Gibt es bald mehr Klarheit bei der Veröffentlichung von Nebeneinkünften? Völlig unverhofft ist nun Bewegung in die Sache gekommen.
Am Montag dieser Woche erhielt Bundestagspräsident Norbert Lammert einen Brief vom Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann (Foto). In
dem Schreiben, das abgeordnetenwatch.de vorliegt, regt Oppermann eine Verbesserung der Transparenzregeln für Nebeneinkünfte an. Das Problem bislang: Ob ein Bundestagsabgeordneter für eine Nebentätigkeit 20.000 oder 200.000 Euro erhält, muss er nicht öffentlich machen. Es reicht die Auskunft, dass seine Einkünfte bei "mindestens 7.000 Euro" liegen. Dies möchte die SPD nun ändern. In Oppermanns Brief an Bundestagspräsident Lammert heißt es:
Möglicherweise reagiert die SPD mit diesem Vorstoß auch auf die anhaltende Kritik an den Nebeneinkünften von Ex-Finanzminister Peer Steinbrück. Zuletzt war dieser in der ARD-Sendung Beckmann erneut mit abgeordnetenwatch.de-Recherchen zu seinen zahlreichen Honorarvorträgen konfrontiert worden. Oppermann verweist nun gegenüber dem Bundestagspräsidenten explizit darauf, dass
schon für einen einfachen Vortrag mitunter fünfstellige Beträge gezahlt werden
und begründet so u.a. seinen Vorschlag zur Einführung neuer Veröffentlichungsstufen.
Die Höhe der Nebeneinkünfte aus Vorträgen war einer der Kritikpunkte in der Berichterstattung über den Fall Steinbrück gewesen. Der ehemalige Finanzminister hatte in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt 29 Vorträge gehalten. Gegenüber dem Bundestagspräsidenten gab Steinbrück an, dass er für 28 seiner Vorträge "mindestens 7.000 Euro" und für einen Vortrag "mindestens 3.500 Euro" erhielt, also zusammen mindestens 199.500 Euro. Wie hoch die Einkünfte jedoch genau sind, lässt sich aufgrund der derzeigtigen Veröffentlichungsregeln nicht ermitteln. Diesen Misstand will die SPD nun, zumindest teilweise, angehen. Denn, so Oppermann in seinem Brief:
Die Einführung von zwei weiteren Stufen - 15.000 und 25.000 Euro - könnte zumindest für etwas mehr Klarheit sorgen. Konkret würde Oppermanns Vorschlag bedeuten, dass ein Abgeordneter, der für einen Vortrag oder einen Aufsichtsratsposten 30.000 Euro erhält, Einkünfte in Höhe von mindestens 25.000 Euro veröffentlichen müsste statt wie bislang 7.000 Euro. So ließe sich etwas genauer ermitteln, wie hoch die Bezüge unserer Bundestagsabgeordneten aus Nebeneinkünften sind. Außerdem ergäben sich Rückschlüsse darüber, ob bei einem Abgeordneten die Ausübung seines Bundestagsmandats tatsächlich im Mittelpunkt steht, wie es das Abgeordnetengesetz verlangt. Darauf weist auch Oppermann in seinem Brief an Bundestagspräsident Lammert hin:
Heute Vormittag haben wir die Parlamentarischen Geschäftsführer von CDU/CSU, FDP, Grüne und Linke angeschrieben und um Au
skunft gebeten, ob ihre Fraktion den SPD-Vorschlag unterstützt. Falls dies nicht der Fall sei, baten wir um eine kurze Begründung. Als erstes meldete sich am Abend Volker Beck (Foto) von den Grünen zurück. Er begrüßt den SPD-Vorschlag, verlangt aber weitergehende Transparenzregeln. Beck schreibt:
Alle Forderungen nach mehr Transparenz bei den Verhaltensregeln verdienen meine Unterstützung. Hierzu gehört insbesondere auch die die Einführung weiterer Einkommensstufen. Als Stufen sind die von Thomas Oppermann genannten denkbar – besser wäre jedoch eine noch weitere Aufspreizung in folgende Stufen: Stufe 3: 7.000 € bis 15.000 €, Stufe 4: 15.000 € bis 25.000 €, Stufe 5: 25.000 € bis 50.000 €, Stufe 6: 50.000 € bis 100.000 €, Stufe 7: ab 100.000 €.
