11.006 Euro brutto erhält ein NRW-Landtagsabgeordneter jeden Monat an Diäten und Altersvorsorge, doch bei einigen Volksvertretern ist das noch nicht alles: Sie bekommen darüber hinaus noch Bonuszahlungen, die in Einzelfällen so hoch wie eine Monatsdiät ausfallen. Dies ergibt sich aus einer abgeordnetenwatch.de-Umfrage unter Parlamentarierinnen und Parlamentariern im NRW-Landtag.
Dutzende Landtagsabgeordnete kassieren sogenannte Funktionszulagen, weil sie Aufgaben innerhalb ihrer Fraktion wahrnehmen. Meist sind es die Parlamentarischen GeschäftsführerInnen, Fraktionsvorsitzenden und Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, die monatlich teilweise mehrere tausend Euro zusätzlich zu ihren Diäten erhalten. Begründet werden die Zulagen, die aus den Fraktionsetats und damit aus Steuermitteln stammen, mit dem zeitlichen Mehraufwand für die Wahrnehmung zusätzlicher Tätigkeiten in den Fraktionen. Die Höhe der Zahlungen wird durch die jeweilige Fraktion selbst bestimmt, eine Offenlegungspflicht für die Abgeordneten gibt es nicht.
Doch die Zulagen, die auch in anderen Bundesländern und im Bundestag gezahlt werden, sind rechtlich äußerst fragwürdig. Renommierte Verfassungsrechtler wie Hans-Herbert von Arnim und mehrere Rechnungshöfe halten sie in den meisten Fällen für verfassungswidrig. Sogar das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Frage bereits geurteilt - demnach waren die Funktionszulagen in Thüringen mit der Verfassung nicht vereinbar.
Wir haben den Gastbeitrag des Journalisten Johannes Nitschmann zu den umstrittenen Boni in unserem Blog zum Anlass genommen, um bei den NRW-Landtagsabgeordneten nachzufragen, wie hoch ihre Funktionszulagen sind und ob sie diese veröffentlichen. Von den 31 Abgeordneten, die eine Funktionen als Parlamentarische/r GeschäftsführerIn, Fraktionsvorsitzende/r und Stellvertretende/r Fraktionsvorsitzende/r ausüben, haben uns bislang 26 geantwortet.
Die Ergebnisse unterscheiden sich von Fraktion zu Fraktion teils stark. Während die Grünen ihre Funktionszulagen in Höhe von insgesamt 5.200 Euro im Monat aktiv auf der Fraktionsseite veröffentlichen, hält sich die CDU bedeckt. Nur der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Josef Hovenjürgen hat uns die Höhe seiner Zulagen mitgeteilt (ca 2.200 Euro), die er auch auf seiner Homepage veröffentlicht. Auskunftsfreudiger waren die befragten SPD-Abgeordneten. Aus ihren Antworten ergibt sich, dass an die Mitglieder der Fraktionsspitze insgesamt rund 34.000 Euro pro Monat an Zulagen ausgezahlt werden, wobei der Fraktionschef etwa 11.000 Euro erhält. Auch die FDP teilte die einzelnen Boni mit, die ihre Fraktionsführung erhält (insgesamt 14.000 Euro pro Monat). Die Piratenpartei ist die Ausnahme im Landtag Nordrhein-Westfalen - sie zahlt keinerlei Zulagen an ihre Abgeordneten.
Für die einzelnen Fraktionen ergibt sich folgendes Bild:
SPD:
(9 Abgeordnete angefragt; 9 Rückmeldungen erhalten)
- Höhe der Funktionszulagen:
- Fraktionsvorsitzender: ca 11.000 Euro
- Stellvertretender Fraktionsvorsitzender: 2.500 Euro
- Parlamentarischer Geschäftsführer: ca 5.500 Euro
- Zwei Abgeordnete gaben an, die Höhe ihrer Zulagen zu veröffentlichen (Marc Herter und Jochen Ott).
