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Wolfgang Dudda
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Frage von Ralf M. •

Frage an Wolfgang Dudda von Ralf M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Moin Herr Dudda,

in letzter Zeit musste ich mehrfach feststellen, dass die Unschuldsvermutung
im Steuer-, bzw. Finanzrecht wohl praktisch nicht mehr existiert. Sowohl mein zuständiger Finanzbeamter, wie auch mein Steuerberater (welcher in einem anderen Bundesland langjährig in der Steuerfahndung tätig war) erklärten mir dazu in persönlichen Gesprächen, dass die Finanzbehörden selbständigen Steuerpflichtigen grundsätzlich Manipulationen unterstellen würden. Als Beispiel wurden die Regelungen für Fahrtkosten (1% Regelung oder Fahrtenbuch) sowie die Anrechnungsmöglichkeit bei Telefonkosten (pauschal maximal 20 % je Monat, oder Einzelverbindungsnachweise mit zusätzlicher, exakter Aufzeichnung, wer, warum, weshalb kontaktiert wurde) genannt. Der enorm hohe, bürokratische Aufwand für diese umfangreichen Aufzeichnungen ist für kleine Einzelunternehmen kaum zu schultern, weshalb meistens wohl die wesentlich ungünstigeren Pauschalregelungen in Anspruch genommen werden (müssen). Wer nun dennoch behauptet, er würde seinen Telefonanschluß (bzw. auch seine DSL-, ISDN-, Internet-, Handy-Flatrate) zu mehr als 20 % geschäftlich nutzen und entsprechende Aufzeichnungen beibringt macht sich offensichtlich schon mehr als verdächtig. Das gleiche gilt für die Vorlage eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuches, denn die sogenannte 1 % Regelung rechnet sich nur für die Halter neuerer Fahrzeuge.

Wie schätzen Sie als Profi im Finanzrecht diese Situation ein und für welche diesbezügliche Position der Piratenpartei werden Sie sich stark machen?

Für Ihre Antwort danke ich im Voraus.

Mit freundlichem Gruß,

Ralf Matthies

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Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Matthies,

vielen Dank für Ihre Frage, deren Beantwortung mir aus zwei Gründen viel Freude macht:

1. Sie berührt zentrale "piratische" Themen.
2. Ich weiß an dieser Stelle besonders gut, wovon ich rede.

Das von Ihnen dargestellte Verhalten und die dadurch zutage tretende "Berufsethik des permanenten Misstrauens" den BürgerInnen gegenüber, scheint zur allgemeinen Maxime staatlichen Handelns geworden zu sein. Es fängt bei den Finanzämtern an, setzt sich bei den ALG- und HARTZ-IV-Empfängern fort und findet seine "Vollendung" bei der Vorratsdatenspeicherung. Erlauben Sie mir, einen kurzen rechtlichen Ausflug dazu, der uns ins Strafrecht führt:

Ermittelt ein Polizei- oder wie ich ein Zollfahndungsbeamter gegen einen Bürger, ohne dafür einen tatsächlichen Grund zu haben, so wird dies völlig zu Recht nach § 344 StGB strafrechtlich verfolgt. Fehlt der Anfangsverdacht (§ 152 StPO), darf also gar nicht erst mit Ermittlungen begonnen werden. Diese Normen sollen alle Ansätze staatlichen Willkürhandelns unterbinden und wurden deshalb den Lehren der Nazizeit geschuldet rechtlich besonders eingeordnet.

Das Handeln und Denken der Amtsträger der Finanzbehörden, so wie Sie es schildern, Herr Matthies, konterkariert diese Ansprüche völlig und missachtet damit Grund- und Bürgerrechte. Nur weil jemand selbständig ist, kann er doch nicht unter den Generalverdacht gestellt werden, durchweg Taten zu begehen, die die Straftatbestände nach § 370 der Abgabenordnung erfüllen. Das ist doch so, als würde die Polizei jeden Autofahrer für einen Unfallverdächtigen halten.

Staatsdiener, die sich so verhalten wie von Ihnen beschrieben, dienen entweder einem anderen Staat, als dem, dem sie treu zu dienen geschworen haben, oder wissen zu wenig von den Grundpfeilern unserer Verfassung. In jedem Fall brauchen solche Leute ganz offensichtlich ein wenig Nachhilfeunterricht im Fach "Staatsbürgerkunde". Daraus resultieren würde dann ein bemerkenswerter Abbau von Steuerbürokratie, der gewiss einen massiven wirtschaftlichen Schub auslösen würde, weil davon die Kein- und Mittelbetriebe, das Rückgrat unserer Wirtschaft, profitierten.

Ein Staat, der seine BürgerInnen vom Finanzamt angefangen bis hin zur Vorratsdatenspeicherung als mögliche Straftäter oder gar Terroristen betrachtet, ist einer, in dem die Freiheit nicht mehr viel gilt. Die Väter unseres Grundgesetzes wollten ganz gewiss nicht, dass unser Land so wird.

Das, was Sie mich gefragt haben, Herr Matthies, verlangte nach dieser deutlichen und klaren Antwort und dem Bekenntnis zu unserer Verfassung. Deswegen bedanke ich mich nochmals für Ihre Frage, weil ich so die Grundhaltung der Piraten dazu darstellen durfte.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Dudda