Konzern von Investor René Benko

Signa lobbyierte erfolgreich beim Berliner Senat

Das Unternehmen hinter Galeria Karstadt Kaufhof hat viel vor in der Hauptstadt. Immer wieder gibt es Konflikte. Anhand von internem Schriftverkehr können abgeordnetenwatch.de und Tagesspiegel rekonstruieren, wie Signa sich in der Landespolitik durchsetzte. 

von Tania Röttger, 24.03.2023
Karstadt-Filiale am Berliner Kudamm

Am 1. Dezember 2021 schreibt Signas Projektmanager eine E-Mail an die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bau und Wohnen. Das achte Arbeitsgespräch über das Bauprojekt Karstadt am Hermannplatz steht bevor und Signa schickt eine Tagesordnung. Das Unternehmen hat Gesprächsbedarf – denn etwas ist schiefgelaufen. 

Die Unternehmensgruppe Signa ist umstritten. Ihr gehört die angeschlagene Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof, sowie zahlreiche Filetgrundstücke in deutschen Innenstädten. Während der Konzern weiterhin Profit macht, verkündete er Mitte März die Schließung von 52 der 129 Galeria-Filialen. Gegen Firmengründer René Benko lief ein Korruptionsverfahren, inzwischen wurde er wegen fehlender Beweise freigesprochen. Signa hat mehrere kontroverse Bauprojekte in Berlin: Hochhäuser am Alexanderplatz und Kudamm, und die Rekonstruktion des historischen Karstadt am Hermannplatz.

Den internen Schriftverkehr hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf Antrag von abgeordnetenwatch.de nach dem Informationsfreiheitsgesetz herausgegeben. Er zeigt, wie Signa die Berliner Verwaltung wahlweise unter Druck setzte oder ihr schmeichelte, um die eigenen Ziele durchzusetzen. Dabei hatte die Berliner Politik Signa das Druckmittel selbst in die Hand gegeben: In Form einer Absichtserklärung (Letter of Intent, kurz: LOI) von August 2020. Diese sicherte dem Unternehmen Baugenehmigungen zu, im Gegenzug sollte Signa den Weiterbetrieb von Karstadt-Filialen und damit den Schutz von Arbeitsplätzen garantieren.

Empörung über die Auftaktveranstaltung

Es war eine Bürgerveranstaltung zum Hermannplatz, die Signa verärgert hatte. Am 5. November 2021 wollte der Senat Stimmen von Bürger:innen zu dem Projekt hören. Signa plant, das Gebäude nach altem Vorbild wieder auszubauen, und neben Gewerbe auch Wohnungen und Büros unterzubringen. Es wurde zu einer Veranstaltung, in der Bürger:innen den Senat und das Vorhaben von Signa größtenteils verurteilten. Davon gibt es ein Video. Eine Teilnehmerin kritisierte die Veranstaltung, da schon verbindliche Vereinbarungen mit Signa getroffen worden seien. Ein anderer Bürger äußerte die Sorge, dass durch „so einen Luxusbau“ die Mieten drumherum steigen könnten.

"Als SPD halten wir diese Pläne für eine große Chance für unsere Stadt." Tweet von Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey zu den Signa-Plänen am Hermannplatz (14. Mai 2021)

Signa wird immer wieder vorgeworfen, dass die firmeneigenen Warenhäuser überhöhte Mieten an den Mutterkonzern zahlen müsse, was dazu führe, dass Karstadt ausblutet. Tatsächlich gehe es darum, die Immobilien für etwas anderes zu nutzen, was noch mehr einbringe. Daher müssen sie größer und höher werden, denn Fläche ist Geld.

Nach der hitzigen Veranstaltung zum Hermannplatz schickte Signa ein “Feedback” an die Senatsverwaltung. Kritisch sah das Unternehmen, dass die Einladungen “doch für alle öffentlich” waren. Außerdem sei die kritische Bürgerinitiative in den Gesprächen überrepräsentiert. Signa fragte auch nach den „Next steps“ und schien pikiert, dass einzelne Aspekte des Projekts nicht im Koalitionsvertrag erwähnt wurden.

Die E-Mail von Signa, kurz nach der Wahl 2021, kam allerdings nicht gut an in der Senatsverwaltung. Die Arbeitsgespräche mit dem Unternehmen gingen in die falsche Richtung, schrieb jemand an die Kolleg:innen. „Ich werde der Signa mitteilen, dass wir diese Arbeitsgespräche aussetzen, bis der Kurs mit der neuen Hausleitung abgestimmt ist.“ Ein Beamter aus Abteilung II (Städtebau und Projekte), stimmte zu: Signas E-Mail stelle den Versuch dar, „uns unter starken Erklärungs- und Handlungsdruck zu setzen“. 

Ein Brief zu Geisels Vereidigung

Als neue Hausleitung kam Andreas Geisel (SPD). Am 21. Dezember 2021, dem Tag seiner Amtseinführung, schrieb ihm ein Signa-Lobbyist einen Brief: „Zur Vereidigung als neuer Senator für Stadtentwicklung und Wohnen gratuliere ich Ihnen sehr herzlich!“ Er bat um ein Gespräch über die Vereinbarungen aus dem Letter of Intent, und gab noch eine Botschaft mit: Der Erfolg der Vorhaben sei „eng mit der Zukunft der Arbeitsplätze in den Galeria-Häusern verknüpft“.

