Keine Auskunft ohne Gesetzesänderung: Kanzler und Minister:innen verweigern Transparenz beim Aktienbesitz

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Hamburg/Berlin, 18. Juni 2025 – Mit ihren politischen Entscheidungen können sie Börsenkurse bewegen – ob sie selbst davon profitieren könnten, bleibt im Dunkeln: Auf eine Anfrage von abgeordnetenwatch.de zu Unternehmensbeteiligungen verweigerten der Bundeskanzler und sämtliche Minister:innen der Bundesregierung die Auskunft. Lediglich eine Ministerin machte eine freiwillige Angabe. Die Recherche zeigt: Ohne klare Transparenzregeln bleiben mögliche Interessenkonflikte verborgen – zulasten des öffentlichen Vertrauens.

„Keine Beteiligungen über fünf Prozent“, „keine Anteile, die zu Interessenkonflikten führen könnten“ – die Absagen der Ministerien ähneln sich nicht nur im Wortlaut, sondern auch in der Haltung: Auskünfte über den Besitz von Aktien oder Unternehmensanteilen werden verweigert. Möglich macht dies ein gravierender Mangel im deutschen Recht: Regierungsmitglieder sind derzeit nicht verpflichtet, Unternehmensbeteiligungen offenzulegen – es sei denn, sie überschreiten als Bundestagsabgeordnete die Schwelle von fünf Prozent an einem Unternehmen.

Beispiel Merz: Millionenaktien – keine Offenlegungspflicht

Wie unzureichend diese Schwelle ist, zeigt ausgerechnet der Fall von Bundeskanzler Friedrich Merz: 2019 hielt er Aktien des Zugherstellers Stadler Rail im Wert von rund 5,7 Millionen Euro – ein Anteil von nur 0,15 Prozent am Unternehmen. Nach den heutigen Offenlegungsregeln müsste ein solcher Besitz nicht angegeben werden. Ob Merz die Anteile noch hält, lässt das Kanzleramt offen: „Der Bundeskanzler hat vor Amtsantritt sichergestellt, dass Konflikte mit seinen Aufgaben als Regierungschef ausgeschlossen sind“, heißt es in der Antwort – weitere Angaben verweigert man mit Verweis auf seine privaten Vermögensverhältnisse.

Nur eine Ministerin wird konkret

Die einzige Ausnahme neben Katherina Reiche, die ihre Beteiligung bereits Anfang Juni auf öffentlichen Druck hin offenlegte: Bauministerin Verena Hubertz (SPD) machte freiwillig konkrete Angaben und erklärte, sie sei „noch geschäftsführende Gesellschafterin der Hubertz Beteiligungen GmbH, die geringfügige Anteile einiger weniger Unternehmen hält“. Alle anderen Minister:innen blieben vage oder verwiesen pauschal auf die Bundestagsregeln – die allerdings für Regierungsmitglieder mit Bundestagsmandat gelten und ohnehin nur Beteiligungen ab fünf Prozent erfassen.

Schweigen zu strengeren Transparenzregeln
Auf die Frage, wie die Mitglieder der Bundesregierung zu strengeren Transparenzpflichten stehen, antwortete keines der Ministerien konkret. Dabei zeigen internationale Beispiele, dass es auch anders geht: In Frankreich, Großbritannien und den USA müssen Regierungsmitglieder – teils inklusive ihrer Partner:innen – Aktienbesitz offenlegen. So etwa in Frankreich, wo die Transparenzbehörde vergangene Woche die Erklärungen der Regierungsmitglieder zu ihren Vermögensverhältnissen öffentlich gemacht hat. 

Abgeordnetenwatch.de fordert gesetzliche Offenlegungspflichten
„Dass die Bundesregierung nicht bereit ist, freiwillig für Transparenz zu sorgen, ist ein falsches Signal“, sagt Sarah Schönewolf, Sprecherin von abgeordnetenwatch.de. „Wer politische Entscheidungen trifft, die den Wert von Unternehmen beeinflussen, muss offenlegen, ob dabei eigene finanzielle Interessen im Spiel sein könnten. Ohne gesetzliche Pflicht bleibt Transparenz reine Auslegungssache – und das gefährdet das Vertrauen in die Politik.“