kernthemen, aber ich versuche mich dennoch mal an einer Antwort.

In dem von Ihnen geschilderten Fall haben wir es mit einer Diskrepanz zu tun, dass die Gesprächspsychotherapie zwar einerseits im Berufsrecht ein anerkanntes Verfahren ist, andererseits aber nicht als erstattungswürdig durch die Krankenkassen angesehen wird. Die Interessenverbände AOLG und G-BA sind sich hier leider nicht einig geworden.

Die Piratenpartei steht für eine evidenzbasierte Medizin. Das bedeutet aber auch, dass medizinische Verfahren ihre Wirksamkeit bewiesen haben müssen, damit sie von der Allgemeinheit bezahlt werden können. Insbesondere in diesem Zusammenhang fordert die AOLG etwas, was ich nicht unterstützen kann. Die AOLG bezeichnet diesen Grundsatz nämlich als innovationsfeindlich, weil er den Einsatz wissenschaftlicher Verfahren vor deren Anerkennung verbietet. Ein wissenschaftlicher Nachweis der Wirksamkeit und die daraus folgende Anerkennung sind aber meiner Ansicht nach notwendig, um ein Verfahren anwenden zu dürfen.

Ein einheitliches Approbationsverfahren für psychotherapeutische Heilbehandler würde es natürlich vereinfachen, diese Leistungen grundsätzlich anerkennen zu können. Hierfür müssen den Hochschulen aber entsprechende Gelder zur Verfügung gestellt werden, damit sie dies leisten können und nicht einfach vorhandene Studiengänge wie die klinische Psychologie umwidmen. Auch muss sichergestellt werden, dass die Strukturen flexibel genug bleiben. Eventuell sind die Studieninhalte nämlich zu heterogen, um sie über einen Kamm scheren zu können. Hier muss vor allem im Hinblick auf die Bologna-Reform darauf geachtet werden, dass international vergleichbare Standards angesetzt werden.

Sicher ist auf jeden Fall, dass klare Regeln festgelegt werden, damit sowohl Patienten als auch Psychotherapeuten genau wissen, was erstattungswürdig ist und was nicht. Als Betriebsrat habe ich öfter mit Vertretern von Krankenkassen zu tun, die eine Zunahme psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz beobachten. Hier gibt es also Handlungsbedarf.

Damit zu Ihrer ersten Frage: Verfahrensvielfalt ist dann sinnvoll, wenn es einen gemeinsamen Grundstock an notwendigen Kenntnissen gibt, der vergleichbar geprüft werden kann. Außerdem müssen diese Verfahren einer wissenschaftlichen Betrachtung standhalten und somit erst nach Anerkennung durch die Krankenkassen bezahlt werden. Ich gebe Ihnen also Recht, sofern diese Kriterien erfüllt sind.

Zu Ihrer zweiten Frage: Sollte das Ziel eines einheitlichen Approbationsverfahrens erreicht werden, wüsste ich nicht, warum Psychotherapeuten anders als derzeit die Ärzte behandelt werden sollten.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen zufriedenstellend beantworten.

Viele Grüße
André Martens