Die Antworten der übrigen Parlamentarischen Geschäftsführer werden wir an dieser Stelle posten. Aus Sicht von abgeordnetenwatch.de ist der jetzige SPD-Vorstoß ein Schritt in die richtige Richtung. Vollkommene Transparenz gäbe es allerdings erst dann, wenn Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte bis auf den letzten Cent veröffentlichen müssten.
UPDATE 20.10.2010: Antwort des Parlamentarischen Geschäftsführers der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, von heute:
Die FDP-Fraktion hat nie den berufslosen Abgeordneten als Idealbild gesehen. Wir begrüßen es, dass Abgeordnete sich nicht von der Politik abhängig machen und einen Beruf weiter ausüben. So können sie am eigenen Leibe die Auswirkungen der gesetzgeberischen Arbeit erleben. Nicht der beruflich tätige, sondern der mangels Berufsausbildung auf das politische Mandat angewiesene Abgeordnete ist die größte Gefahr für die Unabhängigkeit der zu treffenden Entscheidungen. Die Höhe eines Honorars für eine Rede sagt wenig darüber aus, ob jemand beeinflusst wird, aber viel darüber, welchen Machtwert er hat. Deshalb erhalten bekannte ehemalige Angehörige der Regierung bemerkenswerte Honorare. Meine Fraktion sieht die Vorschläge des Kollegen Oppermann zurückhaltend, wird sich aber einer gemeinsamen Lösung, so sie gefunden wird, nicht verschließen.
UPDATE 02.11.2010: Antwort von Dagmar Enkelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken im Bundestag:
Selbstverständlich setzt sich DIE LINKE. für eine Erweiterung der Transparenzregeln in Bezug auf die Nebeneinkünfte von Abgeordneten ein. Ich habe bereits in dem zuständigen Gremium (Rechtsstellungskommission des Ältestenrates), in dem noch vor der Sommerpause die Anpassung der Ausführungsbestimmungen zu den Verhaltensregeln erörtert wurde, eine Erhöhung der Stufen eingefordert. Mein Einwand, dass für die Beurteilung möglicher Interessenverknüpfungen vor allem die jeweilige Höhe der Einkommensstufen entscheidend sei, wurde von den Kollegen der anderen Oppositionsfraktionen damals unterstützt. Insofern hatte DIE LINKE. - zusammen mit SPD und den GRÜNEN - ergebnislos auf eine sofortige Erweiterung der bisherigen Einkommensstufen gedrängt. Dieses Ansinnen verfolge ich für meine Fraktion in den anstehenden Diskussionen weiter. Ich strebe dabei zusätzliche Stufen in Orientierung an den Beträgen der monatlichen und jährlichen Abgeordnetenentschädigung an, weil in Relation zu diesen Größen mögliche bedeutsame Interessenverknüpfungen für die Bevölkerung besser einschätzbar werden. Wirklich transparent wäre zwar - dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zu den Veröffentlichungspflichten klargemacht und für verfassungsgemäß gehalten - eine Veröffentlichung der Nebeneinkünfte in ihrer jeweiligen genauen Höhe. Da es hierfür jedoch in naher Zukunft ganz offensichtlich keine Mehrheiten geben wird, fordert DIE LINKE. in einem nächsten Schritt die Veröffentlichung der Einkünfte in mindestens folgenden 5 Stufen: Stufe 1: 1000 - 4.000 Euro Stufe 2: 4.001- 8.000 Euro Stufe 3: 8.001 -32.000 Euro Stufe 4: 32.001- 96.000 Euro Stufe 5: über 96.000 Euro Aus meiner Sicht ist gerade die Kenntnis besonders hoher Nebeneinkünfte für die Beurteilung von möglichen Interessenverknüpfungen wichtig. Wie mein Kollege Oppermann richtig darstellt, erhalten Abgeordnete teilweise für einfache Vorträge schon Beträge in fünfstelliger Höhe. Des Weiteren ist jedoch zu beachten, dass die Stufen nicht nur monatliche, sondern auch jährliche Beträge abbilden sollen. In einem Jahr werden die von einigen Abgeordneten erhaltenen Beträge- dies lassen die öffentlich gewordenen Fälle vermuten - aber erheblich über der von ihm vorgeschlagenen letzten Stufe von 25.000 Euro liegen. Insofern halte ich den Vorschlag meines Kollegen Oppermann für verbesserungswürdig. Ungeachtet der vorigen Ausführungen wird sich sicher eine Einigung aller Fraktionen herstellen lassen. Es ist aus meiner Sicht unumgänglich, diesen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Transparenz und Stärkung der Demokratie zu gehen.
