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Stephanie Iraschko-Luscher
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Frage von Manfred R. •

Frage an Stephanie Iraschko-Luscher von Manfred R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Iraschko-Luscher,

obwohl Sie mir viel Material anbieten, fällt es mir schwer darin ausreichende und klare Antworten auf meine Fragen zu finden.

So sind z.B. Ihre zur Frage von Einsparungsmöglichkeiten vorgelegten Zahlen sehr interessant und es wäre ein Fortschritt in Richtung gesunder Haushalte, wenn sich wenigstens das meiste davon verwirklichen ließe. Allein, mir fehlt – aus langjähriger Erfahrung – der Glaube. Leider ist es mir nicht möglich, die Belastbarkeit Ihrer Zahlen zu prüfen. Da müßte ich über den personellen Apparat eines starken Lobbyvereins oder eines Ministeriums verfügen. Aber auch wenn sich die zahlen als belastbar erweisen würden, wäre noch offen, wie diejenigen reagieren, die bisher von diesen Ausgaben profitieren, und wie deren zu erwartender widerstand überwunden werden soll. Und schließlich wird die FDP einen oder mehrere Koalitionspartner überzeugen müssen, die ihre eigenen Wunschlisten vorlegen werden. Also: Viele Fragezeichen. Was wird schließlich von solchen Wunschlisten übrig bleiben, wenn erst einmal die Wahl gewonnen ist und dann wieder persönliche und Parteiinteressen vorrangig das Handeln der Politiker bestimmen?

Das gilt auch für den Bürokratieabbau, der seit über 20 Jahren (z.B. 1982 in der Regierungserklärung von Helmut Kohl neben anderen Reformen vollmundig angekündigt) nicht wirklich vorankommt. Viel zu stark sind offensichtlich die Nutznießer, die selbst von den katastrophalen Folgen der Überbürokratisierung für die Volkswirtschaft und einen wachsenden Teil der Bevölkerung (noch) nicht betroffen sind. Bedenkt man allein, wieviele schöne Posten mit guten Pensionsansprüchen vom Blühen der Bürokratie abhängen, welche Karriere- und Einkommenschancen! Warum sollten ausgerechnet Politiker, die selbst überwiegend aus dem Öffentlichen Dienst kommen, den Bürokratieabbau vorantreiben? Sie sind eher der sprichwörtliche Bock, den man mit dieser Aufgabe zum Gärtner macht. Deshalb würde ich vorsichtshalber nur von möglichen Kosteneinsparungen und Effizienzgewinnen sprechen, die aber sicherlich einer beträchtlichen von Politikerinteressen unabhängigen Macht bedürfen, um sie zu verwirklichen. Den etablierten Parteien traue ich in dieser Hinsicht keine Großtaten zu..

Jahrzehntelange laxe Haushaltsdisziplin kann ohnehin nicht durch Einsparungen ausgeglichen werden. Solange die Politiker ungestraft das Geld zum Fenster hinauswerfen dürfen, wird das Schuldenmachen weitergehen. Die faktische Abschaffung der Maastricht-Kriterien zeigt, worauf wir uns einstellen müssen. Aber solange der Kapitalverkehr noch frei ist, braucht das keinen wohlhabenden Bürger zu beunruhigen. Was halten Sie davon, Haushalts- und vor allem Ausgabendisziplin der Politiker gesetzlich zu erzwingen?

Eine Neukonzipierung des Steuersystems ohne weitere Steuergeschenke an die, die sowieso schon viel mehr haben, als sie brauchen, wäre auch eine Gelegenheit, die Haushalte zum Zeitpunkt des Inkrafttretens solcher gesetzlicher Beschränkungen wieder ins Lot zu bringen.

Ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu, daß nur das verteilt werden kann, was vorher erwirtschaftet worden ist. Aber 1. ist das, was überhaupt erwirtschaftet werden kann nicht unabhängig davon, wie es verteilt wird. Wir sehen das z.B. an dem durch die Erosion der unteren und mittleren Einkommen verursachten Rückgang des Konsums und seinen Folgen. 2. Verteilt sich das Erwirtschaftete nicht von allein gerecht. Oder würden Sie behaupten, daß ein Vorstandsmitglied einer AG mit 10 Millionen Euro Jahreseinkommen 10.000mal soviel leistet wie der Billigjobber (fachlich qualifizierter 46jähriger Langzeitarbeitsloser), den er anstelle eines aus Kostengründen entlassenen Mitarbeiters in der Produktion hat einstellen lassen? Es gibt keine leistungsgerechten Einkommen, nur markt- bzw. machtgerechte. Und deshalb haben alle verständigen Menschen m.E. die moralische Pflicht, dafür zu sorgen, daß nicht wenige auf Kosten vieler allzu unangemessene Beute machen.

Viele Fragezeichen stehen auch hinter den berechneten Wirkungen Ihres bzw. des FDP-Steuerkonzepts. Daß ein radikal vereinfachtes Steuersystem effizienter gehandhabt werden kann und weniger Arbeitskraft bei den Unternehmen, Finanzämtern und in den steuerberatenden Berufen bindet, ist plausibel. Aber daß dadurch zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, bezweifle ich. Im Gegenteil könnten zahlreiche Arbeitsplätze gestrichen werden, die bisher nur für das Zurechtfinden und das Überleben im Steuerdschungel notwendig sind. Neue Arbeitsplätze entstehen dagegen nur, wenn die Unternehmen das, was an ihnen produziert wird, mit Gewinn verkaufen können. Dazu muß aber eine entsprechende Nachfrage vorhanden sein. Die wird bestimmt nicht dadurch geschaffen, daß die Bezieher hoher und höchster Einkommen noch weniger Steuern zahlen, während die Talfahrt der verfügbaren Realeinkommen im unteren und mittleren Bereich durch die faktische Ausweitung von Billigjobs, selbständigen Kümmerexistenzen und die allmählich vollständige Überwälzung der Sozialkosten auf die Arbeitnehmer weiter anhält.

Für den Bürger und seine möglichen Konsumausgaben ist einzig und allein das entscheidend, was er nach Abzug aller notwendigen Kosten für den bloßen Lebensunterhalt und aller staatlich verordneten Kosten noch an frei verfügbarem Geld übrig hat. Wenn man die Sozialkosten vom Arbeitsverhältnis abkoppelt und dem einzelnen Bürger allein auflastet, sieht das Bild, das Sie von der segensreichen Wirkung des FDP-Stufentarifs gemalt haben, nämlich sehr viel anders aus. Da sollte einmal eine Gesamtrechnung aufgestellt werden, die selbstverständlich auch alle noch in Kraft befindlichen Steuervergünstigungen, Subventionen und Sozialtransfers einbeziehen muß.

