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Frage von Igor T. •

Frage an Rainer Arnold von Igor T. bezüglich Wirtschaft

Hallo,

wie werden Sie sich bei der Abstimmung Ende September im Bundestag (Erweiterung Euro-Rettungsschirm) verhalten?

Stimmen Sie dafür? Falls ja was sind Ihre Beweggründe?

Und können sie Ihr Verhalten, falls Sie mit JA stimmen, überhaupt mit Ihrem auf die Verfassung geleisteten EID in Einklang bringen?

Besten Dank

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Tomic,

vielen Dank für Ihre Mail. Was die anstehenden Entscheidungen anbelangt, muss man sich zunächst vor Augen halten, dass durch das Verschleppen von Entscheidungen durch die Regierung Merkel eine gemeinsame Haftung für Schulden der Euro-Länder schon besteht. Durch das Nichthandeln auch der deutschen Regierung wurde die Europäische Zentralbank (EZB) in eine Situation gebracht, in der sie handeln musste. Der massenhafte Aufkauf griechischer und irischer Staatsanleihen durch die EZB sind faktisch eine Gemeinschaftshaftung der Mitglieder der Währungsunion. Hinzu kommt nun noch die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms EFSF (European Financial Stability Facility), der nun auch Schuldtitel von Krisenländern aufkaufen soll. Es geht also nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie einer Haftungsunion. Das ist letztlich auch das Ergebnis einer Politik des Nichthandelns durch die Bundesregierung.

In dieser Situation könnten wir es uns als Opposition auch leicht machen, und sagen, wir stimmen gegen die Ausweitung des Rettungsschirms, zumal der in der Öffentlichkeit, das zeigen auch die vielen Anfragen auf abgeordnetenwatch.de mit großen Befürchtungen behaftet und somit unpopulär ist.

Aber gerade wenn man verantwortungsvoll für unser Land handeln will, sollte man bedenken, dass besonders wir Deutschen als große Exportnation wie kaum ein anderes Land in Europa vom Austausch der Waren und Dienstleistungen leben. Fast Zweidrittel unseres Exportes geht in die Europäische Union, mehr als 40 % direkt in die Eurozone. Nur in einem wirtschaftlich gesunden Europa werden wir unsere Fahrzeuge, unsere Produkte des Maschinenbaus, der Stahl- und Chemieindustrie oder der Elektrotechnik verkaufen. Schon in 2010 haben Finanzmarktexperten die Wohlstandsverluste für Deutschland bei einem Auseinanderbrechen des Euro auf 10% der Wirtschaftsleistung beziffert. Auch wenn solche Zahlen anfechtbar sind - dramatische Einbußen für die deutsche Wirtschaft in einem solchen Fall bezweifelt wohl niemand. Insofern werden wir uns auch nicht aus möglichen oppositionstaktischen Gründen Maßnahmen verweigern, die wir europapolitisch für wichtig erachten.

Zugleich müssen aber natürlich die Länder, die auf die Solidarität der Euro-Zone zurückgreifen wollen, akzeptieren, dass diese Solidarität an strenge Bedingungen geknüpft sind.

Die SPD hat daher schon mehrfach in den vergangenen beiden Jahren im Bundestag ihre Forderungen klar formuliert:

- Die hochverschuldeten Länder müssen eine konsequente und gerechte Konsolidierungspolitik betreiben. Dazu gehört die Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung ebenso wie Einsparungen im Haushalt und die Durchsetzung der Besteuerung.

- Auch wenn es niemand gerne offen sagt: Im Falle Griechenlands ist eine Umschuldung unausweichlich geworden. Seine Schuldenlast ist erdrückend hoch, die Zinslast steigt weiter, dem Staat gelingt es noch nicht einmal, genügend Steuern einzutreiben. Einerseits sorgt das schwache Wachstum, auch ein Folge des derzeitigen Spar- und Reformprogramms, für weniger Steuern. Andererseits fehlen dem Staat wesentliche Strukturen einer effizienten Verwaltung. Zwar ist Griechenland ein Sonderfall. Aber die Gläubiger werden auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen.

Allerdings ist für uns die derzeitige Regelung, nach der die Banken freiwillig auf Forderungen verzichten, nicht akzeptabel, zumal hier von einem Verzicht oft nicht die Rede sein kann. Wenn beispielsweise Banken für Papiere, die derzeit nur noch 50% des Ausgabewertes haben, beim "freiwilligen" Tausch dann 80% des Ausgabewertes erhalten, kann wohl kaum vom einem Beitrag der Banken zur Krisenbewältigung gesprochen werden. Vielmehr muss der, der hohe Zinsenerträge einfährt, auch bereit sein, ein hohes Risiko auch selbst zu tragen.

