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Stephanie Iraschko-Luscher
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Frage von Rupard E. •

Frage an Stephanie Iraschko-Luscher von Rupard E. bezüglich Verbraucherschutz

Hallo Frau Iraschko-Luscher,

da Herr Fischer anscheinend sowieso nicht antwortet, frage ich nur Sie: Warum hat Ihre Partei das so genannte Antidiskriminierungsgesetz abgelehnt? Etwas gegen Diskriminierung zu tun, kann doch nicht schlecht sein oder was hat sie da geritten? Dachte immer, die FDP sei gegen Diskriminierung.

MfG
Rupard Elger

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Elger,

Rechte von Minderheiten müssen gestärkt werden ohne eine Gesinnungsdiktatur zu errichten. Die FDP lehnt daher den Gesetzentwurf der Koalition für ein Antidiskriminierungsgesetz ab. Er geht weit über die europäischen Vorgaben hinaus. Wir wollen eine 1:1-Umsetzung der EU-Richtlinien. Nicht weniger – aber auch nicht mehr. Der Gesetzentwurf ist erneuter Ausdruck rot-grüner Staatsgläubigkeit gewesen. Er atmet den Geist der Gutmenschen, die den widerspenstigen Bürger mit der Keule des Gesetzes Mores lehren wollen. Die FDP tritt mit aller Entschiedenheit gegen Diskriminierung und Intoleranz ein. Die FDP will Benachteiligungen beseitigen und die Rechte von Minderheiten stärken. Die FDP will die gleichen Rechte – und auch die gleichen Chancen – für alle Menschen, und das unabhängig von ihrer Rasse, ihrer ethnischen Herkunft, ihrem Geschlecht, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Identität. Diesem Ziel fühlt sich die FDP in besonderer Weise verpflichtet. Der Abbau von Diskriminierungen lässt sich aber nicht per Gesetz verordnen! Er ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir brauchen eine Veränderung des Bewusstseins, keine Flut von Prozessen. Denn damit wäre niemandem, der diskriminiert wird, wirklich geholfen. Wir müssen eine Kultur des Miteinanders entwickeln, in der Diskriminierung und Vorurteile geächtet und Vielfalt und Unterschiedlichkeit akzeptiert und toleriert werden. Der rot-grüne Gesetzentwurf kann genau das Gegenteil bewirken. Er unterstellt Arbeitgebern, Verkäufern und Vermietern eine Diskriminierungsabsicht, dir durch die allgemeine Lebenserfahrung in der Regel nicht gerechtfertigt ist. Im ungünstigsten Fall wird das Gesetzesvorhaben deshalb als unangemessene staatliche Bevormundung empfunden. Es kann so zu Ressentiments gegen diejenigen beitragen, die es eigentlich schützen will.

Der Gesetzentwurf erklärt Benachteiligung aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung von „Massengeschäften“ oder vergleichbaren Vertragsverbindungen für unzulässig (§ 20 Abs. 1 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien [ADG-E]). Damit gilt u.a. beim täglichen Lebensmitteleinkauf, im Gasthaus, in Bus und Taxi, der Badeanstalt, dem Fitnessclub, bei allen privaten Versicherungsverträgen und der Vermietung von Wohnungen in größerem Umfang ein Diskriminierungsverbot. Bei einem Verstoß drohen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen (§ 22 ADG-E). Hier geht Rot-grün weit über den Regelungsgehalt der EU-Richtlinien hinaus und greift schwerwiegend in die grundrechtlich geschützte Vertrags- und allgemeine Handlungsfreiheit ein. Bereiche, die bisher der freien und selbstverantwortlichen Gestaltung der Vertragsparteien überlassen waren, würden nun der Kontrolle durch die Gerichte unterworfen.