Mein Vorschlag sind Beispiel-Rechnungen, die sämtliche Steuern und Sozialabgaben (bzw. auf den Bürger abgewälzte freiwillige oder gesetzliche Versicherungs- und Vorsorgepflichten) sowie Sozialtransfers erfassen, sodaß für eine festgelegte Reihe von angenommenen Einkünften (500, 1000, 1500, 2000, 3000 usw. Euro monatlich bis hinauf zu Einkommen im 6- und 7-stelligen Bereich die verbleibenden Nettoeinkommen ermittelt und in ein prozentuales Verhältnis zu den Einkünften gesetzt werden können. Es müßten zudem die Verhältnisse bei privat abhängig Beschäftigten, öffentlich Bediensteten (Beamte getrennt), Freiberuflern, Landwirten, Gewerbetreibenden und Politikern (unterschieden nach den vorstehenden Gruppen) dargestellt werden. Mit diesen Tabellen, die veröffentlicht /z.B. auch ins Internet gestellt werden) müßten, wäre es endlich jedem Bürger möglich die Auswirkungen der verschiedenen Steuer- und Sozialkonzepte der Parteien auf ihn persönlich zu beurteilen. Wäre das nicht endlich einmal ein Beitrag zur Transparenz des politischen Macht- und Ränkespiels?

Sinken die verfügbaren Realeinkommen, kann der volkswirtschaftliche Ausgleich nur über eine Senkung der Lebenshaltungskosten erfolgen. Das geschieht im wesentlichen von selbst durch das Absinken der Nachfrage, das bei den Produzenten zu Absatzeinbußen und Preisdruck führt und die in Deutschland längst ingang gekommene Abwärtsspirale von Einkommensenkung-Preisdruck-Arbeitslosigkeit-Einkommensenkung usw. immer schneller weiterdreht. Eine fatale Entwicklung, die die Politiker entweder noch gar nicht begriffen haben, oder die ihnen als nicht unmittelbar Betroffene gleichgültig ist.

Gemildert und im Idealfall sogar aufgehalten werden könnte die Abwärtsspirale dadurch, daß z.B.

- die hohen Einkommen (gerechterweise) stärker zur Finanzierung der unverzichtbaren Gesundheits- und Altersvorsorge und -sicherung herangezogen werden, um die geringen und mittleren dadurch von ihrer relativen Überlast zu befreien,
- die Versorgungsmonopole daran gehindert werden, durch überhöhte Preise die Verbraucher auszubeuten und Industriebetriebe in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen,
- mögliche Einsparungen und Effizienzgewinne beim Bürokratieabbau vorzugsweise zur Anhebung der verfügbaren Einkommen im unteren Bereich verwendet werden, z.B. durch Erhöhung des Grundfreibetrages und/oder Senkung des Eingangssteuersatzes,
- die Möglichkeit der Privatenteignung von Kleinaktionären durch Großaktionäre (Squeeze out) beseitigt wird, um so die Vernichtung von Kapitel, das der Altersversorgung dienen soll, zu verhindern,
- endlich Wettbewerb im Gesundheits(un)wesen durchgesetzt wird,
- alle Einkommensgruppen gerecht an den Kosten der sozialen Versorgung beteiligt werden, unabhängig davon, ob man die nun privatisieren oder in der Verfügungsmacht der Politiker belassen möchte; jedem Bürger steht eine angemessene Versorgung deutlich oberhalb der Sozialhilfeschwelle zu,
- die Vermögen einschließlich Pensionsansprüchen Krimineller vollständig abgeschöpft und dem Staatshaushalt zugeführt werden,

um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Was halten Sie von diesen ausschließlich aus der Sicht des Allgemeinwohls vorgeschlagenen Rettungsmaßnahmen vor einem Durchdrehen der volkswirtschaftlichen Abwärtsspirale?

In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir den Hinweis, wie undurchdacht, ja absurd die sogenannte Reformpolitik ist. Einerseits sollen die Bürger für ihre Altersversorgung in steigendem Umfang selbst aufkommen, weil die Politiker die gesetzliche Rentenversicherung an die Wand gefahren haben. Andererseits werden Arbeitslose, die fleißig gespart haben, um gerade dieser Forderung zu entsprechen, nach Hartz IV. bis auf einen kümmerlichen Rest vollkommen ausgeplündert. Wen kümmern schon die Folgen: Eine unzureichende Altersversorgung, möglicherweise zur Aufstockung der unzureichenden Rente zusätzliche Ansprüche auf Sozialhilfe, Wohngeld, Finanzierung von ärztlichen Behandlungskosten usw. und – nicht zuletzt – Mitbürger, die sicherlich diesen Staat (oder besser: seine Repräsentanten) zum Teufel wünschen. Einen schlechteren Dienst können Politiker dem Gemeinwesen, von dem sie schließlich sehr gut leben, gar nicht erweisen. Aber Denken in größeren Zusammenhängen ist wohl nur wenigen Menschen gegeben; bei den meisten endet der Horizont offensichtlich an der eigenen Nasenspitze.

Wir sind uns einig, wenn Sie schreiben: „ Gerechtigkeit im Steuerrecht heißt, dass jeder Steuerbürger nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert wird. Dafür müssen Steuerschlupflöcher geschlossen werden. Kein Steuerbürger, auch nicht der mit einem hohen Einkommen, darf sich durch geschickte Gestaltung gegenüber dem Finanzamt arm rechnen können.“ Ich stelle jedoch in Abrede, daß das FDP-Steuerkonzept die im ersten Satz formulierte Bedingung erfüllt. Und ob die FDP bei einer möglichen Regierungsbeteiligung (sofern Stoiber, Oettinger & Co den bisher wahrscheinlichen Wahlsieg der CDU/CSU nicht noch verhindern können) die im zweiten Satz formulierten Bedingungen tatsächlich schafft, wage ich nach den Erfahrungen der Vergangenheit sehr zu bezweifeln. Schließlich besteht die Klientel der FDP mehrheitlich aus Leuten, die vom derzeitigen System profitieren. Ohne aber durch die Steuergesetzgebung für eine gerechtere Verteilung der gemeinsam erarbeiteten volkswirtschaftlichen Wertschöpfung zu sorgen, z.B. durch niedrige Unternehmenssteuersätze bei Abschaffung sämtlicher Steuervergünstigungen und höhere Steuersätze für die Privateinkommen, wird es aber nicht gehen, wenn wir nicht dem größten sozialen Entwicklungsland USA nacheifern wollen – mit allen Folgen.