UPDATE 3.11.2010: Antwort von Peter Altmaier, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:
Vorschläge sind uns offiziell nicht bekannt. Bei der Einführung weiterer Stufen der Veröffentlichung ist – auch unter Berücksichtigung des Bruttozuflussprinzips – zu prüfen, in wie weit hierdurch größerer Erkenntnisgewinn bei der Frage möglicher Interessenkollisionen erzielt werden kann.
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Kommentare
debe am 16.10.2010 um 10:50 Uhr
PermalinkEin interessanter Vorschlag, dem mit der Veröffentlichungspflicht (>7000€) überhaupt erst die Tür geöffnet wurde - genau darauf hatte ich damals auch gehofft. Eine Angabe auf den Cent genau finde ich allerdings wenig praktikabel: Damit machen sich Abgeordnete schon mit einfachen Rechenfehlern angreifbar, das muss ja nicht sein. Eine Angabe auf volle 1000 Euro gerundet oder in Stufen wie von Herrn Beck vorgeschlagen sollte einen guten Eindruck vermitteln, ohne Abgeordnete in Belegsortier-Strafarbeiten zu stürzen.
Hintergrund: Schon viele Arbeitnehmer wissen zu Monatsanfang nicht genau, was am Ende auf dem Konto landet. Dienstreise, Spesenabrechnung? Als selbstständiger Anbieter von Vorträgen könnte ich einen Preis inklusive oder zuzüglich Spesen (Anreise, Unterbringung, VIP-Betreuung...) anbieten - sind diese für die Angabe (wenn auch nicht in der Grössenordnung vergleichbar) einzurechnen oder nicht?
Helmut G. Domgörgen am 19.10.2010 um 02:16 Uhr
PermalinkBei den hier als "Nebeneinkünfte" genannten Zahlen wird mir wieder einmal so richtig warm um´s Herz. In "diesem unserem schönen Lande" werden ALG II - Empfänger gepfändet, ohne Vorwarnung, obwohl man mich schon mehrfach, speziell diesem Vorgang, zur Abgabe eines Offenbarungseides gezwungen hatte. Und - wohlgemerkt - wurden hier "Sozialleistungen" gepfändet, keine "Nebeneinkünfte".
Für Details siehe meine Anfrage an Herrn Christian Ströbele vom 18.10.2010 .
"Lieb´Vaterland, magst ruhig untergeh´n - oder heisst es "schlafengeh´n ?
m.f.G.
H. G. Domgörgen
Momentanes Lieblingszitat (Politik) :
“Diejenigen die entscheiden sind nicht gewählt und diejenigen die gewählt werden haben nichts zu entscheiden.”
