Gesetzentwurf torpediert: Finanzberater-Lobby feiert "Erfolg unserer Anstrengungen"

Die weihnachtlichen Festtage stehen zwar erst noch bevor, aber die Finanzberater-Lobby hat schon jetzt allen Grund zu feiern – und zwar ihre erfolgreiche Arbeit hinter den Kulissen. In einem internen Brief eines Lobbyistenverbandes an seine Mitglieder freut man sich, dass "der von uns bekämpfte Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums nunmehr dauerhaft von der Tagesordnung des Bundeskabinetts genommen worden" sei. Man könne dies "in jedem Fall als Erfolg unserer Anstrengungen verbuchen".

von Martin Reyher, 09.12.2010

Vergangene Woche Mittwoch, Punkt 12, schlug im Sitzungssaal 2 M 001 des Deutschen Bundestags die Stunde der Lobbyisten. Wie im Gesetzgebungsverfahren allgemein üblich, hatten die Abgeordneten zu den Beratungen über einen verbesserten Anlegerschutz zahlreiche Sachverständige geladen, die ihre Position zum Thema darlegen durften. Und so waren sie alle gekommen: der Bundesverband Deutscher Vermögensberater ebenso wie der BDI und die Deutsche Börse AG, aber auch die Verbraucherzentrale sowie Vertreter der Gewerkschaften.

Einer der Sachverständigen war Martin Klein, Geschäftsführer des Verbandes Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen (VOTUM). Die weihnachtlichen Festtage stehen zwar erst noch bevor, aber Verbandsvertreter Klein hat schon jetzt allen Grund zu feiern – und zwar seine erfolgreiche Lobbyarbeit. In einem internen Brief an die Mitglieder seines Verbandes, aus dem die Frankfurter Rundschau heute zitiert, teilt Klein erfreut mit, dass "der von uns bekämpfte Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums nunmehr dauerhaft von der Tagesordnung des Bundeskabinetts genommen worden" sei. Man könne, so der Verbandschef weiter, "das Ergebnis in jedem Fall als Erfolg unserer Anstrengungen verbuchen".

Was die Lobbyisten als Erfolg feiern, ist eine Entschärfung des Anlegerschutzgesetzes, über das derzeit vor und hinter den Kulissen gerungen wird. Auf Druck von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hat Finanzminister Wolfgang Schäuble eine Stärkung der staatlichen Finanzaufsicht BaFin aus dem Entwurf gestrichen, sie soll in einem eigenen Gesetz geregelt werden. Doch zu diesem Gesetz kommt es nun vorerst nicht - ein Erfolg, den sich die Finanzberater-Lobby auf die Fahnen schreibt.

Kleins Unternehemensverband VOTUM vertritt zahlreiche Finanzdienstleister, darunter auch die Allianz Global Investors. Diese wiederum ist Partner der Deutschen Vermögensberatung AG (DVAG), die sich seit einigen Tagen verstärkt in den Schlagzeilen wiederfindet. Auslöser ist dieser Bericht im abgeordnetenwatch.de-Blog über fünf Großspenden von insgesamt 400.000 Euro, die die Deutschen Vermögensberatung AG seit Jahresbeginn an CDU und FDP überwiesen hat. Auch die Frankfurter Rundschau beruft sich in ihrem heutigen Artikel auf unsere Recherchen und schreibt, dass der zeitliche Zusammenhang zwischen Spendentätigkeit und den Lockerungen im Anlegerschutzgesetz "stutzig macht".

Die Deutsche Vermögensberatung AG und die Allianz Global Investors verbindet eine enge Geschäftsbeziehung. DVAG-Finanzberater vertreiben einige der Allianz-Produkte. So ist der "Allianz Flexi Immo-C-EUR"-Fonds, ein "globaler Immobiliendachfonds mit flexibler Anleihenbeimischung", "exclusiv über die Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG)" zu erwerben, wie es im Fondsportrait auf der Website der Allianz heißt. Darin werden neben den Vorzügen des Fonds auch die Risiken aufgeführt: "Wertschwankungen bei Immobilienanlagen möglich, hohe Schwankungsanfälligkeit von Immobilienaktien, Zinsniveau schwankt, Kursverluste von Anleihen bei Zinsanstieg, Wechselkursrisiken nur zum Teil abgesichert."

Ein großes Problem ist deswegen das Vergütungssystem vieler Finanzberater. Sie arbeiten auf Provisionsbasis und machen erst dann ein Geschäft, wenn sie einen Fonds oder eine Versicherung an den Kunden bringen. Und so liegt es in der Natur der Dinge, dass bei Aussicht auf hohe Verkaufsprovisionen für den Berater nicht das Interesse des Kunden oder die Risiken eines Finanzproduktes im Vordergrund steht, sondern die Unterschrift des Kunden unter dem Vertrag. "An dieses Problem geht die Bundesregierung nicht heran", erklärte Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio, das am Dienstag ebenfalls über die abgeordnetenwatch.de-Recherche zu den DVAG-Parteispenden berichtete. "Diese Lücke", so Schick weiter, "ist seit Jahren bekannt. Sie ist auch schon in einer früheren Gesetzgebung bewusst offengehalten worden. Ich kann mir das nicht anders erklären als dadurch, dass es wichtige wirtschaftliche Interessen gibt und auch eine Verflechtung der Politik in Berlin." Nach Auffassung des Oppositionspolitikers gehe es um Lobbyisteneinfluss, der dazu führe, dass die Lücke bleibt - zum Schaden Tausender Kunden.