Auf meine Nachfrage bezüglich der vom Gesetzgeber (wohlwollend?) geduldeten Steuerflucht in unsere südlichen Nachbarländer haben Sie nur ausweichend geantwortet, sodaß ich davon ausgehe, daß Sie bzw. Ihre Partei diese Möglichkeit, sich der Finanzierung der staat-lichen Allgemeinaufgaben zu entziehen, gutheißen. Was das mit Reisefreiheit zu tun hat, wenn man, wie übrigens andere Staaten auch, jeden Staatsangehörigen mit seinem gesamten Einkommen besteuert, gleichgültig, wo er sein Einkommen erzielt, verstehe ich allerdings nicht und bitte um Erläuterung. Daß ein einfaches Steuerrecht allein die Steuerflucht eindämmen würde, ist m.E. bloßes Wunschdenken. Wenn Sie die Steuerflucht mit dem Einkommensteuersatz bekämpfen wollten, müßten sie jeden, der mehr als eine halbe Million Euro Beute im Jahr macht, von der Einkommensteuer befreien.

Daß erst jetzt allmählich energischer gegen den seit langem bekannten im großen Stil praktizierten Umsatzsteuerbetrug vorgegangen wird, zeigt nur allzu deutlich, wie nachlässig die verantwortlichen Politiker mit den großen Rechtsbrechern umgehen, während sie die „kleinen Leute“ verhartzen, wie man es schändlicher gar nicht machen könnte. Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt.

Übrigens: Ich bin jedesmal peinlich berührt, wenn Regierungspolitiker in ihrem Amtseid schwören, , und dann im Amt fröhlich und ungestraft gegen diesen Eid verstoßen. Was soll dieses Theater? Die Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder von Unternehmen und Vereinen schwören bei ihrem Amtsantritt doch auch nicht, daß sie den Nutzen der Eigentümer bzw. Vereinsmitglieder mehren und Schaden von ihnen abwenden werden, und machen ihren Job trotz zahlreicher inzwischen schon bekannter Ausnahmen mehrheitlich doch weit besser als die Politiker. Und persönlich zur Rechenschaft ziehen können Bürger, Eigentümer oder Vereinsmitglieder ihre Politiker, Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer ggf. doch – wenn überhaupt –nur unter größten Schwierigkeiten.

Zur Frage der Entlastung der Familien gebe ich zu bedenken, daß es zwar richtig ist, daß Kinder, die unser aller Zukunft sind, viel Geld kosten und deshalb auch eine Verpflichtung der Allgemeinheit besteht, sich an den Kosten zu beteiligen. Richtig ist aber auch, daß allzuviele Kinder heute nur noch von ihren Eltern finanziert, aber nicht mehr erzogen werden. Deshalb plädiere ich dafür, einen Teil der Mittel, die zur Förderung der Familien, besser: der Kinderaufzucht ausgegeben werden sollen, dazu verwendet wird, die Kinderbetreuung außerhalb des Elternhauses zu verbessern. Das ermöglicht nicht nur den Eltern, Kindererziehung und Beruf besser miteinander zu vereinbaren, sondern gibt auch die Möglichkeit, die Erziehung der Kinder im Hinblick auf soziale Fähigkeiten zu vervollständigen. Erziehung muß auch unmäßigem materiellen Anspruchsdenken entgegenwirken und zur Ausbildung eines guten ethischen und Rechtsbewußtseins beitragen. Was halten Sie davon?

Wer den Verfall der Rechtsmoral aufhalten möchte, braucht dazu entsprechend erzogene Menschen, für die Rechtschaffenheit und Anständigkeit noch Werte darstellen, und in den Führungspositionen von Staat und Wirtschaft braucht er Vorbilder. Aber Erziehung ist ein langfristiger Prozeß und wenn solche Menschen knapp werden, wie das derzeit bei uns der Fall zu sein scheint, müssen Rettungsmaßnahmen ergriffen werden. Wie wäre es damit, das Risiko für die Kriminellen auf dem Gebiet der Korruption, der Steuergeldverschwendung und des Machtmißbrauchs drastisch zu erhöhen. Bei anzunehmender hoher Dunkelziffer (in die künftig wohl (nur?) durch engagierte Journalisten tatsächlich sehr viel mehr Licht gebracht werden wird) und geringer Aufklärungsquote müßte zur Steigerung des Risikos das Strafmaß kräftig erhöht werden. Langjährige Gefängnisstrafen, die nicht zur Bewährung ausgesetzt und nicht verkürzt werden dürfen, oder noch besser: Einzug des gesamten Vermögens und Aberkennung sämtlicher Pensionsansprüche zugunsten der Staatskasse. Glauben Sie nicht auch, daß die Gefahr, für 10-15 Jahre hinter Gittern zu landen und alles zu verlieren, was ihnen lieb ist, nämlich ihre materielle Beute, die meisten Rechtsbrecher von ihren Untaten abhalten würde? Die gegenwärtige Rechtssituation und –praxis ist geradezu ein Anreiz für solche Straftaten.

Was wollen Sie unternehmen, um den Rechtsweg so effizient gestalten, daß nicht nur die Täter vor unrechtmäßiger Verfolgung, sondern endlich auch die Opfer wirksam vor unzumutbaren Beeinträchtigungen geschützt und von den Opfern entschädigt werden, damit es nicht mehr so oft heißt: Recht bekommen, aber trotzdem der Dumme gewesen?

„Mehr Arbeit schafft mehr Freiheit für mehr Menschen“, schreiben Sie. Was soll das heißen? Für mich ist das ein typischer Politikersatz – plakativ und inhaltsleer.

Tatsache ist doch, daß infolge der Erosion vor allem der unteren Einkommen immer mehr Menschen in unserem Lande für Hungerlöhne arbeiten, um nicht vollständig unterzugehen. Das sind in der übergroßen Mehrzahl keine Faulenzer und Tagediebe, sondern Menschen, die z.B. durch Rationalisierungsmaßnahmen zwecks wirtschaftlicher Sicherung des Betriebes und der verbleibenden Arbeitsplätze oder auch nur zugunsten weiterer Gewinnsteigerung, durch Fehlentscheidungen hochbezahlter und bestens versorgter Manager, oder auch infolge derer kriminellen Machenschaften ihren Arbeitsplatz verloren haben. Mangels Beschäftigungsmöglichkeiten, die ihrer Qualifikation und ihrem bisherigen Arbeitsplatz entsprechen und getrieben von der Furcht durch Ablehnung einer zugewiesenen, alles andere als ihrer Qualifikation und ihrer bisherigen beruflichen Stellung entsprechenden Arbeitsstelle, in noch größere wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht zu werden, nehmen sie ein x-beliebiges Job-Angebot an. Dann haben sie Arbeit. Aber ist das dann Freiheit? Ja, vielleicht für diejenigen, die von den billigen Arbeitskräften profitieren. Aber Freiheit durch einen ungeliebten Billigjob, der nicht einmal das Nötigste zum Überleben abwirft, geschweige denn zum Leben? Freiheit durch die Aussicht, im Alter von Sozialhilfe vegetieren zu müssen, während eine starke Minderheit sich die Taschen vollstopft, daß die Nähte platzen? Das wollen Sie doch hoffentlich nicht ernsthaft als Freiheit bezeichnen?

