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Frage von Katrin H. •

Frage an Roland Claus von Katrin H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Mindestlohn / Briefdienst !!! Alle öffentlichen Ausschreibungen (Finanzämter, Stadtverwaltungen usw.) werden nach Tiefstpreisen für Briefsendungen entschieden. Dort werden die Dumpingpreise überwiegend herausgefordert.
Wie wollen Sie verhindern, dass z.B. private Briefdienste bei Mindestlohn aufgeben müssen?

MfG
Hödt-Runge

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Sehr geehrte Frau Hodt-Runge,

ich kann Ihre Sorgen um die Arbeitsplätze bei privaten Briefdiensten gut verstehen. Wer dort eine Arbeit gefunden hat, fühlt sich natürlich besser als in der Arbeitslosigkeit. Aber in der Verteidigung solcher schlecht bezahlten Arbeitsplätze um jeden Preis liegt eine große Gefahr: Das Lohndumping geht immer weiter, findet nach unten hin keine Grenze. Sie beschreiben das Problem ja sehr genau: Die Dumpingpreise werden herausgefordert, und zwar auch, wie Sie beobachtet haben, durch die öffentliche Hand (Verwaltungen, Finanzamt) - und es gibt bei dieser Abwärtsspirale kein Halten mehr. Immer wieder wird es Anbieter geben - sei es nun bei den Briefdiensten oder anderswo -, die mit noch niedrigeren Löhnen als bisher kalkulieren und dadurch für die Kunden "attraktiver" werden. Aber was ist mit denjenigen, die für solche niedrigen Löhne arbeiten? Sie können von ihrer Arbeit allein nicht leben und müssen zusätzlich Hartz-IV-Unterstützung beantragen. Der Unternehmer jedoch macht Gewinn - auf Kosten seiner Angestellten und auf Kosten der Allgemeinheit, die für die Hartz-IV-Zuschüsse aufzukommen hat.

Somit entsteht eine Spirale des immer schärferen Lohndumpings, in die am Ende immer mehr Menschen hinein gerissen werden. Weil durch die immer niedrigeren Löhne und die niedrigen Hartz-IV-Regelsätze die Kaufkraft sehr vieler Menschen sinkt, unternehmen die großen Handelsketten bei den Preisen für ihre Produkte einen Unterbietungswettlauf. Gerade trifft es mit besonderer Härte die Milchproduzenten. Die Milch wird von den Hendelsketten zu so niedrigen Preisen eingekauft, dass viele Landwirte pleite gehen, weil sie für die Erzeugung von einem Liter Milch mehr Geld ausgeben müssen, als sie an Einnahmen für diesen Liter erzielen.

Wir wollen, dass dieser selbstzerstörerische Wettlauf endlich beendet wird. Menschen, die nur sehr wenig Geld verdienen, können auch nur sehr wenig Geld ausgeben. Menschen mit geringen Löhnen können nicht in Gaststätten gehen, nicht ins Kino, sparen sich die Kosten beim Friseur, können keine Ferienparks besuchen usw. usf., und sie können nur die allerpreisgünstigsten Produkte kaufen - was nicht nur sehr oft auf Kosten der Qualität geht, sondern eben auch all jene Produzenten, die ordentliche Löhne zahlen, irgendwann aus dem Rennen wirft. Menschen mit geringen Löhnen zahlen übrigens auch keine Steuern, und so gibt es eben auch einen Zusammenhang zwischen Dumpinglöhnen und geringem Einkommen der öffentlichen Hand. Weshalb dann manche Verwaltungen meinen, sie müssten nun eben ihrerseits ausgerechnet an den Briefkosten sparen.

Wird hingegen ein Mindestlohn festgelegt - und in vielen europäischen Ländern ist das der Fall, in der von uns angestrebten Höhe von zunächst 8 € zum Beispiel auch bei unserem Nachbarn Frankreich -, dann wird dem Unterbietungswettlauf ein Riegel vorgeschoben. Natürlich kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, ob unter diesen Bedingungen jeder private Briefdienst überleben kann. Das hängt nicht nur von den Löhnen, sondern auch von vielen anderen Faktoren ab. Es wird dann wieder stärker als bisher um die Unternehmenskonzepte gehen müssen, es wird wieder um die wirkliche Qualität des Angebots gehen und nicht darum, wer die niedrigsten Löhne zahlt. Durch die allgemein steigende Kaufkraft wird es höhere Steuereinnahmen geben, die öffentliche Hand wird damit über mehr Geld verfügen, und da die Menschen höhere Einkommen haben, können sie persönlich mehr Dienstleistungen in Anspruch nehmen und mehr Waren kaufen. Das dient dem Einzelnen ebenso wie der Wirtschaft und den öffentlichen Haushalten.

Wenn etwas Neues wie der Mindestlohn vorgeschlagen wird, ist es oft so, dass dann viele Bedenken gegen diesen Vorschlag mobilisiert werden, damit gar nicht erst der Versuch des Neuen gewagt wird. Da lohnt es sich dann schon, zu schauen, von welcher Seite diese Bedenken kommen. Und es lohnt sich auch, darüber nachzudenken, was die Alternativen zu diesem Mindestlohn sind. Geht es so weiter wie bisher, wird die Zahl derjenigen, die von ihrer Arbeit allein nicht leben können, von derzeit 1,3 Millionen rasch weiter wachsen, und die Zahl der von Niedriglöhnen Lebenden, die sich derzeit auf 6,5 Millionen beläuft, ebenso. Und der Unterbietungswettlauf wird ungehemmt weitergehen.

Lassen Sie uns darum den Mindestlohn wagen!

Mit freundlichen Grüßen

Roland Claus