Für die provisionsorientierten Finanzberater geht es um einiges. Für den Vertragsabschluss einer einzigen Krankenvollversicherung können sie teilweise 10.000 Euro und mehr an Provision einstreichen (pdf).

Nachtrag vom 13.12.2010: Das ARD-Verbrauchermagazin PLUSMINUS berichtet heute abend in einem Beitrag über die Methoden von DVAG-Vermittlern am Rande auch über das Anlegerschutzgesetz:

Das Wirtschaftsministerium sieht auf Nachfrage von PLUSMINUS keinen Nachbesserungsbedarf beim Gesetz. Insider vermuten, dass hier auch die Lobbyarbeit von DVAG-Geschäftsführer Reinfried Pohl eine Rolle spielt.
Im Aufsichtsrat der Deutschen Vermögensberatung sitzen unter anderen Friedrich Bohl und Theo Waigel, im Beirat sind Helmut Kohl, Bernhard Vogel und Guido Westerwelle tätig. Zudem flossen seit 2004 rund zwei Millionen Euro Spendengelder an CDU und FDP. Natürlich nur aus "gesellschaftlicher Verantwortung", wie die Deutsche Vermögensberatung betont. Ob nun durch gute Lobbyarbeit oder aus anderen Gründen. Fakt ist: Die Vermittlerrichtlinie gilt gerade mal für 30 Prozent der Versicherungsvertreter. Den Schaden aus schlechten Beratungen tragen die Kunden.

PLUSMINUS irrt allerdings, was die Beiratsmitgliedschaft von Guido Westerwelle angeht. Westerwelle schied im Herbst 2009 aus dem DVAG-Beirat aus. Als Minister darf er solch einer Tätigkeit nicht mehr nachgehen.

Nachtrag vom 16.12.2010: Nach einer Umfrage von Transparancy International halten die Bundesbürger politische Parteien für käuflich. Tagesschau.de berichtet z.B.:

Auf einer Skala von "1" für "überhaupt nicht korrupt" bis "5" für "höchst korrupt" lagen die Polizei mit 2,3 und die Justiz mit 2,4 auf den Spitzenplätzen. Am schlechtesten schnitten die politischen Parteien mit 3,7 ab, danach kamen die Privatwirtschaft mit 3,3 und der öffentliche Sektor mit 3,2. Die Medien wurden mit 3 beurteilt.
"Wir halten diese Zahlen für ein Warnsignal, das die politischen Parteien aufrütteln sollte", sagte Müller zum Welttag gegen Korruption in Berlin. Bei der Benotung hätten die Bürger sicher die Mehrwertsteuersenkung für Hotels und die Spende aus der Hotelbranche an die FDP im Hinterkopf gehabt. Auch die Verlängerung der AKW-Laufzeiten könnte eine Rolle gespielt haben.
Insgesamt werde nicht zwischen Korruption und bestimmten Formen von Lobbyismus unterschieden. "Die Parteien laufen immer mehr Gefahr, das Vertrauen und die Unterstützung ihrer Wähler zu verspielen", warnte Müller. So müssten endlich klare Regeln für Parteiensponsoring eingeführt werden. TI fordert unter anderem, dass Sachunterstützungen, etwa bei Parteitagen, wie Parteispenden veröffentlicht werden müssen.

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Kommentare

In eigener Sache: Warum Abgeordnetenwatch die Kommentar-Funktion abgeschaltet hat

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WIDERLICH!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

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Die Gier, sie höret nimmer auf!
Es gibt eine Tatsache, die alle garstigen Gierhälse vergessen : Das letzte Hemd, hat keine Taschen!

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Was hier mal offen zutage tritt, ist Standard in der deutschen Legislative. Wir leben nicht in einer Demokratie, sondern in einer Lobbykratie.

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Lobbyistenpartei halt.. Business as usua.
Schwarz-Geld bleibt unwählbar.

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Hat jemand wirklich was anderes erwartet ?

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Ist das bitter: Politik + Strukki-Verband + Großvertriebe. Alle in einem Boot! Alle um einen großen Fressnapf!

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Hier sollte man sich auch nochmal einen Blick auf Riester- und Rüruprente gönnen. Beide Herren sind vorher gut von der Versicherungsindustrie mit Geld (für Vorträge) versorgt worden. Rürup hat nun mit AWD Gründer Maschmeyer (in dessen Villa wohl auch schon der Bundespräsident nächtigte) eine eigenes Unternehmen gegründet. AWD und DVAG sind für ihre Praktiken berüchtigt (hier wird nicht nur der Kunde abgezockt sondern auch der Vertreter). Grade die CDU ist seit langem in der Tasche dieser Unternehmen.

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Eine Website, die sich Transparenz und Objektivität auf die Fahnen geschrieben hat, sollte doch in der Lage, eine Schlagzeile oberhalb des Bildzeitungsniveaus für dieses Ereignis zu finden.
"Es schlug die Stunde der Lobbyisten" - Das ist kein unvoreingenommener Journalismus, das sind hanebüchene Verschwörungstheorien.

Das Bild des bösen, gierigen Lobbyisten, der die Politik kontrolliert und Interessen gegen einander ausspielt, findet immer mehr Zuspruch.
Wahrscheinlich ist dieses Bild einfach zu bequem, um es auf dem Altar der Wahrheit zu opfern.

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Naja, also wenn ich das mal objektiv zu beurteilen versuche, dann wird hier faktisch kein Gesetz verabschiedet, das den Verbraucher davor schützt, ein Produkt zu kaufen, das ihm selbst finanziell schaden könnte.
Nichts und niemand hindert den Kunden aber daran, die Beratungsleistung, die er erhält, kritisch zu hinterfragen, und beim Bemerken, dass sie nicht seinen, sondern ihren eigenen Vorteil wünscht, nicht mehr in Anspruch zu nehmen, sowie das schädliche Produkt eben nicht zu kaufen.
In der Zusammenfassung also wird ein Gesetz von der Tagesordnung genommen, das den Menschen vor seiner eigenen Unmündigkeit schützen will. Rein philosophisch gesehen: hätte man mit diesem Gesetz die Gesellschaft verbessert? Verbessert man Menschen, indem man für sie denkt? Ich glaube nicht. (Ich mag ja falsch liegen, doch zumindest meine bisherigen Erfahrungen mit Menschen unterstützen mich.)

Eine andere Problematik ist in der Tat – ganz unabhängig davon, ob das Gesetz nun vorteilhaft gewesen wäre oder nicht – diejenige, dass Parteipolitiker Spender legislativ unterstützen. Dennoch muss man den Zusammenhang zwischen Spende und Lockerung nicht in der Richtung sehen, wie es der Artikel impliziert – die Spende könnte auch einfach ein Zeichen der Unterstützung einer politischen Richtung sein, die die genannten Parteien trotzdem auch ohne Spende eingeschlagen hätte. Objektiv wäre in meinen Augen die zusätzliche Erwägung dieser Möglichkeit gewesen.
(Oh, und Kritik aus den Reihen anderer Parteien zu zitieren, ist immer problematisch – die Opposition interpretiert ja in den jüngeren Jahren immer das Schlimmste in die Handlungen der Regierung hinein. Eine aufrichtig und objektiv kritische Opposition habe ich schon lange nicht mehr erlebt, und das gilt für alle Parteien...)

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diese katastophale und elende lobby- politik der regierung aus cdu/csu & fdp muß endlich gestoppt werden !!!!!!.
es kotzt ein an, wie auf der einen seite die banken ein 500 mrd. € schutzschirm wie selbstverständlich erhalten, während der hart arbeitende bürger von betrügerischen und gierigen "finanzdienstleistern" um seine ersparte altersvorsorge gebracht wird !!!!.

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Jeder ist seines Glückes Schmied. Man kann es den Lobbyisten nicht verdenken wenn sie sich dafür stark machen das ein Gesetz zu ihren Gunsten verabschiedet oder abgeändert wird. Es ist ja schließlich die Grundlage ihrer Tätigkeit. Das so etwas von schwarzen Schaaffen ausgenutz wird sollte aber dennoch von der Gesetzgebung unterbunden werden. Denn leider findet am Markt keine ausreichende Selektion dahingehend statt, dass schlechte Finanzdienstleister durch das Raster der Kunden fallen und somit entweder ihre Einstellung ändern oder verschwinden.

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Aufgelesen und kommentiert 2010-12-12...

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So lange unseren "Volksvertretern" die Nebentätigkeiten nicht strengstens untersagt werden, ist dem Lobbyismus Tür u. Tor geöffnet. Welcher Politiker ist im Aufsichtsrat einer Firma und unterschreibt ein Gesetz, das diese Firma behindert.
Nur wer gebietet diesem Treiben Einhalt? Der Bürger? Aber wen sollen wir wählen? Es ist zum Verzweifeln - niemand kommt in Frage..................................

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Foreign Exchange Market, kurz Forex genannt, wurde mit dem immer größer werdenden Bekanntheitsgrad auch mit immer kritischeren Augen betrachtet. So mancher glaubte gar, der Handel mit Devisen sei nichts Anderes als der Gang ein Casino. Dies stimmt jedo...