Richtig ist ja auch: Arbeiten muß sich (im Gegensatz zum Bezug von Sozialhilfe) lohnen. Aber wie soll das funktionieren, wenn durch den Angebotsdruck bei den Arbeitskräften infolge hoher Arbeitslosenzahlen und durch die Arbeitsmarkt-„Reformen“, die Arbeitseinkommen immer weiter gedrückt werden? Sollen dann die Sozialhilfeempfänger mit 250 oder 100 Euro im Monat auskommen, um noch einen motivierenden Abstand zu den sich ausbreitenden Niedriglöhnen zu gewährleisten?

Die hohen Lebenshaltungskosten (zu dessen Ursachen auch der teure staatliche Politik- und Verwaltungsapparat gehört, mit all den schönen Privilegien für Abgeordnete) können im globalen Wettbewerb nur mit entsprechend hoher Produktivität verdient werden. Das aber erfordert den Einsatz hochtechnologischer Hilfsmittel und steigert durch den damit verbundenen Ersatz menschlicher Arbeitskraft die Arbeitslosigkeit tendenziell noch weiter. Selbst wenn die Masseneinkommen stabil blieben oder sogar leicht anstiegen, wären wir noch weit von der Aussicht auf Vollbeschäftigung entfernt und ich neige inzwischen zu der Ansicht, daß wir sie überhaupt nie mehr erreichen werden. Was ansich begrüßenswert ist, daß nämlich die Menschen – gerechte Verteilung der gemeinsam erarbeiteten Wertschöpfung vorausgesetzt – weniger arbeiten müssen als bisher, um ordentlich und sorgenfrei leben zu können, kommt als Horrorszenario ins Bewußtsein.

Ich rate trotzdem allen Politikern, die sich nicht in den nächsten 10 Jahren zur Ruhe setzen möchten, sich ernsthaft über eine Gesellschaft Gedanken zu machen, in der Arbeitslosigkeit nicht nur faktisch normal ist – wie gegenwärtig – sondern als übliche, kürzere oder längere Phasen des erwerbsfähigen Daseins betrachtet wird, also nicht als Problem oder Makel, sondern als normale Alternative zur Erwerbstätigkeit. Auch die Arbeitslosen tragen in dieser hochproduktiven Gesellschaft der Zukunft zum gemeinsamen Wohlstand bei, indem sie zugunsten anderer (zeitweise) auf einen Arbeitsplatz verzichten (müssen). Deshalb haben sie auch das gleiche Recht wie diejenigen, die arbeiten (dürfen), angemessen am gemeinsam erarbeiteten Wohlstand teilzunehmen. Sozialhilfe brauchte es für deutsche Staatsangehörige dann gar nicht mehr zu geben, weil jeder – z.B. in Form einer negativen Einkommensteuer – seine Mittel für einen angemessenen Lebensunterhalt als Anteil an der gemeinsam erarbeiteten Wertschöpfung erhält.

Wer Freiheit zur (Selbst-)Verantwortung fordert – und das tue ich genauso wie Sie – muß auch die Voraussetzungen schaffen, damit alle Bürger ihrer Selbstverantwortung entsprechen können, und er muß an die denken und für die Verantwortung übernehmen, die trotz aller wohlgemeinten gesetzgeberischen Maßnahmen dazu keine Möglichkeit haben – schlicht und einfach mangels Masse, weil sie bei der Verteilung des gemeinsam erarbeiteten Wohlstand zu kurz kommen oder – aus welchen Gründen auch immer – gänzlich außen vor bleiben. Da aber alle Bundesbürger die insgesamt zu verteilende Wertschöpfung der deutschen Wirtschaft erarbeiten, nicht nur diejenigen, die sich bevorzugt davon bedienen können, haben auch alle Bundesbürger ein unveräußerliches Recht auf einen angemessenen Anteil, der ihnen die angemessene Teilnahme und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Erst wenn sich diese Erkenntnis allgemein durchgesetzt hat, werden Politiker wirklich zukunftsorientierte Politik betreiben können, anstatt nur kurzsichtige Flickschusterei unter geflissentlicher Schonung der eigenen Klientel.

Ich fürchte, unser einstiges Wirtschaftswunderland wird mit oder ohne Neuwahl noch sehr viel weiter heruntergewirtschaftet werden. Ein großer Wurf ist mit den etablierten Kräften nicht zu erwarten. Man wird sich weiter durchwursteln und dabei den Karren Deutschland immer weiter in den Dreck fahren. Je mehr Bürger von den Politikern dabei ins Abseits gedrängt werden, je mehr soziale Verlierer sie mit ihren „Reformen“ produzieren, desto stärker wird der Unmut in der Bevölkerung wachsen und vermehrt Gegenreaktionen mit unkalkulierbaren Folgen provozieren. Die Auflösungserscheinungen in der SPD, die kaum verhüllten Machtkämpfe in der CDU/CSU, und die ersten unbeholfenen Ansätze zu neuen Volksparteien halte ich nur für ein Vorspiel bevorstehender größerer politischer Veränderungen. Wir dürfen gespannt sein, in was für einem Staat wir in 10-15 Jahren leben werden.

Mit freundlichen Grüßen
Manfred Rüdenauer

www.dervolksmund.de

Portrait von Stephanie Iraschko-Luscher
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Rüdenauer,

auf Ihre Frage, welche Berechnungen die FDP zu den Punkten ihres Wahlprogramms angestellt und mit welchem Ergebnis hat, habe ich Ihnen wahrheitsgemäß geantwortet. Dass niemand gern auf seine - aus dessen subjektiver Sicht immer als sog. "sozial gerecht" betrachteten - Vergünstigungen gern verzichtet ist wohl menschlich. Für die FDP ist jedoch entscheidend, wie es den Menschen in diesem Land insgesamt wieder besser gehen kann. Im Gegensatz zu anderen hat die FDP ihre Zahlen schon vor
Monaten auf den Tisch gelegt. Ich gebe Ihnen Recht, dass es derzeit für die FDP nicht nach einer absoluten Mehrheit aussieht und sie daher eine Koalition mit der Union anstrebt, da die Schnittmenge, trotz vieler Unterschiede mit ihr noch am größten ist. Keine Koalition ist eine Liebesheirat, wie überall im Leben kommt es auch hier auf Kompromisse an. Wenn die FDP in einer Koalition mit der Union die Rückendeckung des Wählers hat, wird es den großen Wurf auch geben. Nur mit einer starken FDP wird ein
Politikwechsel überhaupt möglich. Denn der Regierungswechsel ist nicht das Ziel, das Ziel heißt Politikwechsel. Ich erinnere an die Begründung von Bundespräsident Köhler für diese Neuwahlen. Wir stehen vor einer entscheidenden Weichenstellung für das Land.

