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Volker Kröning
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Frage von Karl Wilhelm M. •

Frage an Volker Kröning von Karl Wilhelm M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Kröning,

was hat eigentlich der Bund für der sogenannten Reform für die Arbeitslosenhilfe ausgegeben und wie hoch waren die Leistungen für Hartz IV kalkuliert, wobei ich gerne wissen möchte, was davon auf die neuen Anspruchsberechtigten entfiel.

Mit freundlichen Grüßen

Meier

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Meier,

vielen Dank für Ihre Frage zu den sog. Hartz IV-Leistungen, eigentlich Leistungen nach dem SGB II, d.h. den damaligen Schätzungen und den tatsächlichen Ausgaben.

Ihre Fragen sind nicht ganz einfach zu beantworten, weil statistisches Vergleichsmaterial fehlt oder zurzeit nicht zugänglich ist, weil noch an der Aufarbeitung gearbeitet wird. Große Teile meiner Antwort sind deshalb Hochrechnungen auf der Basis der Daten des Statistischen Bundesamtes und der Bundesagentur für Arbeit. Diese Daten können durch die Hochrechnung Schätzfehler enthalten und sind sicher nicht hundertprozentig belastbar, aber ich denke, dass Sie Ihnen als Information reichen werden. Wenn nicht, kann ich Ihnen die Internetseiten www.destatis.de und www.pub.arbeitsamt.de empfehlen.

Es gibt aus dem Jahr 2004 eine Schätzung über die Kosten für SGB II. Allerdings stammt sie aus der Zeit vor dem Beschluss des Vermittlungsausschuss; die Zahlen sind schwer zu bewerten, weil sie sich nicht nur auf die Ausgaben nach dem SGB II beziehen, sondern auch auf die Ersparnisse bei der Arbeitslosenhilfe und dem Wohngeld. Sie finden die umfangreiche Tabelle in der Drucksache 15/1733, die unter http://dip.bundestag.de aufzurufen ist.

Ende 2004 haben 2,19 Millionen Menschen Arbeitslosenhilfe und 2,91 Millionen Menschen in Deutschland Sozialhilfe bezogen, 1,12 Millionen der Sozialhilfeempfänger waren Kinder. Von den verbliebenen 1,79 Millionen waren nicht alle erwerbsfähig. Anhand der Arbeitslosenstatistik aus 2005 ist davon auszugehen, dass ca. 600.000 erwerbsfähige Menschen aus der Sozialhilfe in die Leistungen nach dem SGB II wechselten – und mit ihnen ihre bis dato unbekannten Bedarfsgemeinschaften.
Genau das war das größte Problem bei der Schätzung der Ausgaben: Niemand – ich betone: niemand – wusste, wie viele Menschen in Deutschland bis Ende 2004 weder Arbeitslosenhilfe noch Sozialhilfe bezogen und durch die neuen Bestimmungen zur Bedarfsgemeinschaft anspruchsberechtigt werden würden. So gab es in 2005 im Jahresdurchschnitt tatsächlich 3,67 Millionen Bedarfsgemeinschaften mit 6,7 Millionen Menschen, deutlich mehr als geschätzt und als sich aus der Addition der Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfeempfänger ergaben. Davon waren nur 2,77 Millionen auch arbeitslos gemeldet, die restlichen waren entweder „Aufstocker“ (mit Arbeit, von der sie nicht leben können) oder nichterwerbsfähige Familienangehörige.

In 2008 sind inklusive Kosten der Unterkunft, Sozialgeld und Versicherungsleistungen ca. 34 Milliarden Euro für Leistungen nach dem SGB II aufgebracht worden, 2007 waren es ca. 35 Milliarden, 2006 und 2005 waren es je ca. 39 Milliarden.

Parallel zu den steigenden Ausgaben für SGB II-Leistungen sanken die Ausgaben für die Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe) von 9,9 Milliarden in 2004 auf zurzeit ca. 1,1 Milliarden (insgesamt ca. 35 Milliarden Ersparnis) und die Ausgaben für Wohngeld von 5,1 Milliarden auf zurzeit ca. 925 Millionen (insgesamt ca. 16,7 Milliarden Ersparnis). Die Leistungen an die Arbeitslosenhilfebezieher entfielen vollständig (jährlich ca. 18,5 Milliarden jährlich macht 74 Milliarden Ersparnis seit Anfang 2005).

Insgesamt stehen den Kosten seit Januar 2005 in Höhe von 147 Milliarden damit Ersparnisse in Höhe von 125,7 Milliarden gegenüber.

Weitere Einsparungen hat es bei der Bundesagentur für Arbeit durch die verkürzte Bezugdauer des Arbeitslosengeldes gegeben. Während die Agentur in 2004 noch 29 Milliarden Euro für Arbeitslosengeld ausgegeben hatte, waren es 2005 27 Milliarden. Im Januar 2009 waren es 1,2 Milliarden, ohne Wirtschaftskrise hochgerechnet auf dieses Jahr also 14 Milliarden, wobei diese Ersparnis nicht eins zu eins auf die Mehrausgaben für SGB II-Leistungen übertragen werden kann, sondern vor allem dem Rückgang der Arbeitslosigkeit geschuldet ist; er ist allerdings auch eine Folge der im Zuge der Reform deutlich verbesserten Vermittlung.

Nicht quantifizierbar sind derzeit auch die Leistungen für Eingliederung in Arbeit, also Trainings- und Fortbildungsmaßnahmen, Sonderprogramme etc.. Vor 2005 waren diese Leistungen nicht nach Arbeitslosengeld I und Arbeitslosenhilfeempfängern aufgeschlüsselt. Seither liegen zwar Daten der Bundesagentur für Arbeit, nicht aber der Kommunen vor. Aus diesem Grund wären Aussagen über die Eingliederungsleistungen reine Spekulation. Nicht beachtet sind auch Verwaltungskosten bei Bund, Ländern und Gemeinden; sie entziehen sich aus demselben Grund einer statistischen Erhebung.

Ich hoffe, ich habe Ihnen mit diesen Angaben weiterhelfen können. Bitte denken Sie daran: Hier schwingt immer mit: „Was wäre wenn …“. Denn ob sich die Ausgaben für Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe und Wohngeld weiterhin so entwickelt hätten wie bis Ende 2004 ist genauso unsicher wie eine Antwort auf die Frage, wie sich die Arbeitslosigkeit insgesamt ohne die Reform entwickelt hätte.

Mit freundlichen Grüßen

Volker Kröning