Rechenschaftsberichte

Warum Parteispenden seit mehr als zwei Jahren unter Verschluss sind

Die meisten Parteispenden aus dem Wahljahr 2021 sind bis heute nicht öffentlich. Grund sind nach Informationen von abgeordnetenwatch.de Probleme in der Bundestagsverwaltung. Eine geplante Veröffentlichung der Rechenschaftsberichte wurde bereits verschoben – und es könnte noch Wochen dauern, bis die Spenden transparent werden.

von Martin Reyher, 15.03.2023
Bundestag

Wer finanzierte die Parteien im Wahljahr 2021? Bislang sind nur wenige Spender:innen namentlich bekannt. So weiß man beispielsweise, dass der Investor Carsten Maschmeyer die FDP im Wahlkampf mit 200.000 Euro unterstützte und der niederländische Tech- und Medienunternehmer Steven Schuurman den Grünen 1,25 Mio. Euro überwies. 

Nachzulesen ist das auf der Internetseite des Bundestags, wo laut Parteiengesetz alle Großspenden ab 50.000 Euro veröffentlicht werden müssen. Auch wenn die einzelnen Summen nach viel Geld klingen: Deutlich mehr nehmen Parteien über kleinere Spenden ein. 

Die Namen der Geldgeber:innen müssen Parteien in ihren Rechenschaftsberichten offenlegen, zumindest bei Summen ab 10.000 Euro im Jahr. Doch die Veröffentlichung der Berichte für das Wahljahr 2021 lässt noch immer auf sich warten

Zuerst hieß es Februar, jetzt April

Eigentlich hätten die Berichte längst transparent sein sollen. "Voraussichtlich im Februar" sei mit der Veröffentlichung zu rechnen, hatte die Bundestagsverwaltung Ende Januar auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de mitgeteilt. Schon das wäre reichlich spät gewesen.

In den vergangenen Jahren hatte die Verwaltung die Berichte teilweise schon im Januar oder früher veröffentlicht, je nachdem wann die Parteien ihre Unterlagen beim Bundestag eingereicht hatten. Die zeitige Veröffentlichung hatte der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) angestoßen, umgesetzt wurde das Verfahren von dessen Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU). Die Berichte werden seitdem nicht mehr vor der Veröffentlichung einer zeitintensiven Plausibilitätsprüfung unterzogen, sondern erst hinterher. Nun schauen die Beamt:innen nur noch, ob die Berichte vollständig sind und stellen sie dann unverzüglich ins Netz.

Doch damit soll nun Schluss sein.

Die Veröffentlichungspraxis habe sich in dieser Form "nicht hinreichend bewährt", teilte eine Sprecherin von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) mit. Es trage nicht zur Übersichtlichkeit bei, wenn Berichte nach ihrem Eingang einzeln veröffentlicht würden und so verschiedene Bundestagsdrucksachennummern erhielten. Mit anderen Worten: Nun soll gewartet werden, bis auch die letzte Bundestagspartei ihren Rechenschaftsbericht eingereicht hat. Dafür haben sie bis zum 31. Dezember des Folgejahres Zeit. 

Bearbeitungsstau in der Verwaltung

Dass es mit der Veröffentlichung in diesem Jahr besonders lange dauert, liegt an Problemen in der Bundestagsverwaltung. Von einem "Bearbeitungsstau" in der "Drucksachenstelle" ist die Rede. Dort werden parlamentarische Drucksachen, stenografische Berichte und andere offizielle Dokumente erstellt. 

Außerdem habe in einem Rechenschaftsbericht zuletzt eine Seite ausgetauscht werden müssen, um eine Adressangabe bei einem Großspender zu ändern. "Die Veröffentlichung wird nach dem heutigen Stand erst im April erfolgen können", sagte die Sprecherin. 

Das führt dazu, dass Parteispenden aus dem Januar 2021 mehr als zwei Jahre und zwei Monate unter Verschluss gewesen sein werden. 

"Entspricht nicht den europäischen Standards"

Nicht zufrieden stellen dürfte das die Staatengruppe des Europarates gegen Korruption (GRECO). In ihrem Bericht von 2019 hatte sie Deutschland wegen der späten Veröffentlichungspraxis in einem ungewohnt harschen Ton kritisiert: GRECO habe “einen eindeutigen Mangel an politischem Willen” festgestellt, die Transparenz bei der Parteienfinanzierung zu verbessern. Die gesetzlichen Regeln in Deutschland würden “nicht den europäischen Standards” entsprechen. Sanktionsmöglichkeiten hat die GRECO jedoch nicht.

Im Koalitionsvertrag haben die Ampelparteien zumindest angekündigt, mehr Transparenz bei besonders hohe Spenden herzustellen. Dazu soll die Veröffentlichungsschwelle abgesenkt werden. Großspenden müssten künftig bereits ab 35.000 Euro unverzüglich im Internet publik gemacht werden und nicht wie bisher ab 50.000 Euro (auch die Schwelle, ab der Spenden in den Rechenschaftsberichten aufgeführt werden müssen, soll von 10.000 auf 7.500 Euro herabgesetzt werden). Die Umsetzung lässt allerdings auf sich warten. 

"Noch nicht spruchreif"

Das grundsätzliche Problem bliebe aber bestehen: Alle Großspenden unterhalb des 35.000 Euro-Grenzwertes werden weiterhin erst in den Rechenschaftsberichten veröffentlicht, und das kann dauern. Die meisten Spenden aus dem laufenden Jahr 2023 dürften erst Anfang 2025 publik werden, falls die Ampel nicht noch fundamentale Änderungen an der Veröffentlichungspraxis beschließt.

Immerhin: Ganz so lange wie in diesem Jahr soll es mit der Veröffentlichung vermutlich nicht mehr dauern. In der Bundestagsverwaltung gebe es derzeit “Reformüberlegungen”, so eine Sprecherin gegenüber abgeordnetenwatch.de. Diese seien aber "noch nicht spruchreif".

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