Ihr geradezu machiavellistisches Bild von PolitikerInnen teile ich nicht. Die große Mehrheit von ihnen, das meine ich über Parteigrenzen hinweg, arbeitet wirklich hart und engagiert für die jeweilige politische Überzeugung. Öffentlich wahrgenommen werden vor allem jedoch Negativbeispiele. Ich kann mich an dieser Stelle nur wiederholen: Schwarze
Schafe gibt es bedauerlicherweise überall. Es gibt sie in der Wirtschaft, in den Medien und selbstverständlich auch in der Politik; ja sogar in den Reihen der Redenschreiber soll es sie geben. Die FDP will Deutschland erneuern. Nicht damit einige von uns etwas werden können, sondern damit es in Deutschland wieder besser wird.

Bei keiner Partei fehlt das Wort Bürokratieabbau im Wahlprogramm. Abstrakt möchte dies jede Partei. Wird man konkret wie die FDP - etwa bei den Steuern - werden wieder die Stimmen laut die meinen, dass hier und da ja doch noch mehr differenziert, der Einzelfall bedacht oder ein Ausnahmetatbestand geschaffen werden müsse. Deutschland steht am Scheideweg. Die ersten beiden Jahrzehnte der Bundesrepublik waren geprägt vom
Erwirtschaften. So entstand das Wirtschaftswunder. Dann folgten drei Jahrzehnte, die vom Verteilen geprägt waren. Deutschland braucht jetzt wieder überlebensnotwendig eine Zeit des Erwirtschaftens. Die FDP setzt sich diesen notwendigen Systemwechsel vom Verteilungsstaat zur Erwirtschaftungsgesellschaft zum Ziel. Der Verteilungsstaat erhob Gleichheit und soziale Gerechtigkeit zu seinem obersten Prinzip. Das Streben nach
Gleichheit glitt schleichend in Gleichmacherei ab. Die Fairness in unserer Gesellschaft blieb auf der Strecke. Der Verteilungsstaat hat das Verteilen vor das Erwirtschaften gestellt. Er hat Mitmenschlichkeit und Verantwortung verstaatlicht und Leistung enteignet. Die Verteilungspolitik schafft Probleme, die dann durch noch mehr Verteilung gelöst werden sollen. Verteilung und Umverteilung, das muss vielleicht noch stärker bewusst gemacht werden, ist immer gleichbedeutend mit teurer Bürokratie.

Nach dem Grundgesetz wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Das ist keine Einbahnstraße. Parteien leben nur durch ihre Mitglieder. Mitglieder sind Menschen, die wiederum Teil des Volkes sind. Sie sind gerne eingeladen sich aktiv in den politischen Willensbildungsprozess der FDP einzubringen.

Die FDP setzt sich auf allen staatlichen Ebenen für eine konsequente Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ein. Die Schulden von heute sind die Steuererhöhungen von morgen. Sie belasten nachfolgende Generationen. Bei der Sanierung der Haushalte kann es nicht um Einnahmeverbesserung durch Steuererhöhungen gehen. Die FDP-Bundestagsfraktion hat in über 400 Anträgen zum Bundeshaushalt 2005 Einsparvorschläge in einer Gesamthöhe von 12,5 Mrd. Euro gemacht. Das zeigt, dass die Rekordneuverschuldung durch nachhaltiges Konsolidieren und Reformieren gestoppt werden und der Bundeshaushalt sowohl den Vorgaben des Grundgesetzes als auch des Maastricht-Vertrages entsprechen kann. Statt die Maastrichtkriterien aufzuweichen, wollen wir diese im Grundgesetz festschreiben.

Sie unterstellen mehr oder weniger, dass es einen Kuchen gebe, den man nur "gerecht" verteilen müsse. Die Wirklichkeit ist die Wahrheit doch um einiges komplexer. Investoren können sich heutzutage die Standorte für ihre Investitionen und damit für Arbeitsplätze, die immer ortsunabhängiger werden, frei wählen. Die Bundesrepublik Deutschland steht hier im globalen Wettbewerb. Die FDP fürchtet weniger die Ungleichheiten durch eine Politik der Freiheit, als die Armut aller durch eine Politik der Gleichheit. Wenn es in Deutschland so wie bisher weitergeht, dann reden wir in Deutschland nicht mehr über untere und mittlere Einkommen, sondern über die virulente Verbreitung von Hartz IV in der Bevölkerung, weil auch im Niedriglohnbereich Arbeitsplätze exportiert werden mit den bekannten Folgen für die Binnenkonjunktur. Daher wollen die Liberalen den politischen und auch geistigen Paradigmenwechsel u.a. mit Bürgergeld sowie radikaler
Steuervereinfachung und die Stigmatisierung von Teilen der Bevölkerung beenden.

Selbstverständlich fragt man sich, wo bei zweistelligen Millioneneinkommen noch die Relationen sind. Moralisch kann man da sehr wohl ein Fragezeichen dahinter setzen. Eine andere Sache ist, inwieweit der Staat überhaupt Instrumente hat sich da wirkungsvoll und zielführend einzumischen. Über Marktversagen wird in Deutschland viel geredet, über Staatsversagen dagegen sehr wenig öffentlich diskutiert. Nach Ansicht der FDP muss der Aufsichtsrat als Kontrollorgan gestärkt werden. In diesem Bereich an der Steuerschraube zu drehen, wirkt sich jedoch mittelfristig insgesamt eher negativ aus -
sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Investitionsseite. Die FDP ist die einzige Partei, die ein umfassendes, in sich stimmiges Gesamtkonzept zur Reform der Besteuerung für Bürger und Unternehmen vorlegt: Niedrig, einfach und gerecht - das sind die Kriterien für das liberale Steuerkonzept.

Die FDP verfolgt fußend auf den Wiesbadener Grundsätzen eine moralische Politik. Sie verfolgt jedoch - im Gegensatz zu ihren politischen Mitbewerbern - ausdrücklich keine ideologische Politik. Ideologische Politik, auch die die sich "soziale Gerechtigkeit" auf die Fahne schreibt, ist immer kontraproduktiv und schadet am Ende eher denen, den sie etwas Gutes will.

