Brisanter Vermerk zum Abgasskandal: Beamter arbeitete zuvor im BMW-Lobbybüro

Mit einer augenscheinlichen Falschbehauptung versuchte das Kanzleramt lange Zeit, einen brisanten Vermerk vor abgeordnetenwatch.de geheim zu halten. Das Papier stammt von der bayerischen Landesregierung und belegt, wie sich die Staatskanzlei zum Anwalt von BMW-Lobbyinteressen machte. Nun kommt heraus: Der Beamte, der mit Angelegenheit betraut war, arbeitete lange Zeit bei dem bayerischen Autobauer.  

von Martin Reyher, 10.03.2017
Foto eines Vermerks der Bayerischen Staatskanzlei zu Abgasregeln

Wenn es um den Abgasskandal geht, tritt in der Bundesregierung nicht selten ein plötzlicher Gedächtnisverlust zutage - oder eine bemerkenswerte Ahnungslosigkeit.

Es ist ein paar Wochen her, da demonstrierte das Kanzleramt seine vermeintliche Ahnungslosigkeit auch gegenüber abgeordnetenwatch.de. Es ging um einen brisanten internen Vermerk zur Abgasregulierung, den ein hoher Beamter der bayerischen Staatskanzlei an die Berliner Regierungszentrale geschickt hatte. Leider, so teilte uns das Kanzleramt mit, könne man abgeordnetenwatch.de das Dokument nicht zukommen lassen – man habe es im Aktenbestand schlichtweg nicht finden können. Das war schon deshalb wenig glaubhaft, weil das Kanzleramt eben dieses Schriftstück kurz zuvor an den Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages übermittelt hatte.

"... mit der Bitte um vertrauliche Behandlung"

Foto Anschreiben der Bayerischen Staatskanzlei an das Kanzleramt

Nun gibt es erstaunliche Neuigkeiten rund um den Vermerk, die auch erklären könnten, warum das Kanzleramt kein besonderes Interesse an einer öffentlichen Debatte über das Lobbypapier hatte. In dem Dokument macht sich die Staatsregierung von Ministerpräsident Horst Seehofer in bemerkenswerter Offenheit zum Anwalt der Automobilindustrie. Unter Punkt 3 etwa übermittelt die Staatskanzlei dem Bundeskanzleramt die „wichtigsten Forderungen der BMW Group im Einzelnen“. In München war man sich der Brisanz des Vermerkes sehr wohl bewusst. Er bitte um „vertrauliche Behandlung“ der Angelegenheit, mailte der zuständige Referatsleiter am 27. Oktober 2015 an das Bundeskanzleramt – im Anhang: Das delikate Lobbypapier mit den BMW-Forderungen zur Abgasregulierung (diese wurden tags darauf in Brüssel – entgegen den ursprünglichen Plänen der EU-Kommission – beinahe 1:1 umgesetzt).

Ein Beamter als Bote für BMW-Forderungen

stern-Reporter Hans-Martin Tillack hat nun herausgefunden, dass der um Diskretion bemühte Beamte mit dem bayerischen Motorenwesen bestens vertraut ist. Denn von Oktober 2011 bis Ende 2013 war dieser von der Landesregierung an BMW ausgeliehen worden – zeitweise arbeitete der Beamte sogar im Berliner Lobbybüro des Autobauers. Solche Austauschaktionen seien üblich, um "das gegenseitige Verständnis für die Arbeitsweise von Verwaltung und Wirtschaftsunternehmen und die Wirtschaftskompetenz" der Beamten zu stärken, sagt die Staatskanzlei dem stern.

Wieder zurück in der Staatskanzlei, war der Beamte dann also BMW ein weiteres Mal zu Diensten: als Bote für die Konzern-Forderungen nach einer Abschwächung der geplanten Abgasregulierung, die er im Oktober 2015 an das Bundeskanzleramt übermittelte.

Die Sache mit dem angeblich im Kanzleramt nicht auffindbaren Lobbypapier aus Bayern nahm dann übrigens noch ein gutes Ende. Nachdem abgeordnetenwatch.de und stern den Fall öffentlich gemacht und abgeordnetenwatch.de offiziell Widerspruch eingelegt hatte, wurde das Kanzleramt dann doch noch fündig. Den internen Vermerk der Staatskanzlei mit den „wichtigsten Forderungen der BMW Group im Einzelnen“ können Sie hier einsehen:
 

 

Lesen Sie auch den stern-Artikel „Angela Merkel und das mysteriöse Telefonat“, in dem Reporter Hans-Martin Tillack einen Fall schildert, bei dem die Bundesregierung bei der Aufklärung des Abgasskandals von einem Gedächtnisverlust heimgesucht wird.

 

Lizenz: Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0.

