Deutsche Großkonzerne gaben über 40 Mio. Euro für Lobbyismus aus – allein in den USA

Um ihre Interessen durchzusetzen, investieren Deutschlands Unternehmen nach abgeordnetenwatch.de-Recherchen weltweit hohe Summen in die Lobbyarbeit. Allein die Telekom gab vergangenes Jahr mehr als 10 Mio. Euro aus – in den USA. In Deutschland dagegen bleiben die Lobbybudgets vor der Öffentlichkeit verborgen. Das könnte sich bald ändern.

von Torben Dzillak, 01.02.2018

Es braucht nur wenige Klicks und man erfährt, welche Summen Deutschlands Großunternehmen für ihre Lobbyarbeit aufwenden. SAP: 4,3 Mio. Euro. Bayer: 9,3 Mio. Euro. Die Telekom: 10 Mio. Euro.

Das sind Lobbyausgaben, die die Unternehmen 2017 allein in den USA hatten. Diese auf eigenen Angaben der Unternehmen beruhenden Zahlen sind jedoch lediglich Mindestwerte, berücksichtigt man alle Tochterunternehmen sowie Mehrheitsbeteiligungen, dürften die Ausgaben noch höher sein. Unter dem Strich, so zeigen abgeordnetenwatch.de-Recherchen, haben alle 30 DAX-Unternehmen vergangenes Jahr umgerechnet über 40 Mio. Euro für ihre Lobbytätigkeiten aufgewendet (eine Übersicht aller Zahlen am Ende des Artikels).

Auch für die EU-Ebene existieren konkrete Zahlen. Mindestens 31,8 Mio. Euro investierten die DAX-Unternehmen im Jahr 2016 für ihre Lobbyaktivitäten (Zahlen für das Jahr 2017 wurden noch nicht veröffentlicht). Diese Zahlen lassen sich im bereits 1995 verpflichtend eingeführten US-Lobbyregister und im freiwilligen Transparenzregister der EU einsehen.

Und in Deutschland? Mit welchen Summen Unternehmen hierzulande Lobbyarbeit betreiben, ist nirgends aufgeführt. Bislang existiert kein Lobbyregister, vor allem CDU/CSU und die FDP haben es lange Zeit mit Vehemenz verhindert. Doch nun ist Bewegung in die Sache gekommen.

Im Zuge der Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen gaben die einstigen Transparenzblockierer ihren jahrelangen Widerstand gegen ein Lobbyregister überraschend auf. Zum ersten Mal bekannten sich Union und FDP im November zu einem öffentlichen und verbindlichen Transparenzregister. Jamaika ist inzwischen Geschichte, die Zeichen stehen nun auf Große Koalition. Wenig war dort bislang zu einem Lobbyregister zu hören. Dass es im 28 seitigen Sondierungspapier mit keinem Wort auftaucht, ließ nur einen Schluss zu: Der SPD war das Thema nicht so wichtig, dass sie in den Sondierungen auf die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters drängte.

Doch vom Tisch ist das Thema keineswegs. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und GroKo-Verhandler Ulrich Kelber antwortete auf unsere Twitter-Anfrage, ob seine Partei ein verpflichtendes Lobbyregister in die Koalitionsverhandlungen einbringen werde: „Aber natürlich, steht auf SPD-Liste, die wir C/C übermittelt haben.“ (C/C = CDU/CSU)

Die Frage ist, auf welche Maßnahmen sich Union und SPD verständigen können. Damit ein Lobbyregister wirksam ist, halten wir folgende Punkte für dringend erforderlich:

  • Lobbyisten müssen sich in ein öffentliches Register eintragen und folgende Angaben machen:
  • Budget, Anzahl der Mitarbeiter und Kontaktdaten mitteilen
  • Verantwortliche Akteure benennen
  • Offenlegen, auf welche Vorgänge Einfluss genommen werden soll, zum Beispiel Gesetzesvorhaben
  • Angeben, welche Entscheidungsträgerinnen und –träger kontaktiert worden sind und die jeweiligen Zeitpunkte veröffentlichen.
  • Fehlverhalten wird sanktioniert
Petitionsübergabe Lobbyregister an Ulrich Kelber SPD am 30.1.2018 in Berlin

 

Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, haben wir vor Kurzem unsere Petition für ein Lobbyregister mit 220.467 Unterschriften symbolisch an Ulrich Kelber übergeben. Heute (01.02) geht es bei den GroKo-Verhandlungen dann u.a. um die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters. Dass CDU und CSU plötzlich einen vollständigen Rückzieher machen werden, ist kaum vorstellbar.

Und so könnten bald auch in Deutschland die Lobbybudgets der Unternehmen (und weitere relevante Angaben) öffentlich werden.

 

 

 

 

Mitarbeit: Martin Reyher


Foto: Jonn Rübcke - Fotolia

 

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