Arbeitsplätze, die gut von einem ineffizienten und bürokratischen Steuersystem leben, sind volkswirtschaftlich unproduktive Arbeitsplätze. Die frei werdenden, die entfesselten Kräfte und Mittel werden sich mit unserem Steuerrecht im Endeffekt zum Wohle der Allgemeinheit ihren Weg zu neuer Produktivität bahnen. Bezieher von Einkommen in höheren Einkommensebenen sollen nicht weniger, sondern dann überhaupt erst mal wieder Steuern zahlen. Jetzt ist es doch so, dass man sich in diesen Einkommensgefilden, wobei mich schon interessieren würde, wo sie da die Grenzen ziehen, mit Hilfe des Steuerberaters arm rechnen kann. "Kümmerexistenzen" entstehen vor allem dann, wenn Menschen keine Arbeit finden, auf den kollektiv gewährten
Lohnersatz verwiesen werden und mit der Zeit das Gefühl bekommen nicht gebraucht zu werden. Arbeitssuchende müssen wieder leichter ohne das Stigma des Ausgesondertseins Anschluss an den Arbeitsmarkt finden. Die FDP will soziale Sicherheit neu organisieren. Für uns gilt Wahlfreiheit, Eigenverantwortung statt Bevormundung und Bürgerselbstversicherung statt Bürgerzwangsversicherung. Kapitaldeckungsverfahren müssen undurchschaubare und finanziell marode kollektive Systeme ersetzen. Es gilt Ängste von Menschen ernst zu nehmen und nicht Ängste zu erzeugen. Im Rahmen unserer Vorschläge zur Gesundheitsreform wird der Arbeitgeberbeitrag der
Krankenversicherung als steuerpflichtiger Lohnbestandteil ausgezahlt. Die Lohnzusatzkosten werden so von der Beitragsentwicklung im Gesundheitswesen
abgekoppelt. Ziel unserer Gesundheitspolitik ist ein bezahlbarer und gleichwohl umfassender Krankenversicherungsschutz für alle. Das jetzige System werden wir reformieren, hin zu mehr Freiheit, Effizienz und Wettbewerb. Es geht um ein freiheitliches Versicherungsmodell, das auf den Prinzipien des Wettbewerbs und der sozialen Verantwortung beruht. Anstelle von Budgetierung, Rationierung und fortlaufender gesetzlicher Kürzung von Leistungen ist eine nachhaltige Reform unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung unumgänglich. Das jetzige Umlagesystem ohne
Altersrückstellungen, in dem immer weniger junge Menschen für die hohen Krankheitskosten von immer mehr älteren Menschen aufkommen, soll in ein
kapitalgedecktes System mit entsprechenden Altersrückstellungen umgewandelt
werden. Diese Altersrückstellungen sollen zwischen den Kassen in vollem Umfang übertragbar sein. Echter Wettbewerb entsteht durch eine privatrechtliche Organisation der gesetzlichen Krankenkassen und durch Tariffreiheit. Die gesetzliche Pflichtversicherung wird durch eine Pflicht zur Versicherung eines Mindestumfangs an Leistungen, den so genannten Regelleistungen ersetzt. Der Einzelne ist frei in der Entscheidung, ob er darüber hinaus weitere Leistungen versichern will oder z. B. einen höheren Selbstbehalt wählt. Um jeden Bürger in die Lage zu versetzen, eine
Versicherung abzuschließen, die zumindest die Regelleistungen umfasst, ist vorgesehen, dass jedes Versicherungsunternehmen mit Kontrahierungszwang einen Pauschaltarif anbieten muss, der diese Regelleistungen abdeckt und der weder nach Geschlecht, noch nach sonstigen Kriterien differenziert. Von Geburt an hat jeder Bürger, auch in den anderen Tarifen, einen Anspruch darauf, zumindest im Umfang der Regelleistungen unabhängig von seinem Gesundheitszustand ohne Risikozuschläge versichert zu werden. Für Kinder und Bürger mit zu geringem oder keinem Einkommen wird eine Pauschale als
Bestandteil des Bürgergeldes gewährt, die sich an der Höhe der Regelleistungstarife der verschiedenen Krankenkassen bemisst. Die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Pflegeversicherung muss durch Aufbau eines Kapitalstocks gesichert werden. Das derzeitige Umlageverfahren ist nicht zukunftsfest. Die Rücklagen werden vermutlich bis zum Jahre 2008 komplett aufgebraucht sein. Deshalb ist eine Pflicht zur Versicherung im
Rahmen einer kapitalgedeckten Pflegeversicherung notwendig. Der Beitrag für den gesetzlich verpflichtenden Versicherungsumfang ist im Bürgergeld als Pauschale enthalten. Die Rente gehört grundsätzlich neu durchdacht. Private Altersvorsorge muss sie ergänzen. Die versicherungsfremden Leistungen müssen beseitigt und die Frühverrentung zu Lasten der sozialen Sicherungssysteme muss beendet werden. Rentenabschläge müssen künftig noch stärker die gestiegene Lebenserwartung berücksichtigen und den Anreiz zur Inanspruchnahme vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter mindern. Wir werden dabei die Abschläge variabel gestalten und die erreichten Versicherungszeiten berücksichtigen. Die Höhe der Abschläge kann nach der
Zahl der Versicherungsjahre variieren. Als wesentliches Kriterium für die private Altersvorsorge soll eine praktikable Zweckbestimmung ausreichen. Ein individuelles Altersvorsorgekonto, das alle Formen privater Vorsorge vom Versicherungsvertrag, über Banksparplan bis zum Investmentsparplan umfasst, wird staatlich anerkannt und gefördert. Das Altersvorsorgekonto umfasst betriebliche wie private Altersvorsorge und ist auch für die Entgeltumwandlung der Arbeitnehmer zugänglich. Ihnen muss uneingeschränkte Portabilität vom Arbeitgeber her gewährleistet sein. Die Förderung der
Altersvorsorge durch den Erwerb einer Immobilie wird verbessert. Wir werden ein steuerlich gefördertes Tilgungssparen zulassen, das zum Erwerb der Immobilie verwendet werden kann. Vielfalt der Alterssicherung und Pluralität der Alterssicherungssysteme werden auch in Zukunft die Standbeine eines angemessenen Lebensstandards im Alter sein. Unsere Sozialsysteme werden nur zukunftsfähig sein, wenn alle Generationen einen gleichmäßigen Beitrag leisten. Wir treten dafür ein, dass einmal im Jahr eine Generationenbilanz vorgelegt wird, in der über die Belastungen der Generationen von heute und morgen umfassend berichtet wird. In dieser Bilanz sollten Zukunftsinvestitionen beispielsweise für Bildung und Ausbildung, Infrastruktur und soziale Sicherheit ausgewiesen werden, aber auch die Belastungen beispielsweise durch Staatsverschuldungen, Pensionslasten und Generationenverträge deutlich werden.

