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Zu lasche Transparenzregeln: Deutschland vor erneuter Rüge durch Korruptionswächter

Seit 2009 wird Deutschland regelmäßig von den Korruptionswächtern des Europarates getadelt - zu lasch seien hierzulande u.a. die Transparenzregeln für Parteispenden. Und schon bald wird es den nächsten blauen Brief aus Straßburg geben, denn die Regierungsparteien haben sich wieder einmal den angemahnten Reformen verweigert. Gegenüber abgeordnetenwatch.de schiebt die SPD ihrem Koalitionspartner den schwarzen Peter zu. Doch die Union will das Thema auch weiterhin aussitzen.  

von Marthe Ruddat, 20.04.2016

Vor sieben Jahren bekam es Deutschland erstmals schwarz auf weiß: Die hiesigen Transparenzregeln bei der Parteienfinanzierung sind in vielen Fällen vollkommen unzureichend. So steht es in dem 2009 vorgelegten Evaluierungsbericht der Staatengruppe des Europarates GRECO (Group of States against corruption). In dem damaligen Bericht werden neben den konkreten Versäumnissen auch zehn konkrete Handlungsempfehlungen aufgeführt, wie sich die Transparenzlücken schließen ließen.

Nach Informationen von abgeordnetenwatch.de wird GRECO in den nächsten Wochen ihren vierten vorläufigen Umsetzungsbericht zu Deutschland vorlegen. Die darin aufgeführte Mängelliste wird dann noch immer recht lang sein. Konkret dürften die Prüfer des Europarates die fehlende Umsetzung in den folgenden Bereichen kritisieren:

  • eine frühzeitige Veröffentlichung der Rechenschaftsberichte der Parteien, in denen u.a. ihre Parteispenden aufgeführt sind (derzeit erfolgt die Veröffentlichung mehr als ein Jahr nach Ende des Rechnungsjahres),
  • die Senkung der Grenze, ab der Parteispenden unverzüglich veröffentlicht werden müssen (liegt derzeit 50.000 Euro) sowie ein Verbot von anonymen Spenden (sind derzeit bis 500 Euro erlaubt),
  • eine Rechenschafts- und Offenlegungspflicht für direkte Spenden an Kandidaten und Abgeordnete analog zu den der Parteien,
  • eine angemessene Bestrafung bei Verstößen gegen die geltenden Offenlegungspflichten bei Parteispenden,
  • die Sicherstellung, dass die Rechenschaftsberichte der Parteien von einer vollständig unabhängigen Instanz geprüft werden (bislang tut dies der Bundestagspräsident, der immer auch Mitglied einer zu prüfenden Partei ist),
  • eine strikte gesetzmäßige Trennung zwischen der Finanzierung von Parteien einerseits und von parteinahen Stiftungen und Fraktionen andererseits,
  • eine Stärkung der Unabhängigkeit von externen Wirtschaftsprüfern, die im Auftrag der Parteien deren  Rechenschaftsberichte testieren (sind den Parteien oftmals seit vielen Jahren verbunden).

Vor einigen Monaten hat die Bundesregierung ihren jüngsten Umsetzungsbericht an GRECO übermittelt und dieser dürfte die Prüfer wieder einmal nicht zufriedenstellen. Der Grund: Die Koalitionsfraktionen haben auch seit der letzten GRECO-Rüge im Jahr 2014 keine Initiative gezeigt, die angemahnten Veränderungen vorzunehmen. Mehrere Gesetzentwürfe, die Grüne und Linke zur Offenlegung von Sponsoringeinnahmen und der Herabsetzung von Veröffentlichungsgrenzen von Parteispenden einbrachten, wurden abgelehnt. Mit der eigenen Parlamentsmehrheit beschlossen Union und SPD Ende 2015 zwar eine Reform des Parteiengesetzes, doch die Kernkritik der GRECO blieb dabei unberücksichtigt.

Gegenüber abgeordnetenwatch.de wollte die CDU/CSU trotz der wiederholten GRECO-Schelte keinerlei Handlungsbedarf erkennen. Ihr ist das Thema augenscheinlich lästig. Auf eine erste Anfrage reagierte der Parlamentarische Geschäftsführer Bernhard Kaster, indem er zu einem vollkommen anderen Sachverhalt antwortete. Auf Nachfrage erhielten wir lediglich Verweise auf öffentlich zugängliche Berichte über die Änderung des Parteiengesetzes. Konkrete Antworten zu der Frage, warum die Union gegen schärfere Transparenzregeln ist: Fehlanzeige.

Bei der SPD schiebt man dem Koalitionspartner den schwarzen Peter zu. "Als SPD-Bundestagsfraktion hätten wir uns durchaus ein Mehr an Transparenz vorstellen können. Als Koalitionspartner können wir in dieser Legislatur indessen nur realisieren, was mit der CDU/CSU zu vereinbaren war, weshalb sich das Gesetz auf die getroffene Modifikation beschränken musste", schrieb Christine Lambrecht, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD.

Selbst die Rufe des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, der in seinen Prüfberichten zu den Parteifinanzen immer wieder die Umsetzung der von GRECO geforderten Reformen anmahnt, blieben bislang ohne Wirkung.

Und so wird GRECO in ihrem demnächst erscheinenden Umsetzungsbericht wohl erneut "starke Bedenken wegen der sehr begrenzten Aufmerksamkeit, die einige Empfehlungen zu Fragen von hoher Wichtigkeit erfahren haben" äußern - und die Regierungskoalition wird diese Rüge erneut ignorieren.

abgeordnetenwatch.de fordert den Bundestag auf, insbesondere die folgenden Punkte endlich zu beschließen:

  • Parteispenden bereits ab 10.000 Euro unverzüglich im Internet zu veröffentlichen und nicht erst ab 50.000 Euro.
  • Parteispenden von Unternehmen wie in Frankreich oder Spanien komplett zu verbieten. Unterschreiben Sie hier unsere Petition "Lobbyistenspenden an Parteien verbieten".

 

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