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Ute Vogt
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Frage von Regine L. •

Frage an Ute Vogt von Regine L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Vogt,

wie ich erfuhr, ist die Kirche mit 1,3 Mio. Beschäftigten der 2. größte Arbeitgeber in der BRD. Viele kirchliche Einrichtungen werden teilweise bis zu 100% aus Steuergeldern finanziert und unterliegen trotzdem dem Tendenzschutz: homosexuelle und geschiedene MitarbeiterInnen können fristlos gekündigt werden u.a. Wie kann das sein, dass ein zu 100% aus staatlichen Mitteln finanzierter Betrieb ganz zulässig und legal Menschen diskriminieren kann? Wie kann das sein, dass zu 100% staatlich-finanzierte katholische Krankenhäuser nicht die Abtreibungspille verschreiben? Mir ist schon klar, dass das Subsidiaritätspriznzip die freien Träger fördert - aber wenn der Staat finanziert, dann sollte dieser doch auch ein Mitspracherecht haben und erwarten dürfen, dass sich diese geförderten Träger zumindest an das Grundgesetz halten, oder? Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie mir das erklären könnten oder wenn möglich, eine Eingabe oder Anfrage (weiß nicht so genau, wie sich das nennt) im Bundestag zu stellen.

Ich freue mich auf Ihre Antwort und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
R.L.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Lehnig,

vielen Dank für Ihre Frage.

Sie haben recht: Vergewaltigte Frauen müssen in allen deutschen Kliniken jede Hilfe erhalten, die sie benötigen. Dazu zählt auch eine Notfallverhütung. Das Verhalten der katholischen Kliniken in Köln darf sich nicht wiederholen. Die rot-grüne Landesregierung prüft rechtliche Schritte gegen dieses Verhalten. Der Vorfall ist nur ein Beispiel für die Probleme, auf die Frauen bei der Notfallverhütung stoßen können. Deshalb will die SPD-Bundestagsfraktion, dass die „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel endlich auch in Deutschland rezeptfrei in Apotheken zu erhalten ist. Hierzu haben wir bereits im Oktober 2012 einen Antrag in den Bundestag eingebracht.

Allgemein geltende Arbeitnehmerrechte müssen auch in Einrichtungen der Kirche gelten. Persönlich bin ich der Ansicht, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kirchlichen Arbeitsverhältnissen, wie andere Beschäftigte auch, vor unzulässiger Benachteiligung oder Kündigung durch den Arbeitgeber geschützt werden müssen. Bezüglich der Kündigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei Scheidung oder Homosexualität in kirchlichen Einrichtungen ist insbesondere die katholische Kirche gefordert, ihre Loyalitätsanforderungen zu überdenken.

Die Kirchen sind gemäß Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Weimarer Reichsverfassung berechtigt, ihre eigenen Angelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln, so genanntes Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und der ihnen zugeordneten Einrichtungen. Das kirchliche Sonderrecht zur Schaffung eines eigenen Arbeitsrechtssystems wird als „Dritter Weg“ bezeichnet. Darüber hinaus gibt es die so genannte Kirchklausel in Paragraf 9 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Diese gilt für Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder für Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion zur Aufgabe machen. Hiernach können Kirchen ihre Beschäftigten mit Rücksicht auf deren Religion oder Weltanschauung auswählen dürfen, soweit dies im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit gerechtfertigt ist.

Rein rechtlich sind den Kirchen daher unter bestimmten Voraussetzungen im Arbeitsleben Ungleichbehandlungen gestattet. In der Rechtsprechung ist allerdings noch nicht abschließend geklärt, wie weit diese gehen dürfen.

Herzliche Grüße

Ute Vogt