Die FDP will keine Vorsorge abwälzen, sondern dorthin zurückgeben, wo sie hingehört: In die Hände der Bürgerinnen und Bürger. Nur sie können wirklich verantwortungsvoll und auch effizienter als der Staat Vorsorge betreiben. Das Geld, das vorher in marode staatwirtschaftliche Systeme geflossen ist, wird den BürgerInnen zurückgegeben, damit diese eigenverantwortend in wettbewerblichen Systemen für sich sorgen können. Wettbewerb wird hier über kurz oder lang eher zu niedrigeren Vorsorgekosten führen. Ihr Vorschlag bezüglich der Schaffung von Tabellen, in denen Rechenbeispiele verzeichnet
werden sollen, klingt interessant. Ich fürchte jedoch fast, dass keine noch so differenzierte Tabelle die Buntheit der unterschiedlichsten Lebensentwürfe wird fassen können.

Die von Ihnen beschriebene Abwärtsspirale stellt kein zwangsläufiges Naturgesetz dar. Die FDP will auf allen Feldern einen nachhaltigen Politikwechsel. Im letzten Jahr verglich die Bertelsmann Stiftung die 21 wichtigsten Industrienationen der Welt hinsichtlich ihrer
Arbeitsmarktentwicklung und ihres Wirtschaftswachstums. Deutschland landete dabei auf dem letzten Platz. Deutschland erwartet noch 0,7 % Wachstum dieses Jahr. Die anderen EU-Staaten wachsen im Schnitt um 1,8 %. In Österreich ist die Arbeitslosenquote halb so hoch wie in Deutschland. In Irland ist das Wachstum 4,5 %, in Spanien 2,6 % und in Großbritannien 2,8 %. Bei der gleichen Lage der Weltwirtschaft. Es geht besser. Aber dafür brauchen wir einen Politikwechsel.

Für die FDP ist "Wettbewerb" der zentrale Begriff im politischen Handeln. Der Staat muss sicherstellen, dass fairer Wettbewerb gewährleistet ist. Das Steuermodell, das Bürgergeld und das Gesundheitsversicherungsmodell der FDP habe ich Ihnen bereits erläutert. Die FDP ist und bleibt Rechtsstaatspartei. Ihren Vorschlag Kriminelle, bei denen Sie ja interessanterweise implizieren, dass diese pensionsberechtigt, also verbeamtet sind, zu enteignen kann ich nicht teilen. Aus guten Gründen ist derartiges nicht mit dem Grundgesetz und Rechtsstaatlichkeit vereinbar. Gerade aus Sicht des Allgemeinwohls kann ich Ihre Vorschläge nur zum Teil begrüßen. Die FDP will statt einer Staatswirtschaft der besten sozialen und ökologischen Absichten die Marktwirtschaft der besten sozialen und ökologischen Ergebnisse.

Als ersten Schritt zum Liberalen Bürgergeld will die FDP die Zuverdienstmöglichkeiten für ALG II umgehend verbessern: Die FDP fordert, dass über den Grundfreibetrag hinaus von einem Zuverdienst aus Erwerbstätigkeit von bis zu 600 Euro monatlich 40 % anrechnungsfrei bleiben.
Zum anderen muss jegliche Form der privaten Altersvorsorge ähnlich geschützt
werden wie die staatliche geförderte Riester-Rente. Die FDP fordert, dass
ALG-II-Empfänger ihre Lebensversicherungen und andere private Altersvorsorgeformen nicht mehr auflösen müssen, sondern diese gleichrangig zu Riester-Rente als Schonvermögen für die Altersvorsorge behandelt werden.
Die FDP ordnet ihre Politik sehr wohl in ein stimmiges Gesamtkonzept ein.

Das Steuerkonzept der FDP ist gerecht, weil es nicht Leistungsfeindlichkeit fördert und keine Ungerechtigkeit aufgrund von Umverteilung in Form von Steuerpolitik kennt. Steuerpolitik ist als Instrument der Umverteilung untauglich.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat bereits im Januar 2004 einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht, der u.a. die Besteuerung von Kapitalerträgen mit einer Abgeltungssteuer von 25 %´vorsieht. Die auszahlende Stelle hat demnach den Betrag einzubehalten und an das zuständige Finanzamt abzuführen. Die Steuer hat Abgeltungswirkung. Damit wird die Position des deutschen Finanzplatzes im internationalen Wettbewerb gestärkt. Der Sparerfreibetrag kann wegen des niedrigen Steuertarifs entfallen. Das heutige Besteuerungsverfahren mit der evtl. notwendigen
Aufteilung des Sparerfreibetrags und der Kontrolle dieser Aufteilung durch das Bundesamt für Finanzen sowie der Erstellung der auch für Fachleute nicht verständlichen Steuererklärung wird grundlegend vereinfacht. Beispiele in anderen Ländern wie Österreich zeigen, dass eine Abgeltungsteuer mit moderatem Steuersatz von den Bürgern akzeptiert wird, Steuerhinterziehung vermeidet und auf Dauer zu stabilen Steuereinnahmen führt. Auch ein strafbefreiendes Angebot zur Rückführung von Fluchtkapital und bisher nicht versteuertem Kapital in den legalen Wirtschaftskreislauf wird nur dann erfolgreich für den Staat sein, wenn die Besteuerung von Kapitalerträgen in
dieser Weise akzeptabel geregelt wird.