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Kommentare

In eigener Sache: Warum Abgeordnetenwatch die Kommentar-Funktion abgeschaltet hat

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Diese Kanzlerin hat nicht nur hier Gedächtnisverlust Sie war auch in Gorleben dafür verantwortlich als die Gutachten gefälscht wurden ..Es wird höchste Zeit wenn unser Kanzleramt neu besetzt wird ,. so viele Lügen sind nicht mehr hinnehmbar. Schaden sollte sie vom deutschen Volk abwenden, hat sie aber nicht Flüchtlinge ohne Registrierung in unserem Land Zahlen über die Anzahl sind auch falsch..

Antwort auf von Dieter Pukallusd

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da hat wohl jemand braunen schaum vorm mund

Antwort auf von nils n

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Warum immer gleich beissreflexartig die braune Keule ausgepackt wird wenn jemand sich in der obigen Form über die Flüchtlingspolitik aufregt kann ich nicht nachvollziehen. Im obigen Beitrag steht nichts davon, dass Flüchtlinge hier nichts zu suchen haben. Es wird doch nur bemängelt, dass Merkel keine ausreichenden Kontrollen einsetzt und dass die genauen Flüchtlingszahlen nicht genannt werden. Das hat meiner Meinung nach nichts mit 'braunem Schaum' zu tun, wenn man bemängelt, dass Multi-Identitäten unter Flüchtlingen unterbunden werden sollten und dass man der Bevölkerung sehr wohl mitteilen sollte, wie es um die genauen Zahlen steht. Beides hat in der jüngeren Vergangenheit aber nicht funktioniert.

Antwort auf von nils n

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Entfernt. Bitte beteiligen Sie sich nur, wenn Sie einen konstruktiven Beitrag zur Diskussion leisten möchten. Danke, die Redaktion/db

Antwort auf von gulausifi

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Lügenpresse ist ein Nazibegriff und der Kommentar ist nicht konstruktiv.

Antwort auf von nils n

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ein völlig unangebrachter Kommentar

Antwort auf von nils n

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Was soll das??

Antwort auf von Dieter Pukallusd

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Das kommt davon, wenn der Blutpegel im Allohol noch auf dem Niveau des Vorabends ist. Was hat dieser Kommentar mit der Meldung zu tun? KleinerTip: Es gibt Korrekturprogramme und die Kommas sollte man nicht wahllos streuen, auch sollte man sich Gedanken machen über Groß- oder Kleinschreibung, bevor man seinen Kommentar abschickt. Lobbyisten aus der Automobilindustrie haben weder etwas mit Gorleben noch mit der Anzahl der Asylsuchenden oder den Arbeitslosen gemeinsam, Hauptsache scheint bei Ihnen ein Fakebookähnlicher Hasspost zu sein. Die Abraumhalde für Demagogen (AfD) dankt für Ihren Kommentar und leitet den gerne an die Mitglieder und Pegida (Pöbelnde Elbflorenzer gegen Integration der Asylsuchenden) weiter..

Antwort auf von Dieter Pukallusd

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Die Experten sitzen nunmal in der Automobilindustrie. Also ist doch dann normal, das man diese Experten fragt... Vor allem einen OEM wie BMW, der der gesamten Automobilindustrie um Jahre voraus ist.

Antwort auf von Tino

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Was fuer Experten hat die Automobilindustrie? Fuer Umweltschutz? Seit wann haben Autokonzerne Expertise im Umweltschutz? Konzerne haben i.A. Experten fuer ihre Produkte. Will die Regierung aber etwas darueber wissen, welche Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft zu erwarten sind, sind Unternehmen keinesfalls Experten. Nur so nebenbei bemerkt, Herr Gabriel hat als Umweltminister einen der anerkanntesten Experten weltweit auf dem Felde -Axel Friederich-wg. Unbotsamkeit gefeuert. Aber selbst wenn Unternehmen die Expertise haetten, stellt sich ja wohl die Frage, warum alles im Hinterzimmer eroertert werden muss, ohne das Waehler darueber etwas erfahren soll? Das nun vom Steuerzahler bezahlte Beamte fuer Unternehmen arbeiten hat natuerlich auch was, und wenn man das auch noch alles voellig normal hinstellt, dann frage ich mich wieviel tausende von Beamten wohl fuer Unternehmen oder Gewerkschaften taetig sind? Oder sind es zehntausende oder hunderttausende? Ich muss sagen, in jedem halbwegs akzeptablem Rechtsstaat wuerden die verantwortlichen Minister und auch die Beamten wegen schwerer Untreue zumindest vor Gericht landen. Aber in DE ist das Strafanzeigen gegen Politiker stellen natuerlich genauso sinnlos wie es das in China ist, weil Staatsanwaelte ja Untergebene von Ministern sind und dementsprechend die Verfahren sofort einstellen. Von Gewaltentrennung haelt man ja nicht viel in DE. Wuerden die erhoehten NO2 Emissionen nicht jedes Jahr ca 3000 Menschenleben kosten, koennte ich dieses Bananenrepublikaehnliche Geschehen ja noch lustig finden. Eins steht damit fest, nimmt man den heutigen Stichtag, ist die death toll der Regierung -zaehlt man mittelbare und unmittelbare verursachte Tote- hoeher als die von jeder Terrorbande die in der BRD ihr Unwesen getrieben hat.

