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Aminata Touré
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Frage von Clara S. •

Frage an Aminata Touré von Clara S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Touré,

zunächst mal bewundere ich Ihr Engagement außerhalb des Landtags und freue mich, dass Sie als junge Abgeordnete Politik machen.
Nun bezieht sich meine Frage eher auf Ihr Selbstverständnis als schwarze Abgeordnete. Es wird viel über die Relevanz von der politische Repräsentation von Minderheiten gesprochen. Offensichtlich sind ja schwarze Menschen in den Parlamenten unterrepräsentiert. Aber was bedeutet das für Sie? Warum halten Sie es für wichtig, dass es z.B. mehr schwarze Abgeordnete in deutschen Parlamenten geben sollte? Wie ändern sich realpolitische Enscheidungen dadurch?
Um es vielleicht noch etwas zugespitzter zu formulieren: was sind denn spezifischen Interessen schwarzer Menschen, also was verbindet z.B. Personen wie Sie, Charles Huber und Karamba Diaby über Parteigreznen hinaus in ihren politischen Positionen?
Das waren jetzt ein paar mehr Fragen, aber vielleicht finden Sie ja die Zeit für ein paar Antworten. Ich danke Ihnen schon einmal und wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft!

Liebe Grüße
C. S.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Liebe Frau S.,

vielen Dank für Ihre interessanten Fragen.

Sie sprechen hier ein sehr wichtiges Thema an, Repräsentation.

Zunächst zwei Aspekte:

Realpolitische Entscheidungen verändern sich nicht zwangsweise oder automatisch dadurch, dass eine bisher unterrepräsentierte Gruppe plötzlich stärker repräsentiert ist. Wenn das so wäre, dann müssten wir z.B. gleichstellungspolitisch inzwischen viel weiter sein, nachdem wir schon so lange eine Bundeskanzlerin haben. Faktisch haben wir es aber immer noch mit einem Gender Pay Gap von über 20 % zu tun und Frauen haben immer noch nicht das Recht, über ihren eigenen Körper zu bestimmen (Abtreibungsparagraf), um nur einige Beispiele zu nennen.

Außerdem gibt es nicht DIE spezifischen Interessen Schwarzer Menschen, da Schwarze Menschen, wie alle Menschen, eine diverse Gruppe mit unterschiedlichen Lebensrealitäten sind.

Ich verstehe jedoch, worauf Sie hinauswollen und möchte Ihnen dazu folgende Gedanken mitteilen.

Schwarze Menschen, die sich dafür entscheiden, politisch für die Interessen von Schwarzen Menschen zu kämpfen – sei es in Parteien, sei es in NGOs oder zivilgesellschaftlichen Initiativen – eint zum einen das Interesse, strukturell gegen Rassismus kämpfen zu wollen.

Nicht jede Schwarze Person hat im Umkehrschluss jedoch Antirassismuspolitik als Schwerpunkt. Genau wie jede weiße Person, hat auch eine Schwarze Person das Recht, Finanz- oder Gesundheitspolitik machen zu wollen.

Zweitens eint uns das Interesse, dass Schwarze Menschen besser in unseren Parlamenten repräsentiert werden.

Warum ist das so?

Mich persönlich hat es immer wütend gemacht, die Nachrichten einzuschalten und nie jemanden über Migration sprechen zu sehen, die/der weiß, was es bedeutet, davon betroffen zu sein. Es wird immer nur über uns, aber nie mit uns gesprochen.

Ich möchte, dass sich daran etwas ändert und ich merke, dass es vielen anderen Menschen auch so geht. Mir schreiben fast täglich Menschen, dass sie sich meinetwegen das erste Mal in der Politik repräsentiert fühlen. Dass sie wieder Vertrauen in die Politik fassen. Nicht nur Schwarze Menschen, auch People of Color, Frauen und junge Menschen.

Was macht das mit Menschen? Es schafft positive Selbstbilder. Schwarze Menschen werden (medial) oftmals nur in negativen Kontexten dargestellt, z.B. als „bedrohliche Flüchtlingswelle“ oder als versklavte Menschen. Es fehlt oftmals an positiven Bildern, Vorbildern, an denen man sich orientieren kann.

Es macht außerdem, dass sie sich vielleicht irgendwann auch selbst trauen, in die Politik zu gehen. Und das ist wichtig. Wenn wir in unseren Parlamenten keine oder kaum Menschen haben, die Rassismuserfahrungen machen, dann ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Parlament auch keine Maßnahmen gegen Rassismus entwickelt. Wenn man nicht selbst von einem Problem betroffen ist, dann erkennt man oftmals nicht die Relevanz eines Problems und setzt es entsprechend auch nicht auf die Tagesordnung.

Ich habe deshalb mit meinen Grünen Kolleg*innen dafür gekämpft, dass es in Schleswig-Holstein einen Landesaktionsplan gegen Rassismus gibt. In einem zweijährigen Prozess erarbeiten gerade alle Ministerien Maßnahmen, um Rassismus strukturell in Schleswig-Holstein zu bekämpfen. Gemeinsam mit meinen Grünen Kolleg*innen aus ganz Deutschland Filiz Polat, Berivan Aymaz und Belit Onay habe ich außerdem ein Forderungspapier entwickelt, in dem wir gesamtgesellschaftliche Ansätze zur Bekämpfung von Rassismus fordern: "Das Versprechen einer pluralen Demokratie einlösen – Rassismus erkennen und Demokratie fördern".

Nicht zuletzt, sondern ganz grundsätzlich: Unsere Parlamente sollten Abbilder unserer Gesellschaft sein. Schwarze Menschen sind ein Teil der deutschen Gesellschaft und deshalb gehören auch wir in die Parlamente.

Ich bin sehr froh, dass wir Grüne in dieser Hinsicht gerade aktiv werden und uns mit der AG Vielfalt auf den Weg machen, unsere Partei programmatisch und personell vielfältiger aufzustellen.

Mit freundlichen Grüßen

Aminata Touré