- Acht SPD-Abgeordnete halten die Zahlung von Funktionszulagen für rechtlich zulässig (Fraktionsvorsitzende waren von dieser Frage ausgenommen, weil deren Zulagen nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts rechtmäßig sind).
- Alle neun befragten SPD-Abgeordneten haben sich in ihrer Antwort für eine Veröffentlichungspflicht von Funktionszulagen ausgesprochen.
CDU:
(7 Abgeordnete angefragt; 5 Rückmeldungen erhalten)
- Höhe der Funktionszulagen:
- Fraktionsvorsitzender: keine Antwort erhalten
- Stellvertretender Fraktionsvorsitzender: ca 2.200 Euro
- Parlamentarischer Geschäftsführer: keine Antwort erhalten
- Ein Abgeordneter gab an, die Höhe seiner Zulagen zu veröffentlichen (Josef Hovenjürgen).
- Alle CDU-Abgeordneten halten die Zahlung von Funktionszulagen für rechtlich zulässig (Fraktionsvorsitzende waren von dieser Frage ausgenommen).
- Keiner der CDU-Abgeordneten hat sich in seiner Antwort für eine Veröffentlichungspflicht von Funktionszulagen ausgesprochen.
Grüne:
(6 Abgeordnete angefragt; 4 Rückmeldungen erhalten)
- Höhe der Funktionszulagen:
- Fraktionsvorsitzender: 1.600 Euro
- Stellvertretender Fraktionsvorsitzender: 550 Euro
- Parlamentarischer Geschäftsführer: 1.400 Euro
- Die Höhe aller erhaltenen Funktionszulagen bei der Fraktion der Grünen werden in einer Gesamtübersicht online veröffentlicht. Zusätzlich veröffentlicht die Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Verena Schäffer ihre Funktionszulagen auf der eigenen Homepage.
- Drei Grünen-Abgeordnete halten die Zahlung von Funktionszulagen für rechtlich zulässig (Fraktionsvorsitzende waren von dieser Frage ausgenommen).
- Alle Grünen-Abgeordneten haben sich in ihrer Antwort für eine Veröffentlichungspflicht von Funktionszulagen ausgesprochen.
FDP:
(4 Abgeordnete angefragt; 3 Rückmeldungen erhalten)
- Höhe der Funktionszulagen:
- Fraktionsvorsitzender: 6.000 €
- Stellvertretender Fraktionsvorsitzender: 2.000 Euro
- Parlamentarischer Geschäftsführer: 4.000 €
- Keiner der befragten FDP-Politiker gab an, die Höhe seiner Zulagen zu veröffentlichen.
- Zwei FDP-Abgeordnete halten die Zahlung von Funktionszulagen für rechtlich zulässig (Fraktionsvorsitzende waren von dieser Frage ausgenommen).
- Drei der befragten FDP-Abgeordneten sprachen sich in ihrer Antwort für eine Veröffentlichungspflicht von Funktionszulagen aus.
Piratenpartei:
(5 Abgeordnete angefragt; 5 Rückmeldungen erhalten)
- Höhe der Funktionszulagen:
- Fraktionsvorsitzender: 0 Euro
- Stellvertretender Fraktionsvorsitzender: 0 Euro
- Parlamentarischer Geschäftsführer: 0 Euro
- Kein Funktionsträger der Piratenpartei erhält nach eigenen Angaben Funktionszulagen.
- Alle fünf befragten Piraten halten die Zahlung von Funktionszulagen für rechtlich unzulässig.
- Alle Abgeordneten der Piratenpartei fordern in ihrer Antwort eine Abschaffung der Funktionszulagen. Die Fraktion hatte im Februar einen entsprechenden Antrag eingebracht, doch dieser wurde nicht behandelt, weil die übrigen Fraktion in der letzten Ausschusssitzung der Legislaturperiode weiteren Beratungsbedarf sahen.
Alle Antworten und Begründungen der Abgeordneten auf unsere Anfrage haben wir in diesem pdf aufgeführt.
