Sabine Scherbaum
DIE FRAUEN
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Frage von Torsten W. •

Frage an Sabine Scherbaum von Torsten W. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrte Frau Scherbaum,

Sie kandidieren für die Feministische Partei bei der Europawahl. Ich gehe also davon aus, dass Sie sich als Feministin bezeichnen und sich explizit dazu bekennen.

Halten Sie Feminismus in der heutigen Zeit noch für angemessen, oder sollte man sich nicht eher für eine Art "Egalitismus" einsetzen, also eine Ideologie, deren Ziel die Gleichberechtigung (radikaler formuliert: Die Gleichheit) von Mann und Frau steht?

Glauben Sie, dass der Feminismus in der Lage ist, das traditionelle Patriarchat in ein Matriarchat zu wandeln? Würden Sie das unterstützen oder sehen Sie das eher negativ?

Glauben Sie, dass es eine maskulistische Gegenbewegung zum Feminismus braucht? In bestimmten Bereichen gibt es nämlich schon längst eine faktische Ungleichbehandlung zwischen Mann und Frau zugunsten von Frauen/Mädchen (z..B: Mädchen kriegen bessere Noten ( http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,383709,00.html ) oder die Wehrpflicht für Männer). Auch haben Frauen gesellschaftlich viel mehr Freiheiten als Männer. Dringen Frauen beispielsweise in die Männerrolle ein, dann gelten diese als aufgeklärt - dringen Männer in Frauenrollen ein, dann wird über sie gespottet.

Schießt der Feminismus über sein Ziel hinaus?

Mit freundlichen Grüßen,
Torsten Wagner

Antwort von
DIE FRAUEN

Sehr geehrter Herr Wagner,

Gleichberechtigung ist ein wichtiger Grundpfeiler politischer Forderungen - die meisten Parteien nennen dies inzwischen erfreulicherweise ebenfalls als Ziel ihrer Politik. Doch diese Forderung ist nur ein Teil feministischer Forderungen. FeministInnen gehen davon aus, dass die patriarchalen Strukturen sich als lebensverachtend und lebenszerstörend herausgestellt haben. Wir erhoffen uns von einer Politik aus Frauensicht eine am Leben, an der Lebensqualität und an den Bedürfnissen aller Menschen orientierte Politik.

"Glauben Sie, dass der Feminismus in der Lage ist, das traditionelle Patriarchat in ein Matriarchat zu wandeln? Würden Sie das unterstützen oder sehen Sie das eher negativ?"

Diese Frage seriös zu behandeln setzt voraus, dass die Begriffe Patriarchat und Matriarchat deckungsgleich verstanden werden. Die Lebensstrukturen des Matriarchats, wie sie uns aus der Matriarchatsforschung bekannt sind, können in ihrer historischen Dimension (z.B. Erkenntnis-Entwicklung über biologische Zusammenhänge) nur schwer auf unsere heutige Zeit übertragen werden. Daher lassen Sie es mich folgendermaßen formulieren: Durch Feminismus soll dem patriarchalen Prinzips ein Prinzip entgegengesetzt werden, das das Leben achtet. Das bedeutet Verzicht auf Gewalt und eine Wirtschaftsweise, die den Menschen und deren Lebensbedürfnissen dient.

"Glauben Sie, dass es eine maskulistische Gegenbewegung zum Feminismus braucht? In bestimmten Bereichen gibt es nämlich schon längst eine faktische Ungleichbehandlung zwischen Mann und Frau zugunsten von Frauen/Mädchen (z..B: Mädchen kriegen bessere Noten ( http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,383709,00.html ) oder die Wehrpflicht für Männer). Auch haben Frauen gesellschaftlich viel mehr Freiheiten als Männer. Dringen Frauen beispielsweise in die Männerrolle ein, dann gelten diese als aufgeklärt - dringen Männer in Frauenrollen ein, dann wird über sie gespottet."

Das Wort "maskulistisch" wird üblicherweise im Sinne eines "antifeministischen Kampfbegriffs" verwendet. Da ich Ihren Fragen diese Tendenz nicht unterstellen möchte, wäre es hilfreich, wenn Sie konkretisieren könnten, was Sie unter "maskulistischer Gegenbewegung" verstehen.

Die faktische Ungleichbehandlung von Frauen und Männern / Jungen und Mädchen geht unserer Ansicht nach zu Lasten von Frauen: Marginalisierung ihrer Arbeit - sowohl im Lohnerwerb als auch in der häuslichen und ehrenamtlichen Tätigkeit, 23% Lohndifferenz bei gleicher, bzw. gleichwertiger Arbeit, Altersarmut. Das große und bedrückende Thema sexualisierte Gewalt incl. Prostitution, Pornographie, ect. sei hier mal völlig außer acht gelassen...

Recht haben Sie mit Ihrer Beobachtung, dass Frauen in Männerrollen eine andere Resonanz erfahren als Männer in Frauenrollen. Die gesellschaftliche Geringschätzung von Frauen und deren Tätigkeiten greift auch auf Männer über, wenn diese sich in die weibliche Rollen begeben. Beispiel: unter Buben ist "Mädchen" ein Schimpfwort.
Eine langsame Veränderung ist im Gange - nicht zuletzt dank eines leichten Umschwenkens in der Familienpolitik von Frau von der Leyen. Doch es braucht noch mehr Unterstützung: vor allem Unterstützung von Männern für Männer, die sich vom maskulinistischen Männerbild entfernen. Es wäre doch schön, wenn Männer ihren Fokus weg vom einsamen Heldentum und des Konkurrenzdenkens auf die gegenseitige Anerkennung von lebensdienlichen Aktivitäten, wie z.B. Kinderbetreuung, Pflegetätigkeiten setzen würden...

Und zum Stichwort Wehrpflicht: Wir setzen uns für die Abschaffung der Bundeswehr ein.

Zu Ihrer letzten Frage: "Schießt der Feminismus über sein Ziel hinaus?"

Über welches Ziel sollte der Feminismus denn hinaus schießen? Befürchten Sie, die Gesellschaft könnte zu gewaltfrei, zu egalitär, zu ökologisch, zu gerecht werden?

Mit freundlichen Grüßen
Sabine Scherbaum