MfG

Frank Wagner

Antwort auf von Frank Wagner

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WER GUTES IM SINN HAT, BRAUCHT NICHT IM GEHEIMEN ZU VERHANDELN!!!
ICH DENKE NICHT, DAß UNS GOTT AUF DIE ERDE GESCHICKT HAT DAMIT WIR MILLIONEN SCHEFFELN UND ALLES ANDERE IGNORIEREN!!! - ROALD AMMUNSEN
Versicherungsvertreter verkaufen - Versicherungen
Staubsaugervertreter verkaufen - Staubsauger
Voksvertreter verkaufen - . . . . . .
Und, da war doch eine Frau Q., die mit € 900.000,000 nach Berlin reiste!!!

Antwort auf von Tino

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wenn dort "Experten" sitzen würden hätten wir schon seit Jahren keine Dieselmotoren mehr. Das Dieselmotoren schmutzig und gesundheitsgefährdend sind ist doch schon lange bekannt.

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Ich habe ja noch insoweit Verständnis, daß sie ihre sog. "vertraulichen Mitteilung" nicht anschließend gleich ausposaunen. Wofür ich aber kein Verständnis habe, daß dann, wenn sie konkret gefragt werden derart dreist lügen bzw. ihre "Gedächtnislücken" einsetzen. Es ist ja nicht das erste Mal, daß der Bürger von Regierungsseite getäuscht und auch angelogen wird. Vor allem wenn es um das Wohlergehen und die Gesundheit bzw. Krankheit der Bevölkerung geht, wird ständig gelogen, sei es für die Pharma-oder Apothekenlobby, die Autoindustrie oder auch für die Lebensmittelindustrie. Es geht den Politikern auch um Arbeitsplätze, aber nur am Rande, es geht viel mehr um den Profit der Lobbys. Schließlich bringt das auch wieder mehr Parteispenden, wenn sie pfleglich behandelt werden und möglicherweise wird für den ein oder anderen Politiker im Konzern auch wieder ein Posten frei. Solche Lügen müßten aber auch sanktioniert werden, wenn sie dann bekannt werden.

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Wo wird nicht betrogen bei den Abgaswerten und Feinstaubbelastungen siehe Flughafen München ist das beste Beispiel , die Stadt München ist auch Involviert , Markus Söder ist ihm Aufsichtsrat der FMG perfekt kann ja nichts mehr schiefgehen .

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Entfernt. Nutzen Sie den Kommentarbereich bitte um sich sachlich über den Artikelinhalt auszutauschen. Danke, die Redaktion/db

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Lobbyarbeit ist für mich völlig normal, nicht korrekt finde ich indes, dass die Regierenden zu stark auf die "Kenntnisse" der Lobbyisten zugreifen, ja diese als Basis ihrer Entscheidungen nutzen.
Wenn die gleichen "Fachleute" auf beiden Seiten eingesetzt werden und dies nicht öffentlich gemacht wird, verliert jede Regierung ihre Glaubwürdigkeit.
Deswegen werden meine Zweifel im biochemischen Bereich (Glyphosat) immer stärker, weil den Regierenden einfach die Kompetenz fehlt und Sie hier willkürlich die Fachmeinung / die Gutachten wählt, die am besten in ihr Konzept (oder besser Voreingenommenheit?) passen.
Erhellend ist in diesem Zusammenhang die gegensätzliche Argumentation des Umweltministeriums und des LandWIRTSCHAFTSministers Herrn Schmidt.

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Es stimmt schon: Die Verzettelung zwischen Aufsichtsbehörden und den zu Beaufsichtigten ist enorm, insbesondere in der Atomindustrie. Aber das Kanzleramt neu zu besetzen ist sicher keine Lösung. Denn was soll das bringen, wenn es mit jemandem besetzt wird, der das System völlig in Ordnung findet? Und jemand anderer wird es kaum ins Kanzleramt schaffen.

Eine echte Demokratie braucht gar keine Regierung, das Volk regiert sich in einer Demokratie selbst. Statt einer Regierung brauchen wir eine funktionierende Verwaltung, die im Sinne einer Dienstleistung den Mehrheits-Bürgerwillen 1:1 umsetzt und sich nicht als hierarchisch über den Bürger gestellt sieht. Das wird erst passieren, wenn die Bürger es einfordern, anstatt vor Angst zu schlottern bei dem Gedanken, die Meinung des Nachbarn könne mehrheitsfähig werden.