- Jetzige Verschärfung ist nicht ausreichend. Kontakttransparenz als zentraler Hebel für vollständige Transparenz fehlt.
Kompromisslösung bleibt hinter Standards anderer Länder zurück.
Unabhängige Prüfinstanz fehlt weiterhin.
Hamburg/Berlin, 18. Oktober 2023 - Am Donnerstagabend wird der Bundestag aller Voraussicht nach in zweiter Lesung die von den Ampelfraktionen angestrebte Änderung des Lobbyregistergesetzes beschließen. abgeordnetenwatch.de sieht in diesem Gesetz eine verpasste Chance zur Schaffung von Vertrauen in die Politik.
Obwohl der 58-seitige Änderungsantrag der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP auf den ersten Blick eine deutliche Verbesserung zu bieten scheint, bleiben die nun angestrebten Transparenzstandards hinter den Erwartungen von abgeordnetenwatch.de zurück. Lisa Böhm, Campaignerin bei abgeordnetenwatch.de, erklärt: "Die Änderungen erfüllen zwar das Mindestmaß an Transparenz, aber die Ampel traut sich nicht, Lobbyismus für Bürger:innen vollständig sichtbar zu machen. Ihr fehlt es an einem gemeinsamen aktiven Gestaltungswillen".
„Die Öffentlichkeit erfährt weiterhin nicht, welche Lobbyvertreter:innen sich wann mit welchen Abgeordneten treffen. Ohne diese sogenannte Kontakttransparenz kommen Lobbytreffen nur ans Licht, wenn die Opposition die Regierung danach fragt oder wenn sie aufgedeckt werden. In anderen Ländern wie Kanada, den USA und auf EU-Ebene ist diese Offenlegung längst üblich“, so Böhm.
Unabhängige Kontrollinstanz fehlt
abgeordnetenwatch.de kritisiert außerdem, dass die Koalition nicht in der Lage war, die im Koalitionsvertrag festgehaltene Vereinbarung umzusetzen, die eine Offenlegung der Kontakte von Lobbyist:innen zu Referent:innen in den Ministerien vorsah. Dies ist besonders problematisch, da ein erheblicher Teil der Gesetzgebung auf dieser Ebene stattfindet: Gesetzesentwürfe werden auch als Referent:innenentwürfe bezeichnet. Zudem bleibt unklar, wie die Einträge im Lobbyregister überprüft werden sollen.
abgeordnetenwatch.de plädiert hier für die Einführung einer unabhängigen Kontrollinstanz, ähnlich der französischen hohen Behörde für die Transparenz des öffentlichen Lebens, die die Eintragungen überprüft und sanktioniert. Eine solche Stelle hätte auch den unerlaubten Lobbyaktivitäten des ehemaligen CSU-Verkehrsministers Peter Ramsauer nachgehen können, die erst diese Woche durch eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Pascal Meier (https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-10/peter-ramsauer-csu-lobbyismus-bundestag-ghorfa) bekannt wurden.
Nicht zu leistende Holschuld der Bürger:innen
Eine weitere fragwürdige Regelung betrifft die Veröffentlichung von grundlegenden Stellungnahmen und Gutachten von Lobbyist:innen. Diese müssen zwar veröffentlicht werden, dürfen aber im Lobbyregister fehlen und stattdessen auf den Websites der Ministerien veröffentlicht werden. Böhm: „Dies belastet die Bürger:innen mit einer unzumutbaren Recherche- und Holschuld, die nicht zur gewünschten Transparenz und dem Vertrauen in die Demokratie führen wird.“
Das Inkrafttreten der geplanten Änderungen wird vom 1. Januar 2024 auf den 1. März 2024 verschoben, da die technischen Änderungen nach Angaben der Bundesregierung nicht schneller adäquat umgesetzt werden können.
Die Stellungnahme von abgeordnetenwatch.de zur Anhörung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur Reform des Lobbyregisters vom September 2023 finden Sie hier: https://www.abgeordnetenwatch.de/sites/default/files/media/documents/2023-09/abgeordnetenwatchstellungnahmeaenderungenlobbyregister23.pdf
Unsere Pressemitteilung im Vorfeld der Anhörung finden Sie hier: