Volker Dyken
PIRATEN
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Frage von Gerd K. •

Frage an Volker Dyken von Gerd K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dyken,

ein Hartz IV beziher erhält seine leistungen zum Lebensunterhalt, Miete und Heizkosten und Krankenkasse bezahlt und kann 100 € ohne Abzug Nebenbei hinzuverdienen ohne Einkommensteuer bezahlen zu müssen.

Das sind ca.800- 1000 € kosten pro Monat.

Ein Kleinstunternehmer mit Einem Jahreseinkommen von ca. 10.000 € wird mit ca.465,00 Einkommenster p.A. belastet und muss oder sollte da eine Krankenversicherungspflicht in Deutschland herscht ca. 300€ im Monat an Krankenversicherungsbeiträgen leisten.

Desweiteren gibt es in Deutschland eine Pfändungsfreigrenze in Höhe von ca. 1.020,00 €

Meine Frage nun hierzu was halten Sie von diesem Problem und was würden Sie persönlich tun um hier eine Gleichberechtigung aller Bürger zu erreichen.

Ich bin gespannt ob ich mit einer Antwort rechnen kann.

Mit freundlichen Grüßen
G.Kunz

Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Kunz,

lassen Sie mich ihre Frage von zwei Seiten aus würdigen. Rechtlich gesehen steht jedem Steuerpflichtigen ein nicht besteuerbares Existenzminimum von 8130 ¤, d.h. 677,50 ¤ monatlich zu, genannt Grundfreibetrag. Dieser Grundfreibetrag reicht natürlich nicht an den ALG II-Regelsatz zzgl. der ortsüblichen Kosten der Unterkunft und Heizung nach SGB II heran. Arbeitnehmer, die durch Besteuerung schlechter gestellt sind als ALG II-Bezieher, können daher ergänzende Leistungen beantragen (die sogenannten Aufstocker). So weit, so gut. Bei Selbstständigen stellt sich die Situation aber ein wenig komplizierter dar. Kleinunternehmer, die aufgrund der Vorjahre keine Steuervorauszahlungen leisten, können gegenüber dem Jobcenter nur ihre tatsächlichen Ausgaben geltend machen, d.h. Steuern, die bei Arbeitnehmern bei eintretender Steuerpflicht sofort vom Lohnbüro abgeführt werden, werden bei Selbstständigen erst in den Folgejahren fällig, sofern sie zum ersten Mal mit ihrem Einkommen den Grundfreibetrag überschreiten oder sich ihr Einkommen im Vergleich zum Vorjahr verbessert. § 12 Abs. 3 SGB II sieht jedoch keine Steuerrücklagen für Selbstständige als Schonvermögen vor. Lediglich die Krankenversicherung wird bei Leistungsbezug vom Jobcenter übernommen. Der niedrige Grundfreibetrag führt zusammen mit dieser Gesetzeslücke im SGB zu absurden Situationen. Ein Kleinunternehmer, der im Jahr 2008 noch Leistungen vom Jobcenter bezog, da sein Nachhilfeunternehmen an seinem früheren Standort nur wenig Gewinn abwarf, erzielte im Folgejahr nach Krankenversicherung und vor Steuern ein gewerbliches Einkommen von 20000 ¤. Davon war er zu ca. 8700 ¤ Kindesunterhalt für drei minderjährige Kinder verpflichtet. Sein verbleibendes Einkommen reichte zur Bestreitung des Lebensunterhalts aus, da das Finanzamt aufgrund der Steuerfreiheit des Vorjahres keine Vorauszahlungen festlegen wollte. Im Jahre 2012 fiel er jedoch trotz mittlerweile gutem Arbeitseinkommens in Festanstellung durch gestundete 3000 ¤ Einkommensteuer und Zinsen unter den Regelsatz fpr Hartz-IV-Bezieher. Eine geradezu groteske Konstellation.