- Ohne dass wir die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Eurozone wenigstens etwas begrenzen, wird die Währungsunion nicht mehr ins Lot kommen. Für vielen Jugendliche ist Europa vom Symbol der Hoffnung zu einem Symbol der Angst geworden. In Griechenland sind mehr als 50% der jungen Menschen arbeitslos, in Spanien sind es 45%. Die Jugendarbeitslosigkeit muss durch Investitionen in moderne Technologien bekämpft werden. Ein solches Wachstumsprogramm ist aber auch in unserem eigenen Interesse, schließlich hängen bei uns Millionen Arbeitsplätze am Export. Gehen andere EU-Länder in die Knie, wird sich das auch auf uns negativ auswirken.

- Finanziert werden kann eine solche Wachstumsinitiative durch

- eine europaweite Finanztransaktionssteuer. Damit werden hochspekulative Finanztransaktionen weniger attraktiv, der Fluss der erheblichen Geldströme würde etwas verlangsamt. Vor allen Dingen leisten dann diejenigen, die lange Zeit gut an der Krise verdient haben, auch einen Beitrag um die Schäden zu bezahlen.

- Streng geregelte und kontrollierte gemeinsame Garantien der Staatsanleihen, die sog. Eurobonds. Eurobonds sind Anleihen, die Mitgliedsländer in der Eurozone zur Finanzierung ihres staatlichen Haushalts einsetzen. Die Garantie für diese Anleihen übernimmt die Gesamtheit der Euro-Länder. Dadurch werden die Zinszahlungen an die Gläubiger finanziell sichergestellt.

Kritiker der Eurobonds befürchten eine europäische "Transferunion", massiv ansteigende Zinskosten für fiskalisch stärkere Länder wie Deutschland sowie weniger Anreize für die schwächeren Länder zur Haushaltsdisziplin. Wir haben jedoch (siehe oben) de facto schon eine Gemeinschaftshaftung und zudem ist die Einführung dieser Bonds (an strenge Bedingungen geknüpft. Z.B. sollte die Staatsschuld der Eurostaaten in zwei Teile aufgeteilt werden: Der erste Teil der Staatsverschuldung bis zur Maastricht-Schuldengrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts soll gemeinsam von den Staaten der Eurozone in Umlauf gebracht werden. Sie wäre mithin europäisch abgesichert. Der zweite Teil mit der gesamten Staatsverschuldung jenseits der Maastricht-Schuldengrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts wäre aber in rein nationaler Verantwortung. Damit müssen die Staaten für ihre Staatsschuld zumindest jenseits der 60-Prozent-Grenze eigenverantwortlich haften und wären somit aus Eigeninteresse an einer soliden Haushaltspolitik interessiert. Unsolide wirtschaftende Länder könnten zudem damit bestraft werden, dass sie einen geringeren Anteil ihrer Staatsschulden über Eurobonds finanzieren dürfen. Da die realen Risiken hoher Staatsverschuldung national bleiben würden, hätten die eigentlichen Eurobonds (unterhalb der 60-Prozent-Grenze) eine höhere Qualität als wenn die gesamten Staatsschulden der Eurozone vergemeinschaftet würde.

Seitens der Bundesregierung werden diese Bonds (derzeit noch) abgelehnt. Dabei wird aber nicht erwähnt, dass durch die mangelnde Handlungsfähigkeit dieser Regierung faktisch bereits eine Gemeinschaftshaftung besteht. Außerdem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies auch mit der Absicht geschieht, damit das eigene Lager zu befrieden (in welchem die Eurobonds zudem kontrovers diskutiert werden).

Wichtig in diesem Zusammenhang ist uns auch, dass endlich die Regulierung der Finanzmärkte beherzt angepackt werden muss. Dazu gehört die Abschaffung von hochspekulativen Finanzprodukten, die Beschränkung von Hedgefonds, Maßnahmen gegen die Hochfrequenzhandel, wo Logarithmen in Bruchteilen von Sekunden über Milliardenanlagen entscheiden (dieser Handel macht schon 40 Prozent des Umsatzes an der Frankfurter Börse aus) und natürlich die von uns vielfach geforderte Umsatzsteuer auf Finanztransaktionen. Wir brauchen außerdem die umfassendere Absicherung der Banken mit Eigenkapital und die Möglichkeit der kontrollierten Insolvenz von Banken, damit nicht nach risikoreichen Geschäften der Steuerzahler in erpresserischer Weise als Bürge herangezogen wird.

Die Bundesregierung hat als einzige Maßnahme zur Regulierung die ungedeckten Leerverkäufe (also den Verkauf z.B. von Devisen und Wertpapieren, über die der Verkäufer zum Verkaufszeitpunkt nicht verfügt) verboten. Darüber hinaus ist in dieser Richtung bisher nichts passiert. Wir als Sozialdemokraten werden jedoch bei diesen Forderungen bleiben, schließlich sollen auch die an den Kosten der Finanzkrise beteiligt werden, die an ihr in den vergangenen Jahren auch sehr gut verdient haben.

Da Sie aus meinem Wahlkreis kommen, können wir diese Fragen auch gerne einmal persönlich im Nürtinger Wahlkreisbüro erörtern. Wenn Sie hieran Interesse haben, kontaktieren Sie bitte mein Büro unter rainer.arnold@bundestag.de. Meine Mitarbeiter vereinbaren dann gerne einen Termin.

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Arnold