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Stephan Bliemel
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Frage von Jan W. •

Frage an Stephan Bliemel von Jan W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Bliemel!

Die Bundesrepublik beteiligt sich seit über 20 Jahren an kriegerischen Konflikten außerhalb unseres Staatsgebietes, obwohl wir Streitkräfte nur zur Verteidigung aufstellen, unterhalten und einsetzen dürfen. Dabei sind wir nur noch von verbündeten und befreundeten Staaten umgeben und ein Angriff auf das Bundesgebiet kann nicht mehr erfolgen.

Trotzdem kämpfen und sterben Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Konflikten innerhalb Europas - wie auf dem Balkan - oder außerhalb in Afghanistan, Somalia, Georgien etc.!

Die Kosten für die Kriegseinsätze - ob vom zuständigen Minister so genannt oder verharmlost - werden überwiegend aus dem Verteidigungshaushalt bezahlt, anstatt - was denkbar wäre - aus dem Titel Auswärtiges, Entwicklungshilfe, Wirtschaft oder ähnlich.

Andererseits wollen Verteidigungspolitiker und ihre hohen Militärs immer mehr Personal und Gelder für diese Einsätze.

Wie stehen Sie zu diesen Fragen:

- Einsatz der Bundeswehr allgemein im Ausland, insbesondere in Afghanistan und vor der afrikanischen Küste?
- Ihre Abzugsperspektiven oder Forderungen?
- Erweiterung oder Verkleinerung bzw. Abschaffung der Bundeswehr?
- Mehr oder weniger Mittel für die Bundeswehr und ggf. zu Lasten welcher anderen Ministerien, Aufgaben, Einzelhaushalte?
- Aufrechterhaltung der allgemeinen Wehrpflicht oder Längerdiener- / Berufssoldatenarmee?

Als Haushalts- und Finanzspezialist wirken sie u.U. künftig an der Königsdisziplin "Finanzen" und der Mittelverteilung mit und haben ganz entscheidenden Einfluss auf Festlegungen und Mittelverteilung auch für die Kriegs- und Militärfinanzierung!

Deshalb interessierten mich Ihre Standpunkte dazu außerordentlich!

Mit freundlichen Grüßen

Jan Weber

Frage an die Redaktion:

Warum haben Sie eigentlich kein Thema "äußere Sicherheit", "Sicherheits-/Verteidgungspoltik" auf der Bundesebene? Ich könnte mir vorstellen, dass es dazu reichlich Fragen geben könnte!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Weber,

vorweg zu Ihrer anfänglichen Bemerkung über Sinn und Befugnisse
unserer Streitkräfte:

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 hat Klarheit über die rechtlichen Vorraussetzungen der Teilnahme an friedenserhaltenden und friedensschaffenden Operationen durch die Bundeswehr geschaffen. Zur Klärung, ob die Einsätze der Bundeswehr in Somalia sowie die Beteiligung an der Embargo- und Flugverbotsüberwachung gegen das ehemalige Jugoslawien mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wurde durch verschiedene Parteien das Bundesverfassungsgericht angerufen. Dieses hat in den Leitsätzen des genannten Urteils festgestellt:

1. „Die Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 GG berechtigt den Bund nicht nur zum Eintritt in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit und zur Einwilligung in damit verbundene Beschränkungen seiner Hoheitsrechte. Sie bietet vielmehr auch die verfassungsrechtliche Grundlage für die Übernahme der mit der Zugehörigkeit zu einem solchen System typischerweise verbundenen Aufgaben und damit auch für eine Verwendung der Bundeswehr zu Einsätzen, die im Rahmen und nach den Regeln dieses Systems stattfinden.

2. Art. 87a GG steht der Anwendung des Art. 24 Abs. 2 GG als verfassungsrechtliche Grundlage für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nicht entgegen.“

Somit ist ein Einsatz der Bundeswehr dann verfassungskonform, wenn er im Verbund solcher Systeme, zu denen die UN, NATO, WEU, EU, OSZE etc. gehören, stattfindet. Soweit zur rechtlichen Grundlage der Einsätze.

Ich kann an dieser Stelle keine pauschale Befürwortung oder Ablehnung von Einsätzen der Bundeswehr im Ausland vornehmen. Dies muss man verantwortungsvoll von Fall zu Fall beurteilen und bewerten.

Bezogen auf Afghanistan darf ich Ihnen sagen, dass ich mich während der Diskussion im Jahr 2002 um eine Entsendung deutscher Soldaten in diese Krisenregion gegen diesen Einsatz ausgesprochen habe. Dennoch erkenne ich inzwischen an, dass sowohl die afghanische Regierung als auch weite Teile der afghanischen Bevölkerung die Hilfe der ausländischen Truppen im Kampf gegen die Taliban wünschen. Im besten Falle können wir dort dazu beitragen, dass eine sich selbst tragende einigermaßen stabile Gesellschaftsordnung entsteht. Vorstellungen, dort eine modernen Demokratie nach westlicher Prägung aufzubauen, halte ich für illusorisch. Insofern ist es natürlich das Ziel des deutschen Einsatzes, sich in Afghanistan überflüssig zu machen. Der Abzug in Verantwortung muss unser Ziel sein. Dafür müssen Kriterien definiert und m.E. auch ein Ausstiegsplan erarbeitet werden. Frank- Walter Steinmeier hat diesen für die nächste Legislaturperiode angekündigt.

Für die Zukunft bin ich grundsätzlich ein Anhänger von gemeinsamen europäischen Streitkräften. Solange es diese noch nicht gibt, spreche ich mich für ein Fortbestehen der Wehrpflicht aus. Die finanzielle Ausstattung der Bundeswehr muss so bemessen sein, dass die Bundeswehr sicher und gut die ihr vom Bundestag übertragenen Aufgaben erfüllen kann.

Mit freundlichen Grüßen
Stephan Bliemel