Gerade die CDU als Interessenvertreter des Mittelstands hätte hier längst handeln können und entsprechende sozialrechtliche Schutzregelungen für Selbstständige ins II. Sozialgesetzbuch einfügen können. An diesem Beispiel erkennt man jedoch, dass der Einsatz für den Mittelstand nur ein Lippenbekenntnis ist. Womit wir bei der politischen Würdigung wären. Wenn Sie als Leser bei abgeordnetenwatch.de den vorhergehenden Absatz vollständig durchgelesen haben, kriegen Sie einen Eindruck, mit welchem unverhältnismäßig hohen bürokratischen Aufwand Kleinunternehmer, die ihren Lebensunterhalt nach Steuern nicht in angemessener, d.h. existenzsichernder Weise selbst bestreiten können, konfrontiert sind. Abgesehen von monatlichen Gewinnermittlungen für das Jobcenter, die erst im übernächsten Monat in die Berechnung des Bedarfs einfließen, ist der Selbstständige mit einer Besteuerung konfrontiert, die keine Rücksicht auf tatsächlich vorhandene Steuerrücklagen und auf nachträgliche Unterschreitung der Hartz-IV-Sätze nimmt. Da dies nachträglich geschieht, und rückwirkende Anträge auf Sozialleistungen nicht möglich sind, haben Sie als Unternehmer keine rechtliche Handhabe. Eine Gleichbehandlung kann es nur geben, wenn das Existenzminimum jedem Bürger sofort und unmittelbar zur Verfügung steht, d.h. Grundfreibetrag plus 300 ¤ Krankenversicherung laufend ausgezahlt werden würde. Über diese 977,50 ¤ hinaus wird jeder Euro versteuert. Das ist gerecht, verursacht viel weniger Bürokratie und liefert einen echten Leistungsanreiz. Es erleichert langwierige Existenzgründungen, da eine Absicherung vorhanden ist, könnte damit eine Gründerwelle auslösen und führt dazu, dass sich auch geringer qualifizierte Arbeit wieder lohnt, da man mit jedem verdienten Euro weitere 50 Cent weiter über dem Existenzminimum liegt und nicht wie heute gleichauf mit Hartz-IV-Beziehern ist. 50 Cent pro Euro an Steuern werden dann zwar notwendig sein, aber es lohnt sich sowohl für den Selbstständigen als auch für den abhängig Beschäftigten dann, wieder Einkommen zu erzielen. Diese Idee steht einem derzeit leistungsfeindlichen System gegenüber. Dieses System wurde durch die Agenda 2010 von SPD und Grünen eingeführt und von der Regierungskoalition beibehalten. Nichts mit "Leistung lohnt sich". Das gilt nur für Großverdiener, die hier dank der komplizierten Steuergesetzgebung mit vielen Schlupflöchern und findigen Steuerberatern wenig oder keine Steuern zahlen und deswegen von dem übrigen Geld aus Dankbarkeit für die Nichtbeseitigung des Steuerdschungels, von dem ausnahmslos sie profitieren, ein paar Euro an die Regierungsparteien spenden. Die Idee, gerechterweise jedem seinen Grundfreibetrag plus Krankenversicherung auszuzahlen, ist übrigens nicht neu. Sie wird nur von CDU, SPD und FDP medienwirksam bekämpft und mit Vorurteilen befeuert, weil dann "niemand mehr arbeiten würde". Bei den Grünen und den Linken gibt es einige Anhänger dieser Idee, aber so richtig ist man dort noch nicht davon überzeugt. Diese Idee nennt sich Grundeinkommen. Wir haben sie bereits 2011 beschlossen und wollen die Finanzierungsmöglichkeiten bei einem Einzug in den Bundestag von einer Enquêtekommission prüfen lassen. Es müssen ja nicht unbedingt die 0,50 ¤ Einkommensteuer pro Euro sein - auch andere Finanzierungen wie über die Umsatzsteuer sind möglich. Informieren Sie sich am Besten einmal in unserem Wahlprogramm.

Freundliche Grüße,
Dipl.-Phys. Volker Dyken