Ein entsprechendes Benachteiligungsverbot soll auch für Beschäftigte gelten (§ 7 ADG-E). Um sich nicht dem Vorwurf der Diskriminierung auszusetzen, werden sich Arbeitgeber in Zukunft bei Einstellungen entweder noch mehr als bisher zurückhalten oder stärker an formalen, klar überprüfbaren Kriterien, wie Zeugnisnoten, orientieren. Jeder, der weniger durch gute Zensuren und mehr durch soziale Kompetenzen überzeugt, hat dann schlechte Karten. Nach dem Gesetzentwurf ist einem Arbeitgeber auch dann ein Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz vorzuwerfen, wenn er einen Arbeitnehmer wegen eines bestimmten Merkmals (z. B. Religion) diskriminiert, das dieser tatsächlich gar nicht aufweist. (§ 7 Abs. 1 Satz 2 ADG-E). Im Zusammenhang mit der geplanten Beweislastumkehr (§ 16 ADG-E) öffnet diese Regelung dem Missbrauch durch den Arbeitnehmer Tür und Tor: Er kann behaupten als Angehöriger einer Minderheit diskriminiert worden zu sein. Der beweispflichtige Arbeitgeber müsste den Nachweis erbringen, keinen Diskriminierungsversuch unternommen zu haben. Dieser Beweis wird in der Regel schwer zu erbringen sein. Schadensersatzzahlungen für den Arbeitgeber wären die Folge. Ferner muss der Arbeitgeber gegebenenfalls auch dann haften, wenn nicht er selbst, sondern Dritte, z.B. Kunden oder Lieferanten, einen Mitarbeiter seines Betriebs diskriminieren (§ 16 Ziff. 2 ADG-E). Dabei hat er hinsichtlich des Verhaltens von außerhalb seines Unternehmens tätigen Personen keinerlei Kontrollmöglichkeiten. Zu allem Überfluss werden durch den Entwurf den Gewerkschaften neue Rechte im Betrieb zugewiesen (§ 18 ADG-E). Sie sollen als quasi arbeitsrechtlicher Antidiskriminierungsverband – auch ohne den Willen oder die Zustimmung des Benachteiligten – tätig werden und seine Rechte vor Gericht geltend machen können. Das mag als ein Stärkungsmittel für die an Mitgliederschwund leidenden Gewerkschaften gedacht sein. Es ist aber weder erforderlich noch sachgerecht! Damit trägt der Entwurf des Antidiskriminierungsgesetz nicht zur Schaffung neuer Arbeitsplätze bei. Ganz im Gegenteil, werden die bisherigen zaghaften Bemühungen, Unternehmen von überflüssiger Bürokratie zu entlasten, noch konterkariert. Die Frage, welche Kostenbelastungen auf die Betriebe zukommen, wurde in der Folgenabschätzung des Gesetzentwurfs völlig ausgeblendet.

Vom Anwendungsbereich des Gesetzes sollen auch Gewerbetreibende und Selbständige erfasst sein, wenn sie in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis stehen (§ 6 Abs. 1 Ziff. 3 ADG-E). Angesichts der großen Zahl der Fälle, in denen wegen enger vertraglicher Bindungen zu einem Vertragspartner faktisch eine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht, bedeutet das eine für das Wirtschaftsleben äußerst hinderliche Ausweitung des Benachteiligungsverbots über den Kreis der abhängig Beschäftigten hinaus. Dieser ausufernden Anwendung stehen Schutzdefizite im Einzelfall gegenüber. In seiner Allgemeinheit nimmt der Gesetzentwurf nämlich keine Differenzierungen zwischen den unterschiedlich ausgeprägten Schutzbedürfnissen verschiedener benachteiligter Personen oder Gruppen vor. Besonders ausgeprägte Schutzpflichten des Staates, z.B. im Hinblick auf Menschen mit Behinderungen, erhalten so nicht den ihnen zustehenden Rang und können sogar eine Relativierung erfahren.

Die Idee einer Antidiskriminierungsstelle als eigener Behörde mit umfassendem bürokratischem Apparat (§§ 26 ff. ADG-E) ist wohl der grüne Beitrag zum Gesetzentwurf. Hier wird erneut und ziemlich hemmungslos grüne Klientel bedient. Durch die EU-Richtlinien wird eine solche Bürokratie nicht gefordert. Sinnvoll ist nach Auffassung der FDP stattdessen die inhaltliche Stärkung der bisher schon vorhandenen Beauftragten. Eventuell auftretende Lücken hinsichtlich der nach EU-Recht notwendigen Kompetenzen und Zielgruppen können durch eine Stelle im Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend geschlossen werden. Die Einrichtung einer neuen Antidiskriminierungsbehörde lehnt die FDP jedenfalls entschieden ab.