Die bildungspolitische Bedeutung vor allem des Kindergartens ist nicht zu leugnen. Das gesellschaftliche Bewusstsein dafür wächst, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland in hohem Maße auf die Bildung, Kreativität und Leistungsfähigkeit seiner Bürgerinnen und Bürger angewiesen ist. Bildung ist Bürgerrecht. Erziehung, Bildung und Ausbildung junger Menschen zählen zu den vorrangigen Aufgaben der Gesellschaft; sie bestimmen entscheidend die Lebenschancen von jungen Menschen in einem rohstoffarmen Land wie
Deutschland. Wir brauchen mehr Mittel für Bildung. Deutschland steht mit lediglich 5,3% des Bruttoinlandsproduktes für Bildung deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 5,5%. Wir müssen der Bildung und Ausbildung Prioritäten einräumen. Der internationale Vergleich hat uns gezeigt, dass auch Kindertagesstätten einen Beitrag zur besseren Qualifizierung unserer Kinder leisten müssen. In unserer Gesellschaft müssen die Leistungen von Müttern und Vätern, die sich ganz der Betreuung ihrer Kinder oder auch
anderer Angehöriger widmen, stärker anerkannt und gewürdigt werden. Sie erbringen Leistungen, die der gesamten Gemeinschaft zugute kommen. Der volkswirtschaftliche Nutzen von Kindertageseinrichtungen und Tagespflege wird ebenfalls unterschätzt. Erhebliche Einnahme- und Einspareffekte für die öffentlichen Haushalte sind zu erwarten, wenn erstens erwerbswillige Mütter dank einer besseren Kinderbetreuungsinfrastruktur einer Erwerbstätigkeit nachgehen können. Zweitens werden im Bereich der Kindertageseinrichtungen Arbeitsplätze geschaffen oder in der Tagespflege selbständige Existenzen gegründet. Drittens können bisher auf Sozialhilfe angewiesene Alleinerziehende ebenfalls bei besserer Kinderbetreuung erwerbstätig sein. In Westdeutschland wünschen sich fast 70 % der nichterwerbstätigen Mütter mit Kindern bis zu 12 Jahren die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Sie scheitern am mangelhaften Kinderbetreuungsangebot. Wenn wir Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit verbessern, können wir die Erwerbsquote von Frauen erhöhen und durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien tendenziell positiv auf die Geburtenentwicklung einwirken. Die Erhöhung der Frauenerwerbsquote wie eine positive Geburtenentwicklung haben unmittelbare Wirkung für die sozialen Sicherungssysteme. Schon allein eine Steigerung der Frauenerwerbsquote auf das Niveau unserer skandinavischen Nachbarn würde die mit der demographischen Entwicklung verbundenen Finanzprobleme in der umlagefinanzierten Rentenversicherung spürbar abschwächen. Ganz konkret errechnet wurden jüngst in einer Studie der Prognos AG die
betriebswirtschaftlichen Effekte familienfreundlicher Maßnahmen: Für Unternehmen rechnen sich familienfreundliche Maßnahmen. Kapital, das in die Einführung familienfreundlicher Maßnahmen gesteckt wird, erbringt eine Rendite von durchschnittlich 25 %. Das Verhältnis von realisierten Einsparungen und Maßnahmenkosten zeigt somit, dass die familienfreundlichen Maßnahmen betriebswirtschaftlich sinnvoll - und keineswegs nur eine humanitäre Geste sind. Gesellschaftspolitische Ziele werden ebenfalls mit einem Ausbau der Kindertagesbetreuung befördert. Eltern müssen die
Wahlfreiheit haben, über ihr Familienleben und ihre Kindererziehung selbst zu entscheiden. Traditionelle Lebensentwürfe von Familien verdienen die gleiche Anerkennung wie Familien, in denen sich beide Partner oder ein allein erziehendes Elternteil für Karriere und Kinder entscheiden. Das Kindeswohl kann auf verschiedene Weise in der Familie gefördert werden - wichtig ist, dass es gefördert wird. Eines der dramatischsten Ergebnisse der internationalen Vergleichsstudien ist in diesem Zusammenhang, dass es in Deutschland kaum gelingt, Benachteiligungen aufgrund der sozialen Herkunft auszugleichen. Frühkindliche Bildung ist der entscheidende Faktor für die Chancengerechtigkeit am Start. Besonders die Kindertagesbetreuung kann und
muss daher die Chancengerechtigkeit und die soziale Integration verbessern. Die Kinder haben ein Recht auf Förderung - und die Gesellschaft kann es sich nicht leisten, die Potentiale der jungen Generationen zu verschwenden.

Was die von Ihnen angeregte Wirksamkeit von drastischen Sanktionsverschärfungen angeht, bin ich skeptisch. Vor allem hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz.

"Was wollen Sie unternehmen, um den Rechtsweg so effizient gestalten, dass nicht nur die Täter vor unrechtmäßiger Verfolgung, sondern endlich auch die Opfer wirksam vor unzumutbaren Beeinträchtigungen geschützt und von den Opfern entschädigt werden, damit es nicht mehr so oft heißt: Recht bekommen, aber trotzdem der Dumme gewesen?"

In dieser Abstraktheit und inhaltlichen Unbestimmtheit bis hin zur Widersprüchlichkeit lässt sich Ihre Frage nicht beantworten.

Derart aus dem Kontext gerissen, ist die Frage nach dem Inhalt des Satzes "Mehr Arbeit schafft mehr Freiheit für mehr Menschen" in der Tat berechtigt.
Hier noch einmal der Gesamtzusammenhang:

Eigenverantwortung ist nicht nur eine Pflicht in der bürgerlichen Gesellschaft, sondern auch ein Recht gegen die Bevormundung durch die Bürokratie eines staatlich organisierten Kollektivs oder durch faktische Zwangsmitgliedschaften in privatrechtlichen Kartellen (z.B. Gewerkschaft, Arbeitgeberverband). Liberale wollen den liberalen Sozialstaat, nicht den sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat aller andern Parteien. Es geht um Wohlstand und Lebenschancen für jeden einzelnen Bürger. Die zentrale
Staatsaufgabe ist nicht Gleichheit, sondern die Sicherung von Chancen- und
Leistungsgerechtigkeit für jeden Menschen. Wir fürchten weniger die Ungleichheiten durch eine Politik der Freiheit, als die Armut aller durch eine Politik der Gleichheit. Im Alltag heißt das: Wer unter dem Regime eines gesetzlich vorgeschriebenen oder im Privatkartell ausgehandelten Mindestlohnes lebt, muss mit dem Risiko rechnen, zu diesem Lohn keinen Arbeitsplatz zu finden. Er muss sich darauf einstellen unter diesen Umständen, auf den kollektiv gewährten Lohnersatz verwiesen zu werden und nach einiger Zeit in den Verdacht der Arbeitsverweigerung zu geraten. Im Niedriglohnbereich wird es daher nach Ansicht der FDP immer wichtiger, dass die Lücke geschlossen wird zwischen Löhnen, die für Betriebe ohne Gefährdung von Arbeitsplätzen bezahlbar sind, und ausreichenden Löhnen für ein eigenverantwortliches Leben. Das Bürgergeld schließt diese Lücke. Ziel von Steuerstrukturreform und Bürgergeld ist die faktische Schaffung der
negativen Einkommenssteuer. Eine Hauptaufgabe für die Liberalen bleibt es, die Rahmenbedingungen für mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Mehr Arbeit schafft mehr Freiheit für mehr Menschen.
Freiheit ist jedenfalls nicht perspektivlos auf Transferleistungen angewiesen keine Arbeit zu finden. Genau hier setzt das Bürgergeldkonzept mit negativer Einkommenssteuer an. Wir kämpfen für eine Anerkennungsgesellschaft, in der nicht nur sportliche und künstlerische Spitzenleistungen die Menschen begeistern, sondern auch wirtschaftliche. Das ist die neue Wende, die wir Freien Demokraten wollen. Österreich hat rund 4 % Arbeitslosenquote. Das gilt bereits als Vollbeschäftigung. Deutschland ist mit einer mutigen Politik in der Lage den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Die FDP ist hierfür programmatisch und personell am besten aufgestellt.

Mit freundlichen Grüßen
Stephanie Iraschko-Luscher