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Thomas Fischer
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Frage von Anette H. •

Frage an Thomas Fischer von Anette H. bezüglich Soziale Sicherung

Welche Position vertreten Sie bezüglich des geplanten Verkaufs der Berliner Sparkasse?
Befürworten Sie den Börsengang der DB?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Henßler,

bitte sehen Sie es mir nach, daß ich erst jetzt zur Beantwortung Ihrer Fragen gekommen bin, aber diese haben es in sich, weil sie wirklich komplizierte Vorgänge betreffen.

Die Berliner Sparkasse muß verkauft werden, weil die EU-Kommission dies in Folge der Abwicklung des Bankenskandals so verlangte, anderenfalls wären die Garantieerklärungen (auch als „Risikoabschirmung“ bezeichnet) des Landes Berlin zugunsten der Bankgesellschaft Berlin nicht genehmigt worden. Diese wiederum waren u.a. deswegen erforderlich, weil das Land Berlin als Gewährträger für die Verbindlichkeiten der Bankgesellschaft bzw. der Sparkasse unmittelbar einstehen muß.

Dies scheint der EU-Kommission ein Dorn im Auge zu sein, weil sie meint, daß öffentlich-rechtliche Anstalten wie die Sparkassen gegenüber den privaten Banken bevorzugt würden, weil sie mit der eben erwähnten Garantie ihrer Träger ausgestattet sind, anders die privaten Banken, die das wirtschaftliche Risiko ihres Geschäftsbetriebes grundsätzlich selbst tragen müssen.
Ich meine, daß die EU-Kommission die besondere Rolle der Sparkassen in Deutschland ausblendet, die darin besteht, daß sie in besonderer Weise dem Gemeinwohl verpflichtet sind, indem sie die lokale Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen bedienen sollen, den regionalen Wirtschaftskreisen verpflichtet sind, einer zweckgebundenen Gewinnverwendung unterliegen und einer besonderen Staatsaufsicht unterliegen. Sparkassen dürfen nur in ihrer Region tätig werden, Expansionsmöglichkeiten sind ihnen also verwehrt. Ähnliche Regelungen gibt es übrigens auch in Spanien und Frankreich.

Wenn also auch wegen der Haushaltsnotlage Berlins und den zu erwartenden Auflagen des Bundesverfassungsgerichts die Berliner Sparkasse verkauft werden muß, dann müssen diese öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen auch nach einer diskriminierungsfreien Veräußerung (d.h. auch private Interessenten dürfen sich beteiligen) gesichert werden. Dies war und ist nach meiner Kenntnis Ziel des Sparkassengesetzes von 2005, die neue Sparkassen-Konstruktion ist nach diesem Gesetz und dem daraus folgenden Verträgen verpflichtet, die oben genannten Verpflichtungen zu beachten. Ich denke, daß bei sorgfältigster Beachtung dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen durch das Land Berlin damit auch ein Verkauf der Sparkasse an private Bankengruppen möglich ist. Dies war zum Beispiel in Bayern, NRW und Rheinland-Pfalz der Fall.

Eine endgültige Bewertung wird höchstwahrscheinlich nicht in Berlin, sondern vor dem Europäischen Gerichtshof erfolgen, weil die EU-Kommission von Deutschland verlangt, die Schutzbestimmungen für Sparkassen aufzuheben. Ich würde das angesichts der historisch gewachsenen Rolle und Bedeutung der Sparkassen für sehr bedauerlich halten.

Im Falle des Börsenganges der Deutschen Bahn meine ich, daß unbedingt das Schienennetz vom Betrieb abgetrennt werden muß, dieses hat als Teil der öffentlichen Infrastruktur bis in entlegene Orte in der Hand des Staates zu bleiben. Nur auf diese Art und Weise läßt sich eine gesunde Konkurrenz verschiedener Anbieter realisieren, die meines Erachtens positive Auswirkungen auf Kundenfreundlichkeit, Effizienz und Preisvorteilen haben wird. Daß dies funktionieren kann, zeigt in meinen Augen die Öffnung des Telefonmonopols, oder, bezogen auf die DB, der Bahnbetreiber „Connex“, der wesentlich günstigere Tarife an die Ostsee oder nach Leipzig anbietet. Und das die Bundesbahn Konkurrenz nötig hat, ist ihr allein schon wegen ihres Chefs Mehdorn zu wünschen, der alles tut, um genau dies zu verhindern. Da braucht man als Berliner gar nicht an die in der Begründung sehr merkwürdige Schließung des Bahnhof Zoo oder die Verschrottungsaktionen von neuesten Güterwagen oder gut erhaltenen Lokomotiven zu denken, nur damit diese nicht von Mitbewerbern eingesetzt werden können. Diese Art Gutsherrenmentalität verträgt sich nicht mit diesem weltweit bekannten Unternehmen.

So, ich hoffe, auch Ihre Fragen einigermaßen beantwortet zu haben und verbleibe für heute

mit freundlichen Grüßen
Thomas Fischer