Nach Recherchen des ARD-Politmagazins Report Mainz belaufen sich die Funktionszulagen an die NRW-Landtagsabgeordneten auf insgesamt rund 1,2 Mio. Euro pro Jahr und damit so viel wie in keinem anderen Bundesland. Der weitaus größte Teil von 640.000 Euro sei entgegen der Grundsätze eines Bundesverfassungsurteils ausgezahlt worden. Rechtlich unproblematisch sind lediglich die Zahlungen an Fraktionsvorsitzende.
Im Deutschen Bundestag profitieren 85 Abgeordnete von den rechtlich zweifelhaften Zusatzzahlungen in einer Höhe von insgesamt rund 2,5 Mio. Euro pro Jahr.
Fragen an die Abgeordneten im Deutschen Bundestag sowie in den Landtagen können Sie hier auf abgeordnetenwatch.de stellen.
Kommentare
Sultan Abu Sadr am 31.03.2017 um 22:18 Uhr
PermalinkSie sollten angeben, dass in den monatlichen Zahlungen auch der Beitrag zum Versorgungswerk enthalten ist und anders als in anderen Parlamenten keine sonstigen Versorgungen erfolgen.
abgeordnetenwatch.de am 03.04.2017 um 10:51 Uhr
Antwort auf von Sultan Abu Sadr
PermalinkHaben wir ergänzt (auch wenn es in dieser Sache keine Rolle spielt).
Hartmut Bartels am 01.04.2017 um 14:19 Uhr
PermalinkSchön und gut. Was ist da jetzt genau das Problem? Sind das Gelder die von den Parteien kommen oder sind das Gelder die vom Steuerzahler gezahlt werden. Geht aus dem Artikel jetzt nicht hervor.
Ansonsten ihr macht eine tolle Arbeit. Danke dafür.
abgeordnetenwatch.de am 02.04.2017 um 08:27 Uhr
Antwort auf von Hartmut Bartels
PermalinkVielen Dank für das Lob!
Die Zulagen kommen von den Fraktionen, die sich wiederum aus Steuergeldern finanzieren. Wir ergänzen das im Artikel.
Doroteja am 02.04.2017 um 22:02 Uhr
Antwort auf von abgeordnetenwatch.de
PermalinkGenauer: Das Geld für die Fraktionen ist ein Teil der gesetzlichen Parteienfinanzierung. Wie die Fraktionen ihre Gelder verwenden, bleibt ihnen selbst überlassen (Fraktionsautonomie).
cordula klahn am 20.05.2017 um 08:31 Uhr
Antwort auf von Doroteja
PermalinkDie Finanzierung det FRAKTIONEN erfolgt durch die Landtage und deckt die Kosten der Fraktionsarbeit, z. B die wissenschsfhlichen Mitarbeiter*innen. Das Geld darf NICHT für die Finanzierung von Parteien ausgegeben werden. Die PARTEIENFINANZIERUNG ist im Parteiengesetz geregelt. Bitte nicht alles durcheinander bringen!
Heinz Röhrig am 02.04.2017 um 09:26 Uhr
PermalinkSehr geehrte Redaktion,
haben Sie zufällig auch die Zahlen für die Fraktionen im saarländischen Landtag?
Vielen Dank und Kompliment für Ihre Arbeit!
H. Röhrig
abgeordnetenwatch.de am 04.04.2017 um 11:15 Uhr
Antwort auf von Heinz Röhrig
PermalinkLieber Herr Röhrig,
für den saarlädnsichen Landtag haben wir leider keine Daten. Mit unserem kleinen Redaktionsteam können wir bedauerlicherweise nicht flächendeckend aktiv sein. Anlass für die Umfrage unter den NRW-Abgeordneten war ein Gastartikel eines freien Journalisten hier im Blog zu den Funktionszulagen in NRW ( https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2017-03-16/abgeordnete-kassieren-h... ).
Beste Grüße
Martin, abgeordnetenwatch.de
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