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Frage von Peter A. •

Frage an Ulla Jelpke von Peter A. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Jelpke,

ist es nicht so, dass die EU sich mitschuldig macht, wenn Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken?

Ein Entwicklungsökonom meint, dass wir die Menschen in den Tod locken, wenn wir falsche Erwartungen erwecken. Siehe diesen Bericht:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/entwicklungsoekonom-paul-collier-wir-locken-die-menschen-in-den-tod-12645559.html

Wäre es nicht besser, wenn die EU nur den politische Verfolgte o.ä. Asyl gewährt?
Warum lässt man Menschen in die EU die offensichtlich illegal einreisen?

Mit freundlichen Grüßen

Peter Albrecht

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Albrecht,

es tut mir leid, dass Ihre Anfrage offenbar bei uns im System vorübergehend untergegangen ist. Im Rahmen einer Abfrage der noch offenen Fragen bei abgeordnetenwatch.de wurde Ihr Anliegen nun aber doch noch an mich weitergeleitet, so dass ich aufgrund der nach wie vor bestehenden Aktualität des von Ihnen angesprochenen Themas wie folgt antworten möchte.

Es ist in der Tat so, dass die EU sich mitschuldig gemacht hat - und immer noch macht - wann immer Flüchtlinge bei der Überfahrt über das Mittelmeer ertrinken. Wie Sie sicher aus den Medien wissen, waren das in der ersten Hälfte des Jahres 2015 bereits rund 2.000 - eine erschreckend hohe Zahl.

Nun möchte ich auf einige Aussagen des Artikels eingehen, auf den Sie verwiesen haben.

"Es ist lächerlich, dass die Europäische Union die Leute erst ignoriert und sie dann mit Rechten überschüttet, sobald sie einen Fuß auf den Strand von Lampedusa setzen."

Leider kann ganz und gar keine Rede davon sein, dass Flüchtlinge mit Rechten überschüttet werden, sobald sie die gefährliche Überfahrt überlebt und das europäische Festland erreicht haben. Derzeit werden sie in völlig überfüllte Auffanglager , zumeist in Griechenland und Italien, gepfercht. Sie erhalten oft monatelang keine gesicherte Rechtsstellung und leben in ständiger Unsicherheit, ob, wo und bis wann sie zukünftig bleiben dürfen. Es handelt sich dabei um teilweise schwerst traumatisierte, schutzbedürftige Menschen aus Krisengebieten. Durch die damals wie heute betriebene Abschottungspolitik der EU und das Dublin-System werden diese Menschen verobjektiviert und größtenteils als anonyme Zahlen oder Größen behandelt, ohne ihre elementaren Grundrechte zu achten. Beispiel hierfür ist das aktuell vieldiskutierten Quotensystem als sogenannte Notfallmaßnahme, welches einen Teil der Flüchtlinge aus Italien und Griechenland auf verschiedene EU-Mitgliedstaaten umverteilen soll.

"Jeder, der mit dem Boot kommt, sollte automatisch zurückgeschickt werden. Erst wenn das durchgesetzt wird, werden die Leute aufhören, es zu versuchen."

Die aktuelle Lage beweist, dass es gerade nicht so ist. Flüchtlinge setzen sich auch in lecke und überfüllte Boote, eben weil sie keine andere Wahl haben. Das Elend und die Verzweiflung, in denen diese Menschen leben, sind so groß, dass sie ihr Leben aufs Spiel setzen für die unbestimmte Aussicht auf ein bisschen Sicherheit.

"Aber wir müssen das mit besseren Angeboten kombinieren, auf legalem Weg nach Europa zu kommen."

Ein wichtiger Punkt: Nur durch die Schaffung legaler Einreisemöglichkeiten können wir verhindern, dass Flüchtlinge sich in die Hände von Schleusern begeben müssen und ihr Leben auf gefährlichen, illegalen Wegen nach Europa riskieren.

"Innerhalb Europas müssen wir von Einwanderungspolitik hin zu Integrationspolitik."

Auch hier gebe ich Herrn Collier insofern Recht, als dass wir definitiv eine Flüchtlings- und Asylpolitik brauchen, die auf eine nachhaltige Integration der Flüchtlinge gerichtet ist, und die nicht auf Abschottungs- und Abschreckungsmechanismen beruht.

"Wir brauchen eine bessere Wirtschaftspolitik, die das Geschäftsklima in diesen Ländern verbessert."

Auch dies ist ein weiterer wichtiger Punkt - vor allem langfristig. In den Herkunftsländern muss gegen die Fluchtursachen vorgegangen werden. Insofern sind auch die Industriestaaten in die Pflicht genommen, die durch Waffenlieferungen und empfindliche Eingriffe in die Wirtschaftssysteme der Herkunftsländer eine erhebliche Mitschuld an den jeweiligen Krisensituationen tragen.

Abschließend noch zu ihren letzten beiden Fragen: Die Menschen werden zu der illegalen Einreise nach Europa gezwungen, weil Ihnen keine legalen Alternativen zur Verfügung stehen. Das ist Teil der von der EU betriebenen Abschottungspolitik, die von der Überwachung der EU-Außengrenzen durch Frontex über Grenzzäune auf den Landwegen alles dafür tut, möglichst erst keine Flüchtlinge in den europäischen Raum hinein gelangen zu lassen. Ein fataler Ansatz, der schon viel zu viele Menschenleben gekostet hat.

Und zu den Asylgründen: Im Flüchtlingsrecht gibt es bestimmte Rechtsgrundlagen, nach denen bemessen wird, ob jemandem Asyl zugestanden wird oder nicht, das kann in Deutschland zum Beispiel das Grundgesetz sein (Art. 16a GG) oder etwa die Genfer Flüchtlingskonvention. Viele Fluchtursachen und Notsituationen, wie z.B. eine Hungersnot oder Umweltkatastrophen werden jedoch gar nicht als Asyl- oder Fluchtgrund anerkannt. Insofern ist das "Anspruchsnetz" schon sehr engmaschig gestrickt.

Wenn Sie mehr zu der Position der Linksfraktion zu asyl- und flüchtlingspolitischen Fragen erfahren wollen, werfen Sie doch einen Blick in unseren Antrag "Flüchtlinge willkommen heißen – Für einen grundlegenden Wandel in der Asylpolitik", BT-Drs. 18/3839 ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/038/1803839.pdf ).

Mit freundlichen Grüßen

Ulla Jelpke