Horst Seehofer (CSU), Mai 2010
frapone am 20.10.2010 um 10:07 Uhr
PermalinkOho das ist ja ein ganz, ganz neues Problem. Es werden Gesetze formuliert, die zwar den Anschein erwecken, sie würden ihrem Namen gerecht, aber in Wirklichkeit sind sie schlichtweg irreführend. Vielleicht sollte bei dem Vorschlag der SPD aber auch erwähnt werden, dass dieses Gesetz auch aufgrund des Vetos und der Klagen einiger SPD Abgeordneter so schwammig formuliert wurde.
Aber wenn dies wirklich so wichtig für unsere Volksvertreter ist, stellt sich mir eine Fragen:
Warum will man denn jetzt aus dem Schwamm einfach nur etwas Wasser rausdrücken, d.h. warum will man wieder nur Obergrenzen schaffen. Es ist ja wohl offensichtlich, dass die Honorareinkünfte des Herrn Steinbrück über 200000 Euro liegen und ich könnte mir vorstellen, dass er nicht der einzige Volksvertreter ist, bei dem das so ist. Warum legt man dann also nicht die Realzahlen offen? Wenn nach Art 38(1)GG, der Abgeordnete eh nur seinem Gewissen unterworfen ist, sollte das Volk doch wenigstens die Möglichkeit erhalten, selbst zu urteilen ob der Abgeordnete nun wirklich ausschliesslich dem Ruf seines Gewissens, oder eventuell manchmal, auch dem seiner Honorarzahler folgt.
Gucky am 20.10.2010 um 16:44 Uhr
Permalinkob der Abgeordnete nun wirklich ausschliesslich dem Ruf seines Gewissens, oder eventuell manchmal, auch dem seiner Honorarzahler folgt.
Dazu müßte man aber auch wissen, WOHER das Geld kommt !
Ein kleiner Angestellter darf meines Wissens auch keine Nebentätigkeit ausüben in dem Beruf, indem er arbeitet.
Insofern wäre ich dafür, daß Abgeordnete ihrer Tätigkeit nachkommen. Schließllch werden sie dafür von uns gut bezahlt.
Und nicht Bundestagssitzungen "schwänzen" um gut bezahlter Nebentätigkeit nachzugehen. DAS sollte sich mal ein Arbeitnehmer erlauben.
frapone am 20.10.2010 um 21:19 Uhr
PermalinkDie Honorarzahler werden schon heute offen gelegt. Bundestagssitzungen werden im weitesten Sinne auch nicht geschwänzt, zumindest nicht sehr oft. Die größte Arbeit wird heutzutage in den Ausschüssen verrichtet. Das was man im Allgemeinen unter einer Bundestagssitzung versteht, explizit des Gewissensentscheides, ist eh nur noch Theater fürs Volk. Die Hauptarbeit ist dann schon getan. Das ist den Herren auch nicht anzulasten. Ein Arbeitnehmer kann ebenso auf Honorarbasis arbeiten wie ein Abgeordneter. Zudem hat er dies meiner Meinung nach genauso zu versteuern. Was mir viel mehr Sorgen macht ist, dass die Lobbyarbeit durch diese Nebeneinkünfte, für alle Beteiligten extrem vereinfacht wird. Ergo ich bezahle ein großes Honorar, dafür vertrittst du MEINE Meinung. Und wenn das Volk fragt, dann hast du bis zu 7000 Euro bekommen. Das ist doch wohl kaum ein Betrag, für den man sich verkaufen würde ;-). Das ist doch eigentlich das Perfide an der ganzen Sache. Jenes Amt, was diese Volksvertreter begleiten hat doch gar keine Würdefunktion mehr. Es ist doch mittlerweile genauso ein Broterwerb, wie eine Anstreicharbeit für einen Maler. Und genauso führen sich die meisten doch auch auf. Viele tun ja nicht einmal mehr so, als wären sie ín ihrer Meinung unabhängig (siehe "Mövenpickpartei"--> ich lach mich tot). Schade eigentlich.
P.Kubiak Philosoph am 16.11.2010 um 23:39 Uhr
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