Der Gesetzentwurf ist handwerklich mangelhaft. Er enthält eine Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen, die erst durch die Gerichte erst noch konkretisiert werden müssen. Ein Antidiskriminierungsgesetz muss aber einen verlässlichen und verbindlichen Rechtsrahmen vorgeben, aus dem sich Rechte und Pflichten klar ergeben. Der Gesetzentwurf führt stattdessen zu mehr Rechtsunsicherheit. Ferner sieht der Entwurf die „Unterstützung“ von Benachteiligten durch Antidiskriminierungsverbände vor (§ 24 ADG-E). An diese können Forderungen auf Schadenersatz oder Entschädigung in Geld abgetreten und von ihnen dann gerichtlich oder außergerichtlich geltend gemacht werden können. Das führt zu einem modernen Ablasshandel in Sachen Antidiskriminierung! Es geht um den individuellen Schutz vor Benachteiligung und nicht um professionelle Geltendmachung von Ansprüchen im großen Stil mit der Gefahr einer wirtschaftshemmenden Prozessflut.

Nicht alles, was im Hinblick auf die EU-Richtlinien neu zu regeln ist, muss in einem eigenen Gesetz geregelt werden. Die FDP ist der Auffassung, dass z.B. der zivilrechtliche Regelungsteil der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien besser im BGB als in einem Antidiskriminierungsgesetz geregelt werden sollte. Das wäre rechtssystematisch konsequenter und würde zudem für die Bürger die Übersichtlichkeit und Verständlichkeit des Rechtssystems erhalten oder sie zumindest nicht noch weiter zu verdunkeln. Außerdem geht die geplante Beweislastumkehr (§ 16 ADG-E) zu weit. Kann der Benachteiligte eine Diskriminierung glaubhaft machen, wird sie vermutet und die andere Vertragspartei muss den Gegenbeweis antreten. Hier müssen im Hinblick auf die im deutschen Rechtssystem ansonsten regelmäßig geltende Unschuldsvermutung die in den Richtlinien vorgesehenen Spielräume bei der Anpassung des nationalen Rechts genutzt werden.

Die FDP steht für EU-Vertragstreue. Daraus folgt für uns unzweifelhaft, dass die geltenden EU-Antidiskriminierungsrichtlinien in nationales Recht umzusetzen sind. Dabei muss sicherstellt werden, dass die mit den Richtlinien verbundenen Zielsetzungen auch wirklich erreicht werden. Wir fangen jedoch nicht bei Null an. Schon bisher tragen viele Vorschriften unseres deutschen Rechts dazu bei, Benachteiligung zu verhindern und Chancengleichheit zu befördern. Das muss im Gesetzgebungsprozess berücksichtigt werden. Die FDP will, dass alle geltenden EU-Antidiskriminierungsrichtlinien umgesetzt werden, also nicht nur diejenigen, deren Umsetzungsfrist bereits abgelaufen ist, sondern auch die, bei denen sie noch läuft. Es macht keinen Sinn jetzt nur das Überfällige zu erledigen und dann in ein oder zwei Jahren erneut ein Gesetzesvorhaben auf den Weg zubringen. Auch wenn das in den letzten Monaten an den Tag gelegte Engagement das Gegenteil glauben machen mag, hatte es die rot-grüne Regierung in der Vergangenheit mit der Beseitigung von Benachteiligungen nicht besonders eilig. Sie wurde nämlich erst tätig, nachdem die EU-Kommission ein vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hatte. Erst unter dem Druck aus Brüssel ist die Bundesregierung ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der EU-Richtlinien nachgekommen. Eine neue Regierung wird also viel zu tun haben.

Mit freundlichen Grüßen
Stephanie Iraschko-Luscher