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Stephan Kühn
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Frage von Philipp H. •

Frage an Stephan Kühn von Philipp H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo,

Wie kann es sein das der Großteil der europäischen Bevölkerung absolut gegen das neue Datenschutzgesetz ist, aber abgeordnete es trotzdem verabschieden werden. Ist der Druck der "Urheberrechts lobby" so groß? Ich habe immer gedacht Politiker sind Vertreter der Bevölkerung und nicht der Privatindustrie.
Warum wird das Urheberrecht nicht an die moderne Welt mit Internet etc angepasst bzw. modernisiert? Es gab bereits eine petition mit über 5 Millionen Menschen die sich gegen den Gesetzesentwurf ausgesprochen haben. Wo sind die politischen Vertreter dieser Leute und warum macht sich keiner stark?
Sind Politiker und "Vertreter" der Bevölkerung nur noch Handlanger der privaten Industrie?
Fühlt sich immer mehr nach Scheindemokratie an.
Dieses Gesetz limitiert das Internet, eines unserer größten Erfindungen wenn es um wissensbeschaffung geht.
Wissen und informationen müssen frei bleiben! Selbst wenn es über ein geschütztes Bild läuft.
Für welche Seite bzw Ansicht machen Sie sich denn stark?

Liebe Grüße
P. H.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Henker,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich nehme an, Ihre Frage dreht sich um die gerade im Europäischen Parlament verabschiedete EU-Urheberrechtsrichtlinie. Am 26. März 2019 hat das Europäische Parlament über die Reform des Urheberrechts abgestimmt. Auch uns hat die Entscheidung der Mehrheit im Europäischen Parlament enttäuscht.

Die in dem Entwurf enthaltenen Regelungen, vor allem die zu den sogenannten "Uploadfiltern" und für ein "Leistungsschutzrecht für Presseverlage", hatten zu massiven Protesten in der Öffentlichkeit geführt: Fünf Millionen Menschen unterschrieben eine Petition gegen diese Reform und Hunderttausende waren am 23. März in deutschen Städten demonstrieren. So haben wir Grüne uns u.a. auch an der Demo in Dresden beteiligt.

Wir halten Uploadfilter nicht für den richtigen Weg. Wir sehen einen Konflikt mit der freien Meinungsäußerung: Wenn etwa Satire von Uploadfiltern nicht als solche erkannt und deshalb blockiert wird, wird die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Das Recht und die Möglichkeit, Inhalte publizieren zu können, dürfen nicht aufgrund fehleranfälliger Technik zu Unrecht beschnitten werden.

Gleichzeitig stehen Urheberinnen und Urheber großen Plattformen gegenüber, die nicht in ausreichendem Maße dafür sorgen können, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte nicht unrechtmäßig über ihre Dienste veröffentlicht, verbreitet und kopiert werden. Für uns ist klar: Kreative, Urheberinnen und Urheber müssen an der Wertschöpfung ihrer Werke in der digitalen Welt angemessen beteiligt werden. Sie haben einen Anspruch auf eine faire Vergütung. Dabei dürfen jedoch keine unverhältnismäßigen Hürden für freien Meinungsaustausch und Informationsfluss entstehen. Daher braucht es hier auch finanzielle Ausgleichsmechanismen. Dafür haben wir in der Debatte viele Vorschläge gemacht, etwa ähnliche Regelungen wie die "Fair-Use"-Klausel in den USA oder erweiterte kollektive Lizenzen nach skandinavischem Vorbild.

Die nun beschlossene Urheberrechtsreform wird die Probleme nicht lösen und die Konflikte nicht befrieden. Das ist auch das Ergebnis des Agierens der Bundesregierung, die erst die Reform samt Uploadfilter verhandelt, sich dann gegenseitig die Schuld hierfür in die Schuhe schiebt und nun Uploadfilter bei der nationalen Umsetzung doch verhindern will - bezüglich der Frage, ob dies EU-rechtlich überhaupt möglich ist, bestehen durchaus Bedenken.

Die Bundesregierung hat es versäumt, sich in Brüssel für ausgewogene, durchdachte und praxisnahe Regelungen abseits von Filtern und Leistungsschutzrecht und für einen ausgewogenen Ausgleich der Interessen einzusetzen.

Wir erwarten, dass die Richtlinie in ihrer jetzigen Form überwiegend den großen Plattformen helfen wird, sich noch weiter von möglicher Konkurrenz abzusetzen und dass es kleinen europäischen Anbietern noch schwerer fallen wird, auf dem Markt zu bestehen. Damit würden bestehende Probleme sogar noch verschärft werden.

Mit besten Grüßen
Stephan Kühn