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Keine Komplettveröffentlichung aller Nebeneinkünfte: Rot-Grün in NRW macht Rückzieher (Update)

Eine Veröffentlichung aller Nebeneinkünfte auf Euro und Cent - und keine Ausnahmen für Rechtsanwälte und andere Freiberufler: Noch im Januar hatten SPD und Grüne in NRW vollständige Transparenz versprochen. Davon ist nun keine Rede mehr.

von Martin Reyher, 15.05.2014

 

Die Juristen hatten grünes Licht gegeben, nun sollte alles ganz schnell gehen. "Es gibt keine rechtlichen Hindernisse, alle Nebenverdienste nach Euro und Cent offenzulegen", erklärte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im NRW-Landtag Sigrid Beer Mitte Januar. "Die Frage der Nebeneinkünfte steht jetzt ganz oben auf der Liste. Wir werden einen entsprechenden Gesetzesentwurf im ersten Quartal 2014 ins Parlament bringen." Selbst für Rechtsanwälte und andere Freiberufler sollte es nach den rot-grünen Transparenzplänen keinen Sonderstatus geben, anders als zum Beispiel im Bundestag.

Inzwischen ist es Mitte Mai - aber ein Gesetzesentwurf liegt noch immer nicht auf dem Tisch. Zumindest keiner von SPD und Grüne.

Dass das Thema Veröffentlichung von Nebeneinkünften dennoch heute im Düsseldorfer Landtag behandelt wurde, liegt an den Piraten, die nun ihrerseits einen Gesetzentwurf eingebracht haben. Darin fordern sie "eine konsequent transparente Offenlegung der Einkünfte" - also im Kern das, was sich SPD und Grüne eigentlich für ihren Antrag vorgenommen hatten: Eine Komplettveröffentlichung aller Nebeneinkünfte auf Euro und Cent mit nur sehr wenigen Ausnahmen; Rechtsanwälte und andere Freiberufler sollen mindestens die Branche ihrer Mandanten und Auftraggeber veröffentlichen müssen.

Dass SPD und Grüne von dem Piraten-Antrag nicht sehr viel halten, liegt nicht alleine daran, das sie ihn für "handwerklich miserabel" halten. Vielmehr hat die rot-grüne Koalition von ihren ursprünglichen Plänen einer Komplettveröffentlichung aller Nebeneinkünfte inzwischen Abstand genommen. In einem als Reaktion auf die Piraten eingebrachten Entschließungsantrag, also einer Art Absichtserklärung, ist nur noch die Rede davon, dass bestimmte Nebentätigkeiten cent-genau veröffentlicht werden sollen.

  • Lediglich bei "außerordentlichen Tätigkeiten" wie  z.B. Honorarvorträgen, publizistischen Tätigkeiten oder der Mitgliedschaft in einem Vorstand oder Aufsichtsrat sollen Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte komplett offenlegen.
  • Wer dagegen neben seinem Mandat als Rechtsanwalt tätig ist oder als Funktionär eines Lobbyverbandes regelmäßige Einkünfte bezieht, wird von der Pflicht zur vollständigen Veröffentlichung ausgenommen. In diesem Fall muss ein Abgeordneter keine konkreten Summen nennen, sondern Angaben zur Höhe in einem "eng gestaffelten Stufenmodell" machen.

Auch wenn die einzelnen Verdienststufen im NRW-Landtag engmaschiger als im Bundestag sein sollen und nach oben hin unbegrenzt: Ein Stufensystem sorgt nie für Klarheit, sondern verkompliziert die Sache vielmehr. Wenn Landtagsabgeordnete künftig auf der Parlamentshomepage zu ihren Nebeneinkünfte erklären, sie kassierten als Rechtsanwalt einen Jahresgewinn der "Stufe 22", müssen Bürgerinnen und Bürger erst einmal recherchieren, welche Summen sich hinter einer solchen Stufenangabe eigentlich verbergen.

Das Ausklammern insbesondere der Freiberufler von den strikten Transparenzpflichten dürfte vor allem im Sinne der Oppositionsparteien CDU und FDP sein, mit denen sich die rot-grüne Koalition auf einen gemeinsamen Antrag einigen möchte. Ab dem 1. Januar 2015 sollen im NRW-Landtag die neue Transparenzregeln gelten. Bislang müssen die Einkünfte zwar der Landtagspräsidentin gemeldet, aber nur in Ausnahmefällen veröffentlicht werden.

Dass Abgeordnete künftig "alle Nebenverdienste nach Euro und Cent" offenzulegen haben, wie von SPD und Grünen Anfang des Jahres öffentlichwirksam versprochen, ist weitgehend ausgeschlossen. Immerhin: Die Landtagsabgeordneten der Grünen und der Piraten veröffentlichen die exakte Höhe ihrer Nebeneinkünfte schon jetzt - ganz ohne gesetzliche Pflicht.


Update 25.6.2014:
Wie der WDR berichtet, haben sich SPD, Grüne, CDU und FDP auf einen Kompromiss zur Veröffentlichung von Nebeneinkünften geeinigt. Dieser sieht u.a. das oben erwähnte Mischsystem vor, bei dem zwischen "außerordentlichen Tätigkeiten" und nebenberuflichen Tätigkeiten unterschieden wird. Bei ersterem (u.a. Aufsichtsratsposten, Honoravorträge) müssen Abgeordnete ihre Einkünfte auf Euro und Cent veröffentlichen, sofern diese 536 Euro im Monat oder 6.432 Euro im Jahr übersteigen (entspricht fünf Prozent der Abgeordnetenbezüge). Im Fall einer nebenberuflichen Tätigkeit (z.B. Rechtsanwälte, Ärzte) müssen die Brutto-Einkünfte in einem Stufensystem angegeben werden, beginnend bei bis zu 1.000 Euro. Weitere Stufen sind: bis 2.500 Euro, 5.000 Euro, 10.000 Euro, 20.000 Euro, 40.000 Euro, 60.000 Euro. Anders als im Bundestag sollen die Stufen nicht nach oben offen sein, sondern werden in Schritten von jeweils 30.000 Euro fortgesetzt. Für Anwälte und Ärzte soll es ferner einen Mandanten- bzw. Patientenschutz geben: Honorare über 2.000 Euro müssen zwar veröffentlicht werden, nicht aber die Namen der Mandanten oder Patienten.

Außerdem wurde festgelegt, dass Verwandte bis zum dritten Verwandtschaftsgrad (z.B. Nichten, Neffen, Tanten oder Onkel) nicht von den Abgeordneten beschäftigt werden dürfen.

Den Piraten geht der Kompromiss der übrigen Fraktionen nicht weit genug. Die neuen Transparenzregeln sollen Anfang 2015 in Kraft treten.


Foto: grimneko/flickr/CC BY-NC-SA 2.0

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