Brief von Signa an Geisel

Von dem Schreiben bekamen auch Geisels Beamt:innen mit. „Signa hat sich offensichtlich aktuell in einem Schreiben an Herrn Geisel gewandt und um Initiative für ihre Projekte geworben“, heißt es in einer internen E-Mail vom 29. Dezember 2021. Der Senator konnte die Zögerlichkeit seiner Fachleute gegenüber Signa offenbar nicht nachvollziehen: „Er hinterfragte, was es auf Basis des LOI [Letter of Intent] noch groß an inhaltlicher Klärung bedürfe“, schrieb der Referent an seine Kolleg:innen.

Geisel hatte sich seine Meinung offenbar schon gebildet. Am 8. Januar 2022, sagte er in einem Interview, es sei „sinnvoll [am Hermannplatz] schnell einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufzustellen“. Dazu vereinbarte er ein Treffen mit Signa für den 20. Januar. Laut eines Kalendereintrags, der abgeordnetenwatch.de und dem Tagesspiegel vorliegt, lud er Signa in sein Büro ein und nahm sich eineinhalb Stunden Zeit. Das sei nicht unüblich, heißt es aus der Senatsverwaltung. 

Für diesen Erfolg hatte Signa seit knapp einem Jahr gekämpft

Interne Notizen zu dem Termin gibt es angeblich nicht. Fest steht aber: Acht Wochen später stand der Bebauungsplan für das Projekt am Hermannplatz. “Das war Teil des 100-Tage-Programms des Senats”, schreibt Geisels Presseabteilung auf Anfrage.

Für diesen Erfolg hatte Signa seit knapp einem Jahr gekämpft. Die internen Unterlagen zeigen, welches Gerangel dem vorangegangen war. 

Im Frühjahr 2021 hatte Signa vom rot-rot-grünen Senat verlangt, die Bebauungspläne für die Areale am Kudamm und Hermannplatz aufzustellen. Geisels Vorgänger Sebastian Scheel (Linke) wollte dies jedoch erst nach der Abgeordnetenhauswahl 2021 tun. Genauer: in den Tagen direkt nach der Wahl, bevor sein Nachfolger zuständig geworden wäre. Die Verzögerung gefiel Signa nicht. In einem Brief, der abgeordnetenwatch.de und dem Tagesspiegel vorliegt, beschwerte sich Signa beim regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) - offenbar erfolgreich. Denn Senator Scheel erließ im Juli 2021 den geforderten Aufstellungsbeschluss. Zumindest für die Liegenschaft am Kudamm.

Schwieriger gestaltete sich die Sache am Hermannplatz. Denn dafür war Scheel gar nicht zuständig. Die Verantwortung lag beim Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg – noch. Der Senator schrieb dem dortigen Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) mehrere Briefe und forderte, dass auch dort ein Bebauungsplan beschlossen werde. Erst nach dem zweiten Brief reagierte Schmidt und bat um Fristverlängerung. Da war es September, die Wahl stand kurz bevor. Nun hatte Senator Scheel offenbar genug. In einem Brief vom 30. September wertete er die Bitte des Bezirks um Aufschub als Fristverletzung und schrieb: Zur „Wahrung dringender Gesamtinteressen Berlins“ werde er das Projekt an sich ziehen – zur Senatsverwaltung Stadtentwicklung, Abteilung II. Er forderte die Überreichung aller Unterlagen. Das Vorgehen überraschte selbst Baustadtrat Schmidt, wie er abgeordnetenwatch.de und dem Tagesspiegel sagte. 

Der Konzern hatte sich durchgesetzt

Der ehemalige Senator Scheel sagt dazu lediglich, sein ursprünglicher Vorschlag sei vom Letter of Intent gedeckt gewesen: “Im LOI wurde weiterhin die Absicht festgehalten so genannte ‘Aufstellungsbeschlüsse’ vor Ende der Legislaturperiode zu fassen oder aber anzustreben. Die 18. Wahlperiode endete mit der Neukonstituierung des Abgeordnetenhauses am 4. November 2021. Der Senat war bis 21. Dezember 2021 geschäftsführend im Amt.”

Doch Signa hatte sich durchgesetzt. 

Die Dokumente zeigen, wie schwierig die Beziehung zwischen dem Unternehmen und der Verwaltung war. Mal waren Abteilungen der Senatsverwaltung verärgert, weil Signa Prozesse nicht abwarteten und “Fakten schafft” (am Hermannplatz). Mal brachte der Konzern die Senatsverwaltung gegen sich auf, weil er eine Hochhausfassade dunkler machte, als eigentlich vereinbart (am Alexanderplatz). Mal lud Signa die Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt ein, in eine Jury zu kommen (am Hermannplatz).

In diesen Tagen heißt es für Signa wieder warten. Der Posten des Senators für Stadtentwicklung ist wegen der laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD noch nicht besetzt. Gut für Signa: Beide Parteien hatten im Wahlkampf erklärt, am Letter of Intent mit dem Unternehmen festzuhalten. 

Mitarbeit: Hendrik Lehmann (Tagesspiegel)